Wird das Kabinett Draghi nicht einmal die Hälfte der Legislatur schaffen, fragen sich dieser Tage viele Beobachter des politischen Italiens, aber auch viele Bürger. So richtig überrascht wäre wohl niemand, würde auch die 67. Regierung seit 1945 scheitern, denn die Verweildauer italienischer Kabinette ist seit jeher recht kurz.
Klar, dass Mario Draghi Ministerpräsident bleiben und nicht ständig ein Kabinett umbauen, beziehungsweise, neu gründen will. Draghi, als früherer EZB-Präsident ein Mann der Finanzen und Zahlen, wollte sich jedenfalls nicht im ‚Kleinklein‘ der Parteipolitik vertendeln, sondern Italien zu einer festen und verlässlichen Größe innerhalb der EU machen, auch mithilfe des EU-Wiederaufbaufonds. Viele aber meinen auch, für den Weltmann Draghi sei das „Spielfeld Italien“ zu klein. In die Geschichte des Landes einzugehen, war für den ehemaligen EZB-Chef nie die Hauptmotivation. Vielmehr, die wackelige EU irgendwie zusammen zu halten – und den Euro.
Nun will aber offenbar ausgerechnet die Lega mit Salvini, der mit Mario Draghi nach eigenem Bekunden, „das beste und ein offenes Verhältnis“ pflegt, eine Abseitsfalle aufbauen, um die Linke der sozialistischen PD, aber auch Draghi schlecht aussehen zu lassen. Das Kabinett kann schon bei der nächsten Abstimmung eine gestandene Krise durchmachen.
Zunächst erschien die Lage nach dem letzten Treffen des Kabinetts in Rom einigermaßen harmonisch. Zu den sachten und wohlkalkulierten Öffnungen in Italien steht Draghi weiterhin. Im Freien wird, passo dopo passo, Schritt für Schritt, quasi vieles wieder erlaubt sein, wonach sich (nicht nur) der italienische Bürger so sehnt. An die Bar gehen, oder ins Restaurant, und draußen am Tisch bedient zu werden. Wieder ein bisschen Normalität, Theater und Kinos, sollen nur wenig später wieder öffnen. Präsenzunterricht in den Schulen wieder geordnet stattfinden. Soweit so gut, dachte man.
Als Premier eines Mehrparteienkabinetts musste Draghi wohl auch als Vermittler mit dem Blick auf die Bedenkenträger auf der Linken, unter Journalisten und in der EU auch ein Entgegenkommen durch Vorsicht einbauen. Das heißt, überall in den gelben Zonen, und bis Ende Juli, soll der coprifuoco, die Sperrstunde, doch um 22 Uhr starten, wo sich doch besonders die Gastronomen eine längere Öffnungszeit im Freien wünschten. Sprach Draghi nicht von einem kalkulierten Risiko? Der Premier kennt aus seiner Zeit in der Frankfurter EZB Deutschland natürlich gut, konsumiert deutsche Medien und erfährt die ‚Rumori‘, wie und was man über Italien in Berlin denkt. Dass die Italiener ja so unverantwortlich seien und ein großes Risiko eingehen würden, usw.
Matteo Salvini, der Mailänder Tribun der Lega, hatte nach den Ankündigungen, das Echo in der Bürgerschaft schnell ausgelotet: Viele sind eher unzufrieden. Die Menschen und Gastronomen lamentierten lautstark. Salvini daraufhin, ganz Bauchmensch mit dem Herz auf der Zunge, gab mit seiner Lega die Order aus, diesem neuen Dekret, in dieser Form, nicht zuzustimmen. Das war dann der Hammer des Tages.
Sofort formierten sich die Gelbroten, also die frühere Koalition aus Cinque Stelle (Fünf Sterne) und PD, um gegen die Lega Stimmung zu machen, so berichtet es die Zeitung Il Giornale. Salvini und dessen Lega wurden zu Prügelknaben, immerhin erhielt der Legaführer von seiner Verbündeten in der Opposition, Giorgia Meloni, und deren Fratelli d’Italia viel Applaus.
Aber selbst aus Draghis Regierungsbüro wurde vom Premier selbst vermeldet, sobald die Vereinbarungen unterzeichnet werden, müssten sie auch respektiert werden. Quellen berichten sogar von einem ungewöhnlich hart klingenden und wütenden Mario Draghi.
Matteo Salvini sagt, dass die Italiener verantwortungsvoll mit Abstand und Masken umgehen würden, und man sie nicht für das Impfstoffdesaster verantwortlich machen könne, und auch nicht seine Lega.
Auch die Tageszeitung Il Fatto Quotidiano schreibt über Giftpfeile gegen Salvini, besonders vom neuen ultralinken PD-Chef, Enrico Letta. Der meinte im Fernsehen, man müsse mal sehen, ob Draghi das Ende der Legislatur erreichen würde, er hoffe es, schob er giftig nach. Den Sozialisten der PD ist Salvini immer ein Dorn im Auge. Die PD ist ganz auf EU-Linie, was die Lockdowns und die Migration betrifft: gerne immer länger und immer mehr, bis der Systemchange vollzogen ist.
Der Konter von Salvini, wenn auch nicht direkt auf Enrico Letta, lautete dann im Fernsehen so: „… Die Bürger und das ganze Land sind müde, von all den Opfern, die sie gebracht haben. Wir möchten einen Neustart bei maximaler Sicherheit, aber endlich wieder Planungssicherheit und Normalität für die Bürger und Unternehmen“, während sich andere, gemeint ist das linke Bündnis um die PD, mehr um die illegale Migration als um die Italiener kümmern würden.