Das hätte die Europäische Union (EU) viel früher und wesentlich billiger haben können. Erst der schmerzliche Ukraine-Krieg hat es der EU-Spitze überzeugend vermittelt: Israel ist die Lösung für die wichtigsten Herausforderungen in Nahost, die Palästinenser sind das Problem. Bei der Unterzeichnung des Gas-Lieferungsvertrags zwischen EU, Israel und Ägypten war viel die Rede von Energie, Gas-Verflüssigung und Umweltschutz, aber das Palästina-Problem blieb unerwähnt.
Der Vertrag zwischen EU, Israel und Ägypten sieht vor, dass Israel Gas über eine bestehende Pipeline nach Ägypten pumpt. Dort wird es durch alte, aber funktionierende Anlagen verflüssigt, auf Spezialschiffe verladen und übers Mittelmeer nach Italien transportiert. Italien hat im Gegensatz zu Deutschland Häfen, die verflüssigtes Gas wieder gasifizieren und in das europäische Netz einspeisen. Das ist kompliziert und teuer. Der Endverbraucher wird es auf seiner Stromrechnung zu spüren bekommen, und die Industrie gibt ihren erhöhten Energiepreis sicherlich ebenfalls an den Kunden weiter.
Des einen Leid, des anderen Freud: Kairo und Jerusalem sehen eine goldene Zukunft, weil auch Zypern und Griechenland mit ihren Gasquellen in das Gaslieferungsgeschäft einsteigen wollen, damit die Gasmengen vervielfachen und langfristig garantieren. Auch die Türkei zeigt Interesse, aber die politischen Spannungen der letzten Jahre haben in Nikosia, Athen und Jerusalem Spuren hinterlassen. Man agiert gegenüber Ankara zurückhaltend. Der US-Energie-Gigant „Chevron“ hat sich längst mit Milliarden am östlichen Mittelmeer eingekauft, die griechische „Energean“ hat ebenfalls Anteile in Israel erworben und das erste Gas-Pumpschiff an der israelischen Gasquelle „Karish“ angedockt.
Die Stimmung bei der Vertragsunterzeichnung in Kairo war entsprechend gut und voller Hoffnung. Die Beteiligten sprechen von Zeitenwende und einem historischen Ereignis. Zum ersten Mal wird Israel seit seiner Gründung Energie nach Europa liefern. Ein Land, das Jahrzehnte zu 100 Prozent vom Energieimport abhängig war. Die neue Entwicklung wird jährlich mindestens 290 Millionen US-Dollar in die Staatskasse spülen, hat das Energieministerium in Jerusalem errechnet. Tendenz steigend, denn der Gaspreis zeigt nur noch steil nach oben. Politisch noch bedeutender: Es schweißt die einstigen Feinde – Araber und Israeli – wirtschaftlich zusammen.
EU-Präsidentin Ursula von der Leyen lobte das Abkommen in den höchsten Tönen, denn sie schlägt mehrere Fliegen mit einer Klappe. Die Abhängigkeit von Russland wird zusehends verringert, die EU erhält ein neues Standbein im Nahen Osten und gemeinsam marschieren alle Beteiligten in Richtung „Zero-Emission“, das anspruchsvolle Umweltziel bis 2050.
Ganz ohne politische Schatten verlief die Unterzeichnung in Kairo nicht. Der Libanon mit seinen verschiedenen Machthabern, allen voran die Terror-Organisation Hezbollah, droht mit Angriffen auf die Gasquelle „Karish“, die draußen im Meer an libanesische Gewässer angrenzt. Neue Satellitenbilder beweisen eindeutig, dass die Gasquellen zu Israel gehören. Die Israel Defence Forces (IDF) haben längst Spezialeinheiten aufgestellt, die den neuen Reichtum Israels bewachen. Im Juni haben bereits gemeinsame Übungen mit Zypern stattgefunden, die einen möglichen Angriff vom Norden her abwehren sollen.
Israel steht in diesem Kampf nicht mehr wie in der Vergangenheit allein. EU, Ägypten, Jordanien, Zypern und Griechenland sowie die Unterzeichner der Abraham-Accords wie Vereinigte Arabischen Emirate und Bahrein haben verstärktes Interesse an dem Energie-Milliarden-Geschäft. Das Palästina-Problem rückt zusehends in den Hintergrund.