Noch bis spät in die Nacht – in manchen Fällen sogar noch bis zum Zeitpunkt der absehbaren Niederlage von Kamala Harris – versuchten Medien der Öffentlichkeit weis zu machen, dass der US-Wahlkampf ein knappes Rennen wird, das am Ende durch ein paar tausend Stimmen entschieden wird. Das Gegenteil ist eingetreten. In überzeugender Art und Weise fuhr Donald Trump einen Sieg ein, in dem er nicht nur die deutliche Mehrheit an Wahlmännern auf sich vereinen konnte, sondern in der er aller Voraussicht nach auch den „popular vote“, also die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen, auf sich vereinen konnte.
Bis auf Polymarket hat keines der traditionellen Institute diesen klaren Sieg von Donald Trump vorhergesagt. Wie das Kaninchen vor der Schlange erstarrten bei YouGov, TIPP & Co. seit Wochen die Umfragewerte an einem Punkt, der Kamala Harris knapp in Führung vor dem republikanischen Kandidaten sah, wobei die Schwankungsbreite dafür herhalten musste, dass „im Extremfall“ Trump eben auch alle Swing-Staaten abgreifen konnte.
Genau dieser Extremfall ist eingetreten, nur dass es sich für einen Beobachter des Wahlkampfs keineswegs als Überraschung herausstellte, dass Trump der schwachen Harris keine Chance ließ. Die Grenze zwischen Meinungsforschung und Meinungsmache wurde in diesem Wahlkampf nicht zum ersten Mal überschritten, auch im deutschsprachigen Raum – vor allem in Österreich – gab es in den letzten Jahren wiederholt Skandale um manipulierte und tendenziöse Umfragewerte, die zur Herausbildung eines politischen Narrativs genutzt wurden.
Mobilisierung der Wähler – aber welcher Wähler?
Ähnlich wie bei Klima und Corona ist die Meinungsforschung das vermeintlich wissenschaftliche Fundament der politischen Berichterstattung, aus dem Journalisten ihre Narrative spinnen. „Die Umfragen sagen“ hat Gewicht und führte dazu, dass gerade im US-Wahlkampf der letzten Wochen sogar Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl wuchsen. Denn wer den Wahlkampf beobachtete, konnte unmöglich davon ausgehen, dass es ein knappes Rennen wird. Aber gab es eine schweigende Mehrheit, die treu zu Kamala hielt und die man einfach übersah, die aber von Meinungsforschern erreicht wurde?
Die Antwort lautet nun deutlich: Nein! Dann aber stellt sich die Frage, warum diese Prognosen so postuliert wurden. Auch dies lässt sich wohl recht einfach beantworten: Der Eindruck eines knappen Rennens sollte wohl die Wähler mobilisieren, damit der „knappe Vorsprung“ von Harris nicht gefährdet würde. Eingetreten sein dürfte aber das genaue Gegenteil, denn es waren vor allem die Republicans, denen es gelang, breite Wählerschichten zu mobilisieren und sicherzustellen, dass die Wahl „too big to rig“ – „zu deutlich, um manipuliert zu werden“ – ausgeht.
Ein Schuss also, der nach hinten losging? Könnte man so sagen. Doch andererseits könnte man auch hier die Frage stellen, wer denn tatsächlich von diesem Wahlausgang profitierte. Das waren neben den „normalen“ Wählern auch die US-Wirtschaft, die unter Donald Trump einen enormen Aufschwung erlebte und daher bereits während der Biden-Legislatur die Weichen darauf stellte, zukünftig weniger auf ESG-Scores und Diversity-Quoten zu setzen und somit ihre internationale Konkurrenzfähigkeit nicht weiter zu untergraben.
Trump spaltet nicht, er vereint
Der Kampf der Milliardäre war also weniger ein Kampf als ein Zeichen für einen längst vollzogenen Wandel, der vor allem darin bestand, dass einige der wirtschaftlichen Zugpferde der USA zu verstehen gaben, dass sie nicht länger dazu bereit waren, sich der ideologischen Hegemonie des Progressivismus zu unterwerfen und damit ihr wirtschaftliches Potenzial zu gefährden. Die auffallende Nicht-Unterstützung von Kamala Harris durch die Washington Post von Jeff Bezos war wohl das deutlichste Zeichen für einen Umschwung, der früher oder später auch die Medienlandschaft erfassen wird.
Denn ob es die Medien wahrhaben wollen oder nicht: Mit ihren messianischen Heilserwartungen an Kamala Harris und der Prognose ihres umkämpften Sieges haben sie letztlich einen beträchtlichen Teil zur Mobilisierung der Trump-Wählerschaft beigetragen. Journalisten sind zwar – Berufskrankheit – von ihrer Allwissenheit überzeugt, doch stellt sich die Frage, ob die Kräfte, die den Meinungsforschungsinstituten vorgaben, welche Umfragewerte zur Narrativbildung benötigt wurden, nicht schon längst etwas anderes mit diesen Prognosen bezweckten, als die Journalisten dachten zu propagieren.
Die Wahl von Trump hatte nämlich einen besonderen Nebeneffekt. Während der Wahl 2016 warnten Feinde Trumps davor, er würde das Land spalten und skandierten trotzig „he will not divide us“ – „er wird uns nicht spalten“. Anhänger Trumps bestätigten dies, indem sie meinten, er würde wahrlich nicht spalten, sondern vereinen.
Es hat noch einige Jahre gedauert, aber die Wahl 2024 war nun tatsächlich davon geprägt, dass Trump es geschafft hatte, nicht nur traditionelle Stammwähler anzusprechen, sondern breite Bevölkerungsgruppen unterschiedlichster Hintergründe zu erreichen. Vor allem unter Schwarzen und Latinos, Bevölkerungsgruppen von deren wachsender Bedeutung sich die Democrats eine „blaue Welle“ erwarten, die zukünftig alle Wahlen zugunsten der Democrats ausgehen lassen, haben sich in überraschend hoher Zahl um Trump geschart. Nicht zuletzt sie werden damit Elon Musk Hoffnung machen, dass nicht mehr eintritt, wovor er bis zum Tag vor der Wahl warnte, dass Swing States in Zukunft mit frisch eingebürgerten illegalen Einwanderern geflutet würden, damit diese Staaten immer eine Dem-Mehrheit hätten.
Wenn Migranten sich plötzlich als Konservative entpuppen
Das Phänomen kennt man auch aus Deutschland, wo alteingesessene Türken und andere integrierte Minderheiten keine Lust darauf haben, ihren erworbenen Wohlstand zugunsten von Neuankömmlingen abzugeben, und einfach AfD wählen. In den USA ist dieser Effekt vor allem unter den katholischen Latinos, die durchweg konservative Ansichten vertreten, zum Beispiel über die Definition einer Familie, noch deutlicher spürbar.
Hinzu kommt, dass es eben – entgegen des subtilen Rassismus der Democrats – nicht eine Frage der Ethnie ist, wie progressiv oder konservativ man ist, sondern dass Elemente wie Religion, Erziehung und die Lebensumstände eine weitaus größere Rolle bei der politischen Meinungsbildung spielen. Mit anderen Worten: Latinos, die im mittleren Westen der USA angesiedelt werden und sich dort in ländlicher Umgebung integrieren, werden über kurz oder lang von den Lebensumständen in dieser Region konservativer geprägt, als wenn sie in einer Metropolregion leben würden.
Der von den Democrats beabsichtigte Effekt, dadurch eine dauerhafte Hoheit über Swing States zu erhalten, ging somit nicht auf und dürfte es auch in Zukunft nicht tun. Denn auch wenn neue Zuwanderer sich zunächst der progressiven Politik, die für ihre rasche Einbürgerung sorgte, verpflichtet fühlen, ist ab der zweiten Generation – ähnlich wie in Europa – eine deutlich konservativere Haltung zu beobachten.
Vielmehr könnte den Democrats nun ein Aderlass drohen, denn wie schon zuvor bei Hillary Clinton und Joe Biden war auch das stärkste Argument für Kamala Harris, dass sie nicht Donald Trump ist. Doch das Schreckgespenst Trump hat versagt und mit dem Durchbrechen der medialen Lufthoheit könnte auch in vielen Medienhäusern nun eine Kehrtwende bevorstehen. Die Nibelungentreue der großstädtischen Akademikerschicht fußte nicht zuletzt auf dem Gefühl einer moralischen Verpflichtung, das absolut Böse abzuwenden, ein Bild, das allerdings nur unter vollstem Einsatz und Dauerbeschallung einer Medienblase aufrechterhalten werden konnte. Bricht diese Front, bei gleichzeitiger Stabilisierung der Wirtschaft, auf, könnte der Umkehrschwung in manch progressiven Haushalten ebenso schnell vonstattengehen wie in der US-Wirtschaft im letzten Jahr.
In den letzten Tagen des Harris-Wahlkampfs schien Barack Obama, der versuchte, für die Demokraten zu retten, was zu retten war, schneller zu ergrauen, als zuvor während seiner beiden Legislaturperioden. Die politischen Felle scheinen dem US-Cäsar der Demokraten davon zu schwimmen, und der deutliche Sieg Trumps wirft bereits den Schatten auf 2028 voraus. Dann wird mit größter Wahrscheinlichkeit ein nochmals reiferer J.D. Vance versuchen, die Politik Trumps für eine neue Generation zu übersetzen. Wen werden die Demokraten ihm entgegensetzen können, außer Michelle Obama? Es könnte das letzte Aufgebot einer scheidenden Politikerkaste sein, die schneller alterte, als Stammvater Obama in den letzten Tagen des Wahlkampfs 2024.