Tichys Einblick
Tourismuskrise

„Okupas“: die besetzten Ferienhäuser in Spanien 

Nicht nur die Coronakrise macht der spanischen Tourismus-Wirtschaft das Leben schwer. Immer mehr Ferienhäuser werden illegal in Besitz genommen. Die linke Regierungspartei Unidos Podemos bringt dafür erstaunlich viel Verständnis auf und macht die Besetzer salonfähig.

Besetztes Ferienhaus La Siesta in Denia

Santiago Abascal bringt es auf den Punkt: „Hausbesetzer müssen sofort mit einem Fußstritt in den Hintern zur Tür hinaus befördert werden können“, sagte der Führer der rechten Partei Vox in einem seiner letzten Fernsehaufritte vor der Sommerpause. Seit 2016 sind die illegalen Besetzungen durch Nichtzahlung der Miete oder regelrechten Einstieg in die Immobilien, wie es bei leerstehenden Ferienimmobilien immer wieder passiert, in Spanien um 50 Prozent angestiegen. Auch wenn viele seiner Ansichten eher auf breiten Widerstand stoßen, in diesem Punkt hat Abascal parteiübergreifend Anhänger, dazu gehört auch der deutsche Hausbesitzer und Unternehmer Hans Keller aus Barcelona (Name geändert). Er verweilt derzeit mit seiner Familie im Urlaub in Galizien, hat aber zu Sicherheit jemanden bestellt, der jeden Tag in seinem Haus im Luxusvorort Castelldefels nach dem Rechten schaut, damit nicht der Eindruck entsteht, es sei unbewohnt. Denn die Banden werden immer trickreicher. Sie bringen nach Angaben der spanischen Polizei seit neustem eine durchsichtige Schnur unten an der Haustür des Objekts ihrer Begierde an. Ist die nach Tagen nicht zerrissen, bedeutet es für sie: sturmfreie Bude. 

„Ich habe aber auch einen bulgarischen Sicherheitsdienst unter Vertrag, der das Haus während meiner Abwesenheit bewacht“, erzählt Keller. Er ist Sozialdemokrat, Spanienliebhaber, aber das Problem der „okupas“ wie Hausbesetzungen hier genannt werden, hält er für völlig inakzeptabel: „Das hat auch nichts mit sozialen Aspekten zu tun. Es ist in den meisten Fällen gewöhnlicher Diebstahl“. Das bestätigt auch die spanische Polizei. Allein in diesem Jahr sind Hausbesetzungen in Spanien um 5 Prozent gestiegen, gemäß Angaben des Innenministeriums. Besonders betroffen sind Zweitwohnungen in Murcia, Valencia und Katalonien, die während der Quarantänebestimmungen von März bis Mai meist leerstanden. Der spanischen Regierung sind mit ihrem radikal linken Koalitions-Partner UnidasPodemos und der aktuellen wirtschaftlichen Lage jedoch weitgehend die Hände gebunden. Premier Pedro Sánchez hat im März dieses Jahres erst wegen des massiven Gehaltsausfalls durch den Lockdown die Möglichkeiten für schuldige Mieter verbessert, um einen sozialen Tsunami zu vermeiden. 

Hausbesetzungen sind seit 2016 um 50 Prozent gestiegen

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Nach offiziellen Schätzungen gibt es landesweit derzeit ungefähr 87.000 illegal besetzte Immobilien. Die spanische Anwaltskanzlei „De Miguel Lawyers“ schätzt die tatsächliche Zahl jedoch auf viel höher: „Viele Besitzer weigern sich, den Missstand zu beklagen, weil sie Angst haben vor dem gesellschaftlichen und medialen Druck”, heißt es dort. Denn seit der Geburt der Partei Podemos („wir können”) 2014 sind die „alternativen“ Hausbesetzer, die sich zum Beispiel gegen den Kauf von Wohn-Gebäuden durch Großinvestoren wehren wollen, salonfähig geworden. Interessanterweise war es aber die  jetzige sozialdemokratische Regierung, damals noch ohne Podemos, welche die Gesetze zunächst verschärfte, erinnert sich Montserrat Junyent vom katalanischen Maklerverband AIC: “Seit 2018 ist die polizeiliche Zwangsräumung innerhalb von einem Monat unter bestimmten Umständen möglich“.  Geändert wurden die Prozesse der notwendigen zivilrechtlichen Klage, die jetzt auch „gegen unbekannt“ durchgezogen werden kann. Der Hausbesetzer hat nur noch 5 Tage nach Erlass der Klage Zeit, sich zu verteidigen.

Betroffen sind derzeit vor allem Strandhäuser, berichtet der spanische Polizeiinspektor Alfredo Perdiguero im spanischen Immobilienportal idealista: „2019 haben wir bereits einen starken Anstieg gemerkt, der sich mit der Pandemie weiter fortsetzte“. Er klagt die trotz der Verbesserungen immer noch geringen rechtlichen Mittel an, die ein Vermieter in Spanien gegen säumige Mieter oder Besetzer in der Hand hat: „Es kann immer noch 2 bis 3 Jahre dauern, bis sie vor die Tür gesetzt werden können, vor allem wenn diese Schlöβer ausgetauscht haben oder Renovierungsarbeiten vorgenommen haben. Der Eigentümer muss in der Zeit jedoch alle Kosten rund um die Immobilie tragen“, klagt der Polizeiverantwortliche an. Der deutsche Immobilien-Investor und Berater Matthias Meindel weiβ davon ein Lied zu singen: „Nach der Insolvenz vor neun Jahren des von mir mit betreuten Ferienwohnungs-Projekt La Siesta in Denia haben sich dort Besetzer einfach in den Wohnungen niedergelassen“. Der Insolvenz-Prozess läuft immer noch, die Schuld- und Eigentumsfrage ist nicht geklärt. 

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Bei Einzelfällen helfen Firmen wie „Desokupa Express“, die nun wie Pilze aus dem Boden schießen. Zudem versuchen die Vertreiber von Alarmsystemen wie Securitas Direct inzwischen durch agressives Telefonmarketing von dem Umstand Profit zu schlagen und den Menschen Angst einzujagen, die jetzt im Urlaub sind und versuchen so, teure Sicherungssysteme zu verkaufen. Die klassischen „Säuberungsfirmen“ locken die Hausbesetzer auch häufig mit Geld aus der Immobilie raus. Die Direktorin des Branchenunternehmen Tecnotramit Judith Alberich rät davon aber ab, auch wegen der öffentlichen Wirkung: „Es löst einen Sogeffekt aus. Hausbesetzer fühlen sich bestätig. Am Ende ist es eine Art Lösegeld”.  Der spanische Richter Fernando Valdivia bestätigt zudem, dass die meisten Fälle von Hausbesetzung krimineller Natur sind und nichts mit der armen Familie gemein haben, die ihre Miete nicht mehr bezahlen kann: „Auch wenn viele Verteidiger von Hausbesetzern dieses Argument anbringen“, sagt Valdivia. 

Er kritisiert, dass anders als zum Beispiel in Deutschland das spanische Verfassungsgericht die Rechte der Eigentümer nicht genügend verteidigt. Auf Mallorca hat das noch nicht negativ eingeschlagen, glaubt man den Berichten der Makler. Denn das Angebot auf den Inseln kann die Nachfrage kaum befriedigen. Aber auch hier platzen derzeit Deals, weil eine Warnung die andere jagt. Die von Deutschland ausgesprochene Reisewarnung hat das Sommergeschäft bei Ferienhäusern erstmal beendet. In Madrid und Barcelona, die es während der ersten Welle am härtesten traf, geht die Nachfrage nach Immobilien erstmals seit vielen Jahren wieder zurück wie ein Umfrage der Tageszeitung El País ergibt. Und auch wenn weiter Interesse an Mallorca besteht, die Preise fallen auch dort. Nach Angaben des spanischen Gutachters Tinsa sind die Wohnungspreise seit März 2020 auf den Balearen und Kanarischen Inseln im Durchschnitt um 8,2 Prozent und an der Mittelmeerküste um 6,1 Prozent gefallen.

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