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Energieboom in Argentinien – So will Milei den Sektor revolutionieren

Durch den Ausbau der Kernenergie in Argentinien möchte Javier Milei die Energiepreise stabil halten und dem steigenden Strombedarf, der durch Nutzung künstlicher Intelligenz entsteht, nachkommen. Außerdem sagt der ehemalige Ökonom Ja zu den fossilen Energieträgern.

picture alliance / Anadolu | Riccardo De Luca

Unter der Führung von Präsident Javier Milei erlebt Argentiniens Energiesektor einen beeindruckenden Aufschwung. In den ersten sieben Monaten des aktuellen Jahres verzeichnete der Bereich einen Handelsbilanzüberschuss von 2,93 Milliarden US-Dollar, während im Vorjahr noch ein Defizit von 1,1 Milliarden US-Dollar zu Buche stand. Eine spürbare Aufbruchsstimmung erfasst den Energiemarkt des Landes. „Argentinien könnte bis 2030 einen Haushaltsüberschuss im Energiesektor von 30 Milliarden US-Dollar erzielen ‟, prognostiziert der Ökonom Ricardo Arriazu in der Zeitung La Nacion. Nach Jahren finanzieller Miseren zeigt die Branche erste Anzeichen einer nachhaltigen Erholung.

Der Strommix in Argentinien ist wie folgt aufgebaut: Ein großer Teil der Energieversorgung basiert auf fossilen Brennstoffen. Zwischen August 2023 und Juli 2024 lieferten fossile Energieträger knapp 48 Prozent des Stroms. Erdgas dominierte dabei mit fast 44 Prozent, während Öl einen Anteil von etwa 4 Prozent ausmachte. Javier Milei plant, weiterhin auf fossile Energien zu setzen und hat klare Prioritäten für den Energiesektor formuliert. Er beabsichtigt, die Erdöl- und Erdgasförderung in Argentinien durch Deregulierung und die Schaffung eines Anreizsystems für Großinvestitionen zu fördern.

Neben den fossilen Energieträgern stellt auch Wasserkraft mit etwa 28 Prozent einen bedeutenden Anteil. Darüber hinaus betreibt Argentinien derzeit drei Kernkraftwerke: Atucha I, Atucha II und Embalse. Laut offiziellen Berichten entfielen im Juli dieses Jahres 9 Prozent des nationalen Stromverbrauchs auf Kernenergie. Solarenergie spielt mit rund 2,5 Prozent hingegen nur eine untergeordnete Rolle.

Milei: Klares Bekenntnis zu fossilen Energiequellen

Die erneuerbaren Energien finden unter Präsident Milei kaum Zuspruch. Er positioniert sich klar gegen die verbreitete Hysterie rund um den Klimawandel und bezeichnet diesen als „Lüge des Sozialismus‟. Um der Klima-Agenda entgegenzuwirken, hat Milei bereits signifikante Veränderungen in der Umwelt- und Klimapolitik vorgenommen. So hat er beispielsweise das Umweltministerium aufgelöst und die finanziellen Mittel für Umweltprojekte um etwa 65 Prozent gekürzt.

Die Strategie, größtenteils auf fossile Energien zu setzen und sich nicht wie Deutschland einer ideologisch geprägten Transformation hin zu den erneuerbaren Energien anzuschließen, hat sich für Argentinien ausgezahlt. Im März 2024 betrug der durchschnittliche Strompreis für Haushalte in Argentinien lediglich 0,019 USD pro kWh. Der weltweite Durchschnittspreis liegt bei 0,152 USD pro kWh, also etwa achtmal höher. Für deutsche Haushalte beträgt der Durchschnittspreis laut BDEW Strompreisanalyse, sogar 40,92 Cent pro Kilowattstunde (ca. 0,44 USD/kWh).

Auch auf Industrieebene zeigt sich ein ähnliches Bild: Unternehmen in Argentinien zahlen 0,036 USD pro kWh, während kleine bis mittlere Industriebetriebe in Deutschland 2024 durchschnittlich 16,99 Cent pro kWh (ca. 0,18 USD/kWh) entrichten. Dieser Vergleich verdeutlicht eindrucksvoll, welches Land auf das falsche „grüne‟ Pferd gesetzt hat.

Um die kostengünstige Stromerzeugung im Land weiter zu stabilisieren und auch für energieintensive Branchen in Zukunft effizient Energie bereitzustellen, plant Präsident Milei nun, die Kernkraft massiv auszubauen.

Stromhunger KI: Große Mengen an Energie werden benötigt

Der argentinische Präsident Javier Milei betrachtet die Atomkraft als essenziellen Baustein, um den wachsenden Energiebedarf durch die Verbreitung von Künstlicher Intelligenz zu decken. In einer kürzlich veröffentlichten Videobotschaft erklärte er: „Das Potenzial, das in der Entwicklung von Künstlicher Intelligenz liegt, ist so immens, dass die derzeitigen Energiequellen nicht ausreichen werden, um den Bedarf zu stillen. Kernenergie ist die einzige Quelle, die effizient, reichlich vorhanden und schnell skalierbar ist, um mit dem Fortschritt unserer Zivilisation Schritt zu halten.‟ Der ehemalige Ökonom rechnet für die nächsten Jahre mit einer globalen Rückbesinnung zur Kernkraft.

Der Ausbau der argentinischen Kernkraft, soll mithilfe innovativer modularer Reaktoren (Small Modular Reactors – SMRs) umgesetzt werden. Demian Reidel, der Berater der argentinischen Initiative, erklärte, dass der erste Schritt der Bau eines kleinen modularen Reaktors am Standort Atucha sei. An diesem Standort werde bereits seit einem Jahrzehnt, wenn auch mit Unterbrechungen, an einem solchen Projekt gearbeitet. Fotos der Nationalen Atomenergiekommission aus dem August 2024 zeigen Teile des Rohbaus mit halbfertigen Wänden.

Obwohl detaillierte Pläne für weitere modulare Atomreaktoren (SMRs) bislang nicht veröffentlicht wurden, deutet alles darauf hin, dass Mileis Regierung langfristig die Entwicklung neuer Kernkraftprojekte in den Mittelpunkt ihrer Energiepolitik stellen wird.

„Small Modular Reactors‟ : Die innovative Kernkraft-Lösung

Kleine modulare Reaktoren (SMRs) gelten als zukunftsweisende Innovation in der Kernenergie. Eine Definition der IAEA (Internationale Atomenergiebehörde) beschreibt SMR als eine Gruppe kleiner Leistungsreaktoren mit geringerer Leistung als die heutigen Atomkraftwerke, von unter 10 Megawatt elektrisch/MWe (Mikroreaktoren) bis zu einer Leistung von 300 Mwe.

Sie zeichnen sich durch verbesserte Sicherheitsmerkmale im Vergleich zu herkömmlichen großen Reaktoren aus. Dank passiver Sicherheitssysteme, die ohne menschliches Eingreifen arbeiten, wird das Risiko schwerer Unfälle erheblich reduziert. Zudem benötigen SMRs deutlich weniger Kernbrennstoff: Während große Reaktoren oft mehrere hundert Tonnen erfordern, kommen SMRs mit nur wenigen Dutzend Tonnen aus. Dadurch entsteht während des Betriebs eine wesentlich geringere Menge an radioaktivem Material.

Zusätzlich bieten SMRs eine höhere Flexibilität im Vergleich zu großen Reaktoren. Sie können sich besser an schwankende Strombedarfe anpassen und sind in der Lage, variierende Mengen an Energie zu produzieren, wodurch sie ideal für eine dynamische Energieversorgung geeignet sind.

Ein weiterer entscheidender Vorteil von SMRs liegt in den verkürzten Bauzeiten und niedrigeren Baukosten. Die Reaktoren werden in Fabriken vorgefertigt und anschließend zum gewünschten Standort transportiert, was den Bauaufwand vor Ort erheblich verringert. Ein einzelner SMR kann in vergleichsweise kurzer Zeit, etwa vier bis fünf Jahren, errichtet werden. Zum Vergleich: Die Bauzeiten für konventionelle Kernreaktoren variieren stark und liegen im Durchschnitt zwischen sechs und acht Jahren. In einigen Fällen, wie beim EPR-Reaktor in Flamanville, Frankreich, haben sich die Bauzeiten sogar auf bis zu 16 Jahre verlängert.

Fazit: Die Technologieoffenheit in der Energiebranche zahlt sich aus

Die Rückkehr zu einer technologieoffenen Energiepolitik könnte für ein Industrieland wie Deutschland ein entscheidender Impuls sein, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Energieintensive Branchen wie die Automobilindustrie, die Chemiebranche und die Stahlindustrie sind auf bezahlbaren Strom angewiesen, um ihre Betriebskosten zu senken und international konkurrenzfähig zu bleiben. Argentinien liefert ein eindrucksvolles Beispiel: Dort wird die Kombination aus Investitionen in Kernkraft und der Nutzung fossiler Energien die Wirtschaft in Zukunft spürbar stärken. Kleine modulare Reaktoren (SMRs) und Gas bieten hier innovative und pragmatische Lösungen.

Während Deutschland weiterhin auf teure und unzuverlässige erneuerbare Energien setzt, zeigt die argentinische Energiepolitik, wie niedrige Strompreise Haushalte und Unternehmen entlasten können. Um die deutsche Industrie zu stützen, ist eine Abkehr von der einseitigen Fixierung auf erneuerbare Energien dringlich. Die Orientierung an Argentinien könnte eine praktikable Alternative darstellen.

Um dieses Vorhaben zu verwirklichen, wäre zunächst eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland von zentraler Bedeutung. Noch im Jahr 2021 kamen 55 Prozent der deutschen Gasimporte aus Russland – die Wiederaufnahme dieser Lieferungen könnte die Energieversorgung stabilisieren und die Industrie entscheidend entlasten. Anschließend müsste die Rückkehr zur Kernkraft forciert werden. Der umfassende Ausbau von SMR-Reaktoren würde nicht nur eine verlässliche und kostengünstige Stromversorgung sichern, sondern zugleich die Grundlage für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum schaffen.

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