Es gibt nicht mehr viele gute Geister, von denen die Vertreter des westlichen Pazifismus verlassen werden könnten. Trotz beispielloser Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine tragen einige „Linksintellektuelle“ in der BRD nach wie vor die rosarote Brille eines unerschütterlichen Optimisten. Keine Lüge, keine Sinnverdreherei seitens Moskau ist ihnen zu dreist, als dass nicht auch sie sich diese zu eigen machten. Für einen „Frieden“, wie ihn Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht begreifen, warb auch Putin in seiner Rede zur Lage der Nation. Wie engstirnig muss man sein, um nicht vorherzusehen, dass ein abrupter Waffenlieferungsstopp an die Ukraine einen raschen Zusammenbruch des Landes und eine Beschleunigung der Expansionspolitik Russlands nach sich zöge?
Eines sollten wir aber nicht vergessen: Ohne die Vereinigten Staaten könnten sie ihre Freiheit kaum verteidigen. Dies sollten wir uns noch einmal verdeutlichen in einer Zeit, in der manch ein deutscher Sozialist hartnäckig behauptet, die USA seien die eigentlichen „Kriegstreiber“. Weder die Bundesrepublik noch Frankreich wären vor einem Jahr imstande gewesen, eine derartige Waffen- und Ausrüstungsvielfalt zu gewährleisten. Jegliche Diskussionen über eine „Europaarmee“ waren allenfalls rhetorische Nebelkerzen, die stets dann gezündet wurden, wenn die eklatanten Defizite bei der Bundeswehr verschleiert werden sollten. Spätestens jetzt wissen wir: Wenn der Krieg vor der eigenen Haustür tobt, helfen auch die dichtesten Nebelschwaden nicht mehr.
An all diejenigen, die am kommenden Sonnabend in Berlin für „Friedensverhandlungen“ demonstrieren möchten: Die Verantwortung für einen Krieg trägt unverändert der Invasor. Wie sollen denn bitte Friedensgespräche mit einem Aggressor aussehen, der auf die völkerrechtswidrige Annexion von vier Gebieten eines souveränen Staates pocht? Diese völlig abstruse Sichtweise würde ja auch implizieren, dass Polen für den Zweiten Weltkrieg und den anschließenden Massenmord an eigenen Bürgern verantwortlich gewesen wäre, weil sich die deutsche Minderheit an der Weichsel schlecht behandelt fühlte. Man muss nicht mit besonderen intellektuellen Fähigkeiten ausgestattet sein, um festzustellen, dass der Vergewaltiger die Schuld an einer Vergewaltigung trägt und nicht die Frau, die ihn „vorsätzlich provoziert“. Wir dürfen niemals zulassen, dass diese intoxikierte postsowjetische Logik, von der sich Wladimir Putin noch heute leiten lässt, obsiegt.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir auch künftig der Ukraine unsere Unterstützung für ihre Souveränität und territoriale Integrität zusichern. Solange Russlands Demokratisierungsprozess mehr Defekte als Fortschritte aufweist, haben effektvolle „Friedensappelle“ von „Emma“-Redakteuren keinen Sinn.