Tichys Einblick
Ritter, Tod und Trump

Die Unruhen, die Folgen und was Trump daraus macht

Die Verluste durch die Unruhen dürften inzwischen in die Milliarden Dollar gehen. Doch das Treiben »autonomer Gruppen« findet kein Ende. Trumps Antwort ist ein Dreischlag gegen Kriminalität, Zerstörung und inkompetente Demokraten.

imago Images/ZUMA Wire

Die Unruhen im Gefolge des Todes von George Floyd dürften bereits jetzt die kostspieligsten der amerikanischen Geschichte sein. Zu dieser Annahme kamen Versicherungen und städtische Verwaltungen schon Ende Juni. Ein Wunder scheint das nicht, denn die Proteste gehen inzwischen in ihre siebte Woche. Allein in Minneapolis, wo alles am 26. Mai begann, glaubt man an einen Schaden von über 500 Millionen Dollar mit um die 400 geschädigten Unternehmen. Nach den massiven Verlusten könnten neue Politiken bei den Versicherungen anstehen, mit neuen Prämien oder auch einem Haftungsausschluss für künftige Unruhen.

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Zu den privatem Verlusten kommen jene Kosten hinzu, die von Staaten und Städten zu tragen sind: Reinigung von Straßen und Gebäuden (unter anderem von Graffiti), Reparatur diverser Schäden, Einsetzen neuer Glasscheiben, schließlich die zusätzlichen Kosten für den Einsatz von Polizei und Nationalgarde. Die Mehrkosten des Staates Kalifornien beliefen sich Ende Juni bereits auf rund 65 Millionen Dollar.

In Seattle, größter Stadt im Bundesstaat Washington und Sitz von Amazon, hielt sich wochenlang die »autonome Zone« CHOP, die inzwischen aufgelöst wurde. Präsident Trump behauptet, das sei geschehen, weil er angedroht hätte, in Seattle mit Bundestruppen für Ordnung zu schaffen. An den Polizeikosten gemessen, ist die Lage in Portland im benachbarten Bundesstaat Oregon fast genauso schlimm. Hier entstanden Polizeikosten von 6,2 Millionen Dollar und ein Schaden von 23 Millionen Dollar für die Privatwirtschaft.

Portland: Die nächste »marxistische Übernahme«?

Auch Portland hat im Grunde seit Ende Mai nicht zur Ruhe gefunden. Nachdem die Protestler die Statuen von Thomas Jefferson und George Washington gestürzt hatten, arbeiteten sie sich an dem bronzenen Wapiti ab, den ein ehemaliger Bürgermeister der Stadt geschenkt hatte.

Der Polizeichef der Stadt müht sich redlich, eine Trennungslinie zwischen den BLM-Protesten und einzelnen »Agitatoren« zu ziehen, die die Lage für kriminelle Akte ausnutzten. Doch wo diese Linie zu ziehen ist, bleibt unklar. Obwohl es in Portland wie anderswo sicher auch friedliche Demonstranten gegeben hat, ist klar, dass die Gewalttaten und Grenzüberschreitungen nicht von Einzelnen ausgehen, sondern System und vor allem Organisationsstrukturen haben.

Das wird auch auf Videos jüngerer Vorfälle deutlich. Allerdings werden auch Beobachter vor Ort nicht immer schlau aus diesen ›Protesten‹. Was wollen die Protestler wirklich mit ihrem Handeln erreichen? Die Antwort eines Youtubers aus Seattle fällt am Ende knapp aus: »Es geht nicht mehr um George Floyd, es geht nicht um schwarze Leben. Das ist einfach nur eine marxistische Übernahme.« Diese bleibt allerdings rein symbolisch, auf ein gewalttätiges Straßenfest beschränkt.

In dem zugehörigen Video sieht man ein weißes Auto, das von mehreren Jugendlichen aus einer Straße vertrieben wird. Als der bedrängte Fahrer sich entfernt, fallen zahlreiche Schüsse, die keinen anderen Zweck haben können als den der Einschüchterung. So werden autonome Zonen errichtet, in denen die Besitzer von Privatwagen in Gefahr sind und Polizeiautos sicher unerwünscht.

In Los Angeles wurden im Lauf der Proteste 148 Polizeiautos beschädigt, acht Wagen (à 80.000 Dollar) erlitten einen Totalschaden. Daneben zahlte die Stadt 40 Millionen Dollar für Überstunden von Polizisten. Außerdem soll auch der Krankenstand durch die Pandemie ein höherer sein als gewöhnlich, was den Dienst weiter erschwert.

Trumps relevante Punkte

Donald Trump hat inzwischen erkannt, dass es nicht nur darum geht, seine engere Basis durch Rallyes zu aktivieren, sondern auch das breitere Publikum über seine Position informiert sein will. So hat er nun ein längeres Interview mit dem Fox-Moderator Sean Hannity geführt und dabei im Grunde sein virtuelles Wahlprogramm besprochen. Es handelt sich dabei nicht etwa um ein festes, am Ende durch einen Parteitag festgeschriebenes Programm. Vielmehr besteht das imaginäre Wahlprogramm Trumps zu jedem Zeitpunkt aus zwei oder drei oder auch vier Punkten, die ihm im jeweiligen Moment den optimalen Vorteil gegenüber seinen Gegnern gewähren.

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So lange sich das demokratische Establishment noch nicht auf einen Kandidaten festgelegt hatte und folglich nicht geeint war, war das eine leichte Übung. Inzwischen ist es etwas schwieriger geworden – nicht etwa, weil Joe Biden ein so vorzüglicher Kandidat wäre, sondern weil nun alle Demokraten (vielleicht sogar die radikale, marxistische Linke auf den Straßen) an einem Strang ziehen. Dieses Teamwork funktionierte am besten, solange man den demokratischen Kandidaten noch in seinem berühmten Untergeschoss vergraben hatte und er kaum etwas sagte. Nun spricht Biden, und es wird wieder gefährlich. Täglich kann es zu »gaffes« und gefährlichen Aussetzern kommen.

Was sind also die Punkte von Trumps virtuellem Wahlprogramm? Bei der Antwort fällt auf, dass es zugleich Punkte sind, deren Relevanz unbestreitbar ist. Es sind also keineswegs Luftschlösser, die der Präsident für die Wähler aufbaut.

New York als Stadt »voller Wut«

Für Trump ist zunächst »New York nicht mehr wiederzuerkennen«. Die Kriminalität sei auf einem Höchststand, ebenso Schießereien und Mord im Besonderen. Das ist Botschaft Nummer eins.

Tatsächlich hat sich die Zahl der erschossenen New Yorker im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als verdoppelt. In Chicago beträgt der Zuwachs sogar 76 Prozent. Wer aber bezahlt den höchsten Preis für diese gefährlichen Zustände? Es sind die Schwarzen und Farbigen. So starben schon in den ersten Tagen des Julis 100 New Yorker alle ethnischer Mindrheiten durch Schusswaffen. Auch in Chicago, das für seine hohe Gewaltkriminalität berüchtigt ist, sieht die Verteilung seit jeher ähnlich aus. Insofern ist fraglich, ob die Schwarzen im November wirklich für den demokratischen Kandidaten stimmen werden, wenn sie diesen mit Unruhen und gestiegener Kriminalität verbinden. Daneben gelten viele aufsteigende Schwarze inzwischen als gesellschaftspolitisch eher konservativ.

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Trump vergisst natürlich nicht, die Obama-Stadt Chicago zu erwähnen, ebenso das nicht weniger demokratisch regierte Atlanta, das zuletzt in die Schlagzeilen geraten war. Auch hier kündigt Trumpseine Handlungsbereitschaft an, wenn sich die Probleme nicht lokal lösen lassen, und zwar »eher bald, als später«.

New York zeichnet Trump als eine Stadt, die »voller Wut« sei – unter anderem wegen der riesigen BLM-Lettern, die der Bürgermeister auf der Fifth Avenue aufmalen ließ, anstatt die Geschäftsstraße vor Zerstörungen zu schützen.

Der Präsidentschaftswahlkampf wird sich am Ende wohl an einer Handvoll Themen entscheiden, unter denen die Frage von Kriminalität, innerer Unsicherheit und Schutz durch die Polizei derzeit die Hauptrolle spielt. Daneben wird die Frage sein, wie sich die Wirtschaft unter (und trotz) der Pandemie entwickeln kann. Dass beide Themen (Sicherheit und Wohlstand) für alle Bevölkerungsschichten von zentraler Bedeutung sind, daran muss vielleicht auch gelegentlich erinnert werden.

Das dritte Kriterium, das die Wahlen entscheiden kann, wird die geistige Zurechnungsfähigkeit des Demokraten Joe Biden sein. Langsam packt Trump auch hier sein Kampfbesteck aus. Die Formel, die er für Biden benutzt, wird man vielleicht noch öfter hören: Biden sei zum einen nicht mehr Herr im eigenen Haus; Fox News hatte zuvor neben vielen anderen den Ausschnitt gezeigt, in dem Biden das Wort »Gott« nicht mehr einfallen will, stattdessen sagt er: »you know the thing«.

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Nach Trump ist Biden zudem von der radikalen Linken »übernommen« worden: »They brainwashed him.« Dieser Satz fasst beide Punkte in einer Formel zusammen. Das Brainwashing wäre demnach in Bidens Fall besonders leicht gefallen. Ein echter Trump also mit Zeug zum viralen Hit. Man wird sehen, wie weit es führt.

Beim Thema Covid-19 gibt sich Trump abwehrbereit gegen seine Kritiker und etwas konziliant in Sachen Masken. So will er bei seinem bevorstehenden Besuch in einem Militärkrankenhaus selbst eine tragen, macht sich aber zugleich über den Accessoire-Charakter der Maske bei Biden und anderen lustig, die zu groß sei und den Trägern häufig vom Ohr herabhänge.

BLM verklagt Bundesbeamte

Derweil hat Black Lives Matter die Bundesbeamten in Washington D. C. für die Vorgänge vom Lafayette Square vor dem Weißen Haus verklagt, der nach einer Nacht der Unruhen auf Befehl des Präsidenten geräumt wurde. Außerdem sollen einige Verletzungen von Demonstrierenden und Verfahrensfehler der Polizei vor dem Kadi landen.

Die New York Times – ihrer Zeit mal wieder weit voraus – hat sich mit den Washingtoner Stadtvierteln beschäftigt, die 1968 zum Opfer der heftigsten Unruhen wurden. Ebendas seien heute, immerhin 52 Jahre später, mit die teuersten Wohngegenden der Stadt: »Riots long ago, luxury living today«. Welche außerordentliche Logik.

In den Kommentaren zum Artikel spricht man freilich vor allem von den positiven Folgen der Gentrification, dem Schreckgespenst der globalen autonomen Linken, und doch erlaubt die Aufwertung von vernachlässigten Vierteln heute offenbar ein besseres Leben in der amerikanischen Bundeshauptstadt als noch vor einem halben Jahrhundert.

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