Tichys Einblick
Rückenwind für Trump:

Ein Hurricane wirbelt den US-Wahlkampf durcheinander

Während Donald Trump nach dem Hurricane Helene mit einem Hilfskonvoi vor Ort erschien, ließ sich Kamala Harris im Flugzeug beim Telefonieren fotografieren. Nun warnen auch Democrat-Strategen die Harris-Kampagne vor der Macht der Bilder.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Evan Vucci

Andere Länder, andere Sitten. Während in Deutschland ein gelungener Auftritt als Flutkanzler die Wählerherzen im Sturm erobern kann, sind Naturkatastrophen in den USA meist eher eine Gelegenheit für die Regierung, um Zuspruch zu verlieren. Ob George Bush Jr. mit seiner Untätigkeit im Angesicht von Hurricane Katrina 2005, oder der bis heute anhaltende Vorwurf an Donald Trump, er habe COVID nicht gut gemanagt – in all diesen Fällen konnte die jeweils amtierende US-Regierung wenig gewinnen, aber viel verlieren.

Und auch diesmal scheint sich dieser Trend infolge der Verwüstung von Hurricane Helene fortzusetzen. Der Herausforderer Donald Trump nutzte die Gunst der Stunde und war als Erster vor Ort im Epizentrum der vom Hurricane verursachten Schäden. Die betroffenen Staaten Georgia und North Carolina gelten als potenziell wahlentscheidende Swing-States, es geht also um viel.

Trump tauchte sofort mit einem Konvoi an Hilfsgütern auf und erzählte Reportern, es ging nun nicht um Politik. Kurze Zeit später behauptete er, dass Präsident Biden in seinem Ferienhaus schlafen würde, anstatt Hilfe zu organisieren. Dem widersprach zwar der Gouverneur von Georgia, der einen telefonischen Kontakt mit dem Präsidenten bestätigte, aber Trumps Schuss vor den Bug der Regierung war bereits gelandet.

Misslungene fotografische Selbstinszenierung

Denn der viel wichtigere Vorwurf gilt ohnehin der demokratischen Kandidatin Kamala Harris, die – Trump zufolge – bei ihren radikal linken Unterstützern ein Fundraisingevent besuchte, anstatt sich um die Betroffenen in der Region zu kümmern. Das mag angesichts eines Trump im Wahlkampfmodus zwar nur bedingt zutreffen, spielt aber in der gegenwärtigen Stimmung kaum eine Rolle. Denn Harris und Biden taten tatsächlich nur wenig, um den Betroffenen zu vermitteln, dass der Staat sie nicht vergessen hat.

Zwar betonte Biden, dass er viele Stunden telefoniert habe (Zitat: „Ich habe Anweisungen gegeben. Es nennt sich Telefon.“), doch Medienprofis wie Trump oder in früheren Zeiten Gerhard Schröder wissen, dass Katastrophenhilfe sich nicht nur an objektiven Taten, sondern auch an Symbolen und Zeichen misst. Das ist, nebenbei, noch nicht einmal die Schuld manipulativer Politiker, sondern ist ein natürlicher Reflex des Volkes. Und so gewann auch Harris bei diesem wenig Zuspruch, als sie erst einmal nach Washington zurückflog, um sich vom Katastrophenschutz die Lage erklären zu lassen, anstatt auf dem Weg in das Katastrophengebiet informiert zu werden.

Zusätzliche Kritik erntete Harris dabei auch noch für ein vermeintlich inszeniertes Foto, auf dem sie beim Telefonat mit dem Katastrophenschutz zu sehen sein soll. Trump höchstpersönlich ließ es sich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass das Kabel der Kopfhörer von Harris ins Telefon gesteckt werden müsste, damit diese funktionieren. Auch schien Harris Notizen auf einem leeren Blatt Papier zu machen, was zu Spott und Hohn in den sozialen Netzwerken führte, Harris hätte das Telefonat nur für das Foto gestellt.

Der Klimawandel als Rettungsanker einer verzweifelten Kampagne

Der Hurricane kommt für die Harris-Kampagne somit zur Unzeit, denn wenn es etwas gibt, das man mit Joe Bidens Präsidentschaft mittlerweile nicht mehr assoziiert, dann ist es Reaktionsschnelligkeit. Dennoch versuchen die Demokraten, die Katastrophe zu ihren Gunsten zu wenden. So verwandelte Biden die zielsichere Auflage eines Reporters, ob es sich bei dem Hurricane um eine Folge des Klimawandels handele, mit einem bestimmten „absolut, eindeutig, unmissverständlich, ja, ja, ja, ja“.

Das Klimawandelnarrativ diente dann auch der Harris-Kampagne, um einen Ausschnitt einer Rede von Trump, in der er sich über den Klimawandel lustig macht, in sozialen Netzwerken zu teilen. Ob das allerdings die vom Hurricane Betroffenen erreicht, darf bezweifelt werden, angesichts dessen, dass Hurricanes ein jährlich wiederkehrendes Phänomen sind.

Denn die oftmals wiederholte Prognose, Hurricanes würden infolge des Klimawandels an Intensität zunehmen, lässt sich bislang nicht verifizieren. Unter den 10 stärksten Hurricanes, die die USA erreichten, rangieren zwar drei Hurricanes aus dem 21. Jahrhundert (Katrina, 2005, an 4. Stelle, Michael, 2018, an 3. Stelle und Ian, 2022, ex aequo an 10. Stelle mit Hurricanes aus 1915 und 1961), die Spitze bildet aber Florida aus dem Jahr 1935, gefolgt von Camille aus 1965. An 6. Stelle findet sich sogar der Hurricane Texas aus dem Jahr 1884, gefolgt von zwei weiteren Hurricanes aus jeweils 1919 und 1928. Daraus lässt sich höchstens ableiten, dass die 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderte bemerkenswert ruhige Hurricane-Zeiten darstellten. Selbst dabei hatten die Boomer also Glück.

Die Macht der Bilder

Aber sogar Demokraten und die ihnen nahestehenden Medien dürften bezweifeln, dass das Thema Klimawandel Wähler in den betroffenen Regionen ins Harris-Lager zurückholen könnte. Während viele Medien Trump für seine ungenauen Spitzen gegenüber der Regierung der Lüge bezichtigten, schickte die demokratische Strategin und ehemalige Biden-Vertraute Meghan Hays bei CNN eine deutliche Warnung an Kamala Harris: „Die Leute erinnern sich an die Bildsprache. Die Leute werden sich daran erinnern, dass er vor Ort war. Und in einer Wahl, die an den Rändern entschieden wird…werden sich die Leute erinnern.“

Doch für Harris wird es mit jedem Tag schwieriger, das Blatt zu wenden. Für den Mittwoch hat erst einmal Präsident Biden einen Besuch im Katastrophengebiet angekündigt. Allerdings pfeifen es mittlerweile die Spatzen von den Dächern, dass Biden alles andere als erfreut ist, über die Art und Weise, wie die Demokraten im Allgemeinen und Kamala Harris im Speziellen ihn und seinen Einsatz für die Partei im Laufe der letzten 50 Jahre unter den Tisch haben fallen lassen. Aktive Wahlkampfunterstützung für seine Vize darf vom – mittlerweile ohnehin unberechenbaren – Präsidenten also kaum noch erwartet werden.

Für Harris, deren Image in diesem Wahlkampf auf vermeintliche Unaufgeregtheit ausgelegt ist, dürften die kommenden Wochen schwierig werden, denn der Umgang mit einer Naturkatastrophe verlangt neben Kompetenz auch Einsatz und Emotion von einem Präsidenten, so ist nun einmal die Erwartungshaltung. Man mag es inhaltsleer und sogar makaber finden, doch der Hurricane spielte Trump in die Karten, da er genau jenen Aktivismus fordert, den Trump so gut beherrscht.

Verlieren könnte Trump dabei nur, wenn er – wofür er manchmal anfällig ist – überdreht und sich zu sehr in Vorwürfen der Inaktivität der Regierung verstrickt, aus denen ihm die Medien dann einen Strick drehen können. Die Abwesenheit von Kamala Harris im Katastrophengebiet spricht ohnehin Bände und wird ihr wohl mit jedem Tag weitere Wählerstimmen kosten. Auf Schützenhilfe von Joe Biden, der die letzten Wochen seiner Amtszeit ohnehin mehr als politischer Freigeist anzulegen scheint, dürfte sie wohl auch nicht mehr hoffen dürfen. Im sturmumtosten Wahlkampf der USA hat nach dem Hurricane nun eindeutig Trump den Wind im Rücken.


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