Ein Spiegel-Cover hat bis heute seinen Wert behalten. Es zeigte den überdimensionalen Kopf des neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump, wie er kometengleich auf die Erde zurast. Darunter der Satz: Das Ende der Welt (wie wir sie kennen). Dabei sagte das Cover mehr über die Politik- und Medienwelt aus denn über Trump. Die allgegenwärtige Hysterie kehrt wieder zurück.
Vieles ähnelt derzeit den Zuständen im Jahr 2016. Vieles aber ist auch grundlegend anders. Denn der Wahlabend 2016 traumatisierte Journalisten und linke Politiker. Sie hatten sich in ihrer eigenen Echokammer isoliert und felsenfest mit der Wahl von Hillary Clinton gerechnet. Die Plattform Correctiv hatte sich sogar so auf den Wahlsieg der US-Demokratin gefreut, dass der Chefredakteur am Morgen genau diesen Triumph über Trump feierte. Niemand hatte diesen Wahlausgang für möglich gehalten – zumindest unter denjenigen, die längst jede Bodenhaftung verloren hatten.
Kalt erwischen – und das ist der Unterschied zu 2016 – dürfte diese Wahl nun niemanden mehr. Die Katerstimmung setzte nicht erst in der Wahlnacht ein, sondern bereits beim ersten TV-Duell. Ähnlich wie 2016 hatten US-Demokraten, ihre Unterstützer und die ihnen gewogenen Medien die Realität ausgeblendet. Vor dem Duell war es ein Tabu, über den Gesundheitszustand des Präsidenten zu spekulieren, und wer es tat, war ein Verschwörungstheoretiker. Wer danach nicht wenigstens in Erwägung zog, Biden aus Gesundheitsgründen auszuwechseln, brachte das Land in Gefahr, weil er es Trump ausliefere.
2016 konnte man noch abwiegeln, dass ein Wahlsieg Trumps unwahrscheinlich sei. 2024 muss man sich darauf einstellen, dass, wenn die Demokraten kein Kaninchen aus dem Hut zaubern, Ende des Jahres wieder Donald J. Trump ins Weiße Haus einzieht. Es gibt dieses Mal keine Ausreden. Konsequenzen zieht jedoch so gut wie niemand. Mit Ausnahme Italiens und Ungarns dürfte sich derzeit kein europäisches Land auf die Amtsübernahme vorbereiten und Strategien bereitlegen – insbesondere nicht Deutschland, das davon besonders betroffen wäre.
Dabei treibt die Deutschen das Thema Trump um. Laut Forsa machte ein baldiger Wahlsieg Trumps 66 Prozent der Deutschen Angst. Nur unter AfD- und BSW-Anhängern (74 Prozent bzw. 59 Prozent) hat eine Mehrheit keine Angst vor der Rückkehr des Immobilienmoguls ins Präsidentenamt. Die mediale Berichterstattung wie politische Dämonisierung zeigt also ihre Wirkung, wenn immer wiederholt wird, ein Quasi-Diktator würde bald die Nato abschaffen und globale Instabilität bringen. Dagegen fallen in die „stabile“ Phase Bidens der Abzug der USA aus Afghanistan, der Ukraine-Krieg und der Hamas-Angriff vom 7. Oktober. Trump lügt nicht, wenn er sagt, dass die Welt in seiner Amtszeit friedlicher war.
Dabei mehren sich auch Trump-kritische Stimmen in Deutschland, die prognostizieren, dass die Ampel sehenden Auges gegen die Trump-Mauer fährt. Der Ökonom Rüdiger Bachmann, ein Berater der Bundesregierung, unterstellt Trump autokratisches Gebaren, nennt ihn einen Lügner und warnt davor, er könne die Stellung der USA in der Welt bedrohen. Zugleich sagt er gegenüber der Wirtschaftswoche: „Wenn sich Deutschland nicht spätestens jetzt auf eine zweite Amtszeit von Trump vorbereitet, wäre das eine absolut unverantwortliche Politik. Bisher scheint sich die Bundesregierung im Tiefschlaf zu befinden, was eine zweite Amtszeit von Trump angeht.“ Selbst Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung, warnt, man müsse sich auf eine zweite Amtszeit vorbereiten.
In der Analyse liegen diese Stimmen richtig. Die Ampel konnte sich bisher im Windschatten der USA ausruhen. Die Waffenlieferungen an die Ukraine waren eher ein europäisches denn ein transatlantisches Thema – ansonsten war Bidens Präsidentschaft für die Europäer eine unaufgeregte Phase. Dagegen hatte Trump von Anfang an gefordert, dass, wenn die Europäer die Nato in ihrer bisherigen Form behalten wollten, sie dafür zahlen müssten. Er hat diese Forderung im US-Duell betont. Dabei stellt sich nicht so sehr die Frage, ob Trump einen Frieden verhandeln kann. Es stellt sich eher die Frage, ob die Europäer, allen voran Deutschland als einer der größten Waffenlieferer, diesen Krieg weiter unterstützen wollen, wenn Washington sein Engagement zurückfährt.
Ein Wechsel im Weißen Haus bedeutete auch ökonomische Veränderungen, etwa, wenn die USA sich mehr denn je als konkurrierende Wirtschaft zur europäischen interpretieren – ebenfalls ein Punkt, den Trump im Duell andeutete. Den Gegner verortet Trump eher in Peking als in Moskau, was eine Stärkung der Interessen im Pazifik zulasten der im Atlantik bedeutet. Klimaschutz und Klimagipfel dürften zum europäischen Schaulaufen degradiert werden.
Zu befürchten ist allerdings, dass Berlin nicht die Konsequenz daraus zieht, sich tatsächlich auf die Wahl Trumps vorzubereiten, sondern es als Sprungbrett versteht. Bachmann rief dazu auf, dass Deutschland nun seine Führungsrolle einnehmen sollte. Schulz gab das Rezept „Mehr Europa“ heraus. Es droht vielmehr, dass Deutschland neuerlich zum außenpolitischen Irrlicht wird wie schon in der Endphase der Merkel-Ära. Jedes Manöver wurde darauf abgeklopft, ob es auch in Kontrast zum US-Präsidenten stand. Selbstbehauptung gegen Trump, um jeden Preis, und war es noch so falsch.
Solche „Selbstbehauptungsprojekte“ waren etwa der Iran-Deal und die Palästinenserhilfen (Stichwort: UNRWA). Beides nicht nur Prestigeprojekte, sondern auch mit desaströsen Folgen. Wenn Deutschland seine Führungsrolle wahrnimmt, ist das nicht nur den europäischen Partnern verdächtig, sondern häufig für Deutschland selbst blamabel.
Demnach könnte Annalena Baerbock in ihrem letzten Jahr als Außenministerin noch für Überraschungen gut sein. Diplomaten hassen übrigens Überraschungen. Aber wenigstens hätte Donald Trump seinen Spaß.