Es kann wohl die Mutter aller (Fußball-)Schlachten werden, wenn das Mutterland des Fußballs, England, auf das wohl verrückteste Fußball-Land des Kontinents, Italien, trifft. Berühmt berüchtigt sind beide Fanlager.
Dafür dass es kein normales Finalmatch ist, sorgte bereits der britische Premier, Boris Johnson, der im Falle eines EM-Sieges der Nation den Montag zur Feier frei geben möchte, eine Art „Fußballfeiertag“ nah an den Helden von Trainer Gareth Southgate, wie es mehrere Medien übereinstimmend berichten, darunter auch die Daily Mail – wenn es denn so weit überhaupt kommt.
Es scheint auch ganz so, als sei das Spiel der Spiele komplett mit Politik und Gefühlen der zwei Länder überfrachtet. Als müssten die 22 Kicker auf dem Feld alles für ihre Bürger wettmachen, worauf alles diese die vergangenen anderthalb Jahre verzichten mussten.
Panik und Alarmstimmung jedoch soll morgen Abend im jeweils anderen Strafraum herrschen. Was tun die Teams, Trainer und Spieler nicht alles dafür, gut vorbereitet zu sein? Man analysiert den Gegner, übt sicherheitshalber das Elfmeterschießen, man weiß ja nie.
Italien hatte zuletzt die Spanier damit ausgeschaltet. Die Engländer verwandelten in der Verlängerung ebenfalls einen Elfer – wenn auch erst im Nachschuss. Weg vom Fenster waren die sympathischen und frisch aufspielenden Dänen. Ja, sie fühlten sich fast schon um das Finale betrogen, denn der Elfer war wohl keiner, wie auch die Fachwelt glaubhaft attestierte.
Aber, so scheint es wirklich, um das Finale zu gewinnen, ist den Engländern wohl jedes Mittel Recht. Besonders den Fans. Sie, als Zwölfter Mann, wollen ihre Three Lions zum Sieg brüllen und singen – vielleicht auch noch anders nachhelfen? Es laufen noch investigative Nachforschungen, wer den Dänen-Keeper Kasper Schmeichel wohl mit einem Laserpointer geblendet haben könnte.
Aber nun sorgen sich sogar die dänischen Fans um die wenigen italienischen Tifosi, die in Wembley wohl dabei sein werden, wie die italienische Zeitung Il Giornale ganz frisch berichtet. Im Artikel der Italiener kommt die Dänin, Jeanette Jorgensen zu Wort, die in Wembley mit ihren drei Cousins im Halbfinale dabei war. Und nicht nur sie schreibt auf den Social Media, man fürchte um die italienischen Zuschauer, es könne ihnen ergehen, wie den Dänen selbst im und vor dem Stadion.
Was war geschehen?
Die Dänin erzählt, „Während wir nach der Partie zurückgelaufen sind, wurden wir aufs Übelste beleidigt, und sie versuchten uns die dänischen Flaggen zu entreißen …“, ja, selbst an den Haaren sei sie gezogen, und auch attackiert worden, wird berichtet. Sie sollten dahin zurückkehren, woher sie gekommen seien, wurde gebrüllt. Das klingt doch eher nach Hooligans, und nicht nach der britischen Fankurve und den Rängen, wo der Hit von 1969, ‚Sweet Caroline‘, für Gänsehautmomente sorgt. Ja, warum dieses Lied denn?
Es klingt nach Party, und, so wird spekuliert, der Hit könne es vor allem wegen der passenden Zeile, „Good times never seemed so good“ (zu Deutsch: „Gute Zeiten schienen noch nie so gut“) in das Gesangs-Repertoire der englischen Fans geschafft haben. Dem Brexit zum Trotz will man es allen zeigen und beim Fußball damit beginnen.
Im Singen waren die Briten immer stark, selbst bei Niederlagen, und zwischendurch auch immer wieder die angestimmte Hymne, die Queen solle doch bitte von Gott geschützt werden.
Außerdem so rechtfertigt sich die dänische Supporterin, ihre Tickets hätten sie über den dänischen Fußballverband geordert, und plötzlich wurden die Dänen dann selbst auf ihren Plätzen bepöbelt, gemobbt, und quasi verscheucht. Es waren das Vielfache an Engländern im Sektor der dänischen Fans und die Atmosphäre sei teils beängstigend gewesen.
Viele hatten Angst, fühlten sich bedrängt, und eine andere Augenzeugin berichtet gar, ihre Söhne, elf und 14, hätten sich nicht einmal getraut, ihre Trikots und Käppis aufzuziehen, weil sie bereits vor dem Stadion beleidigt und bespuckt wurden. Kein Fest also für Englands Gegner.
Und die Italiener? Eine Anreise macht wohl keinen Sinn, zu 75% wird das Wembley Stadion voll sein, was circa 60.000 Zuschauern entspricht. Lediglich 1.000 Tifosi aus Mailand und Rom fliegen gen London. In Wembley selbst werden sicherlich nochmals 5.000 bis 6.000 italienische Expatriates, in London lebende Italiener, ihre Azzurri anfeuern. Bisher klappte es auch, und die Italiener von „Il Mister“ Mancini, kennen keine Angst, eine Antistimmung und Pfiffe gegen sie, auswärts, würde sie nur noch stärker machen.
Ein Tifoso meinte trocken, nun während der Pandemie und der Quarantäne, wurde das Lied der Italiener allabendlich auf den Balkonen angestimmt, somit sind nun wirklich alle textsicher und stimmerprobt. Ja, martialisch die Textpassage ’siam‘ pronti alla morte‘, also: zum Sterben bereit.
Aber Moment einmal, ausgerechnet der britischen Trainerlegende, Bill Shankly (1981 in Liverpool verstorben), wird das bekannte Zitat zugesprochen, wonach der Fußballsport von einigen Leuten „für einen Kampf auf Leben und Tod“ gehalten werde. Um dann aber hinzuzufügen, diese Einstellung gefalle ihm nicht. Denn, „Ich versichere Ihnen, dass es weit ernster ist.“
Möge der Bessere den Pokal in den Abendhimmel halten, denn, wenn uns der Fußball dieser Tage eines lehren sollte, dann dies, er macht nur mit Zuschauern wirklich Freude, und, die Tugend-Lehre daraus wäre mit Anstand verlieren, aber auch gewinnen zu können.