Tichys Einblick
König Juan Carlos im Exil

Don Juan und Schmiergeld-Betrüger: Spaniens Monarchie ist am Ende

Er rettete Spanien als König in die Demokratie und verhalf dem Land zu neuem Ansehen. Am Ende seines Lebens hinterlässt Juan Carlos eine zutiefst beschädigte Monarchie.

imago images / Lehtikuva

Der Traum von der Republik flammt wieder auf, seitdem Juan Carlos I. wie in einem schlechten Film vor einer möglichen Gerichtsverhandlung am Montagabend ins Exil flieht. Spanische Staatsanwälte ermitteln aktuell gegen ihn wegen des Verdachts, vom saudischen Königshaus Kommissionen in Millionenhöhe erhalten zu haben für den Bau einer Eisenbahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Mekka und Medina, die 2018 eröffnet wurde. Auch in der Schweiz, wo Konten mit ihm in Verbindung gebracht werden, laufen Untersuchungen. In einer offiziellen Pressekonferenz der spanischen Regierung am Dienstag wurde nicht darüber informiert, wo der Alt-König sich aufhält und wie er sein neues Leben finanzieren wird. Sein Sohn Felipe VI. kürzte ihm wegen der sich erhärtenden Verdächtigungen schon im vergangenen März das staatliche Jahresgehalt von rund 200.000 Euro.

Juan Carlos I. lebte 58 Jahre in seinem Palast “La Zarzuela” in Madrid. Diesen Luxus und das Glamourleben gab er jetzt auf für ein Exil, wo der stark gesundheitlich geschwächte König ziemlich einsam sein wird. Auch wenn der Strafrechtsexperte Francisco Javier Álvarez García glaubt, dass es zu keinem Prozess kommen wird, werden die letzten Tage von Juan Carlos I. zwangsläufig schwierig werden. Gesundheitliche Gründe könnten ihm jedoch einigen juristischen Ärger ersparen. “Die Monarchie zu retten, wird jedoch ein schwieriges Unterfangen”, glaubt der Professor der Madrider Universität “Carlos III”. Seine geringe Empathie für das Volk in dieser Zeit nähmen die Spanier dem früheren König übel, glaubt auch der Sicherheitsexperte und Techberater Fernando Cocho Pérez.

Das schlechte Timing des spanischen Königshauses

Zu viele Fehler wurden während der Pandemie begangen. Inmitten der schlimmsten Gesundheitskrise Spaniens wurde das Ende des abgedankten Königs besiegelt und bekannt gegeben. Nachdem er schon seinen straffälligen Schwiegersohn 2015 aus dem Königspalast jagte, macht der grau wirkende, aber dennoch entschiedene neue König Felipe VI. im Frühjahr kurzen Prozess mit dem Vater, auf dessen beflecktes finanzielle Erbe er im März dieses Jahres verzichte. Das jetzt gesuchte Exil seines Vaters und Vorgängers soll von beiden als beste Lösung vor einem möglichen Titelverlust Juan Carlos I. als nächster Schritt gewesen sein.

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Die Lage wird immer brenzliger für die Bourbonen. Eine Umfrage, veröffentlicht in der linken spanischen Tageszeitung Público, zeigt, dass die Geduld der Spanier nicht nur mit dem Monarchen, sondern mit der Monarchie generell zu Ende geht. Demnach zogen im Mai dieses Jahres erstmals eine Mehrheit der Befragten eine Republik der Monarchie vor – 52%. Die Entscheidung darüber, so wünschen es 58%, soll per Referendum erfolgen. Derzeit ist daran aber nicht zu denken. Das Land hat andere Sorgen. Offiziell starben rund 30.000 Personen am Coronavirus, andere Quellen gehen von rund 45.000 aus. Das Land rutschte in die schlimmste Wirtschaftskrise der Geschichte, weil vor allem der Tourismus von den Folgen der Pandemie betroffen ist. Und Kataloniens Regionalregierung ließ angesichts der Krise der Monarchie gerade wissen, dass sie weiter nach Unabhängigkeit als eigene Republik strebe.
Der Absturz eines Helden

Der von vielen Katalanen, Basken und linken Parteien herbeigesehnte Untergang der spanischen Monarchie scheint mit diesem gerade eingeleiteten „final act“ des gebrochenen 82jährigen Frauenhelden Juan Carlos I. so nah wie nie zuvor. Juan Carlos I., vom 22. November 1975 bis zum 18. Juni 2014 König von Spanien, war lange sehr beliebt. Über die Parteien hinweg galt er als bedeutende Figur beim Übergang zur Demokratie nach dem Tod Francos 1975. Diese wurde besiegelt durch die Verfassung von 1978, die er neben allen Frauengeschichten, Luxusleben auf Yachten und Safaris sowie Schmiergeldzahlungen immer wieder verteidigte. Nach der Rettung des spanischen Finanzsystems 2012 war sein Lebenswandel à la española aber plötzlich nicht mehr salonfähig. Die spanische Öffentlichkeit verlangte nach mehr Ernsthaftigkeit, Sparksamkeit und Diskretion.

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„Der König musste weg“, fasst Cocho Pérez, Dozent für Sicherheitspolitik an der Madrider „Universidad Autonoma“, die Entwicklung der vergangenen Jahre zusammen. Auch wenn Premier Pedro Sánchez die Fehler als persönliche Fehltritte darstellen will, so sieht Cocho Pérez das Land in spätestens 20 Jahren ohne König als Staatsoberhaupt: „Es gibt keine wirklichen Monarchisten in unserem Land, auch nicht unter den Parteien“.

Und ohne Liebe zum König sind die derzeitigen Skandale kaum noch zu ertragen, auch wenn der Uniprofessor und Ökonom Javier Morillas glaubt, dass angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Instabilität die Monarchie weiterhin die beste Staatsform ist: „Unsere Geschichte zeigt, dass die Republik uns nur Chaos bringt“. Die spanische Republik stehe für Kommunismus und Bürgerkrieg. Deswegen empfinden Nationalkonservative wie Morillas gegenüber der aktuellen Regierungskoalition der Sozialdemokraten (PSOE) mit den Extremlinken und offenen Monarchie-Gegnern Unidos Podemos große Ablehnung. Der Chef des kleineren Partners und Vize-Premier Pablo Iglesias glaubt, dass Juan Carlos‘ Abgang eine Flucht vor der Justiz ist, auch wenn der Monarch in einem Brief an das Volk am Montagabend wissen ließ, dass dies nicht so sei.

Billig ist selten gut

Zwar kostet die spanische Monarchie den Steuerzahler im europäischen Vergleich mit rund 8 Mrd. Euro im Jahr relativ wenig, aber es kommen auch bei den konservativen Medien immer mehr Zweifel auf, wozu eine Institution aufrecht erhalten werden soll, die in einer globalisierten und digitalen Welt kaum noch Einfluss hat und derzeit nur Skandale produziert. Die nach Ende der nationalen Quarantäne im Juli gestartete Reise des aktuellen Monarchen Felipe durchs Land, welche nun mit dem Besuch der Sommerresidenz auf Mallorca endete, war nur ein mäßiger Erfolg. Die Menschenaufläufe in Covid-19-Zeiten seien nicht angemessen, argumentierten einige Kritiker. Dabei fiel auch auf, dass der neue König zwar weniger skandalös ist als der alte, aber dafür auch weniger charismatisch. Er liest ab und ist wenig humorvoll. Seine Frau Letizia strengt sich an, kann die Herzen der Spanier aber nicht gewinnen. Sie wirkt kalt. Am sympathischsten sind noch ihre zwei blonden Mädchen, die brav lächelnd dem Protokoll folgen.

Allerdings ist die Nachfolge der fast 15jährigen Tochter Leonor noch nicht gesichert. Die spanische Verfassung muss geändert werden, sollte eine Frau Königin werden. „Diese Debatte wurde bisher wohlwissend vermieden, da sie ein nicht gewähltes Staatsoberhaupt grundsätzlich in Frage stellen würde“, sagt Cocho Pérez. Viele werfen dem hochgewachsenen, doch inzwischen stark ergrauten Felipe VI. vor, dass er wie sein Vater, der während der schlimmsten Finanzkrise des Landes 2012 auf Elefantenjagd in Botswana erwischt wurde, nicht da ist für sein Volk, wenn es darauf ankommt.

Im Katalonien-Konflikt verschärfte Felipe VI. die Lage eher, als dass er sie entspannte. Seine Besuche in der autonomen Region sind immer wieder ein Sicherheitsrisiko wegen der breiten Ablehnung seiner Rede nach dem dortigen illegalen Referendum zur Unabhängigkeit am 1. Oktober 2017, in der er das Vorgehen der Separatisten veruteilte und zur spanischen Einheit aufrief. „Juan Carlos I. einte lange das Land, jetzt tragen die Bourbonen jedoch nur noch zur Spaltung bei“, stellt Cocho Pérez ernüchternd fest.

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