Tichys Einblick
Was kümmern uns die Amis?

Harris vs. Trump: Die bedeutendste Wahl für Deutsche in den nächsten Jahren

Die anstehende Wahl zum US-Präsidenten kann angesichts der Marotten der Spitzenkandidaten auf ein europäisches Publikum etwas befremdlich wirken. Doch darüber sollte man nicht übersehen, wie richtungsweisend diese Wahl ist - auch für Deutschland

Über die US-Wahl zu lesen ist für viele Menschen gleichbedeutend mit den Klatschspalten. Während die Linke ohnehin Trump seit Jahren als ideologischen Boxsack verwendet, sind für Konservative sowohl Trump als auch Harris befremdliche Vertreter einer Demokratie im Spätstadium. Unterhaltsam, ja, aber irgendwo auch wieder zum Kopfschütteln. Immer noch ist ein Spruch wie “Das geht nur in Amerika” Ausdruck eines klammheimlichen Überlegenheitsgefühls der Europäer, das sich einzig und allein daraus speist, dass wir nicht nur in allen Innovationen, sondern auch in allen Niedergangserscheinungen ein paar Jahre hinterher zu hinken scheinen.

Ist die Wahl zwischen Harris oder Trump tatsächlich nur Popcorn-Kino? Oder ist es die in den letzten Jahren oft zitierte Schicksalswahl, die womöglich stärker denn je die Richtung vorgeben könnte, wohin die Reise künftig geht? Bleibt kein Stein auf dem Anderen, oder zeichnet sich – unabhängig vom Resultat – tatsächlich nur Houellebecqs Tendenz – alles bleibe gleich, nur ein wenig schlechter – ab? Und inwiefern hat diese Wahl Einfluss auf Europa, bzw. Deutschland? Sollten Deutsche sich mehr für diese Wahl interessieren? Wahrscheinlich schon.

Geopolitische Weichenstellung

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Dass die Wahl zwischen Harris und Trump große sicherheitspolitische Implikationen hat, ist wahrlich kein Geheimnis. Als Robert Habeck Ende 2023 vorhersagte, dass der damals bereits für die Ukraine schlecht laufende Krieg wohl noch ein weiteres Jahr andauern würde, fragte man sich, woher der Wirtschaftsminister sich da so sicher sein konnte. Dabei liegt die Antwort auf der Hand: Mit der Wahl in den USA steht die nächste Richtungsentscheidung an, ob das amerikanische Imperium – das sich ohnehin seit Afghanistan auf dem Rückzug befindet – wieder dem America-First-Protektionismus von Donald Trump huldigt, oder weiterhin versuchen wird, den Interventionismus – wenn auch in abgeschwächter Form militärischer und finanzieller Unterstützung der Ukraine – auch im Rückzug aus Europa aufrecht zu erhalten.

Ebenso ist es kein Geheimnis, dass Friedensverhandlungen in diesem Krieg nicht von Kiew, sondern von Washington aus mit Moskau geführt werden. Da die interventionistische Politik gerade im Rückzug die Ressourcen der USA äußerst belastet, darf davon ausgegangen werden, dass Donald Trump diesem Konflikt wohl schnell ein Ende setzen würde. In punkto Israel sieht die Sache da schon etwas komplizierter aus, allerdings dürfte gerade in Saudi-Arabien – das sich nicht umsonst um den geplanten Eintritt in die BRICS ziert – der Anspruch zu einem regionalen Hegemon heranzuwachsen quicklebendig sein und dabei große Hoffnung auf eine neuerliche Präsidentschaft von Trump gesetzt werden, der mit Riad sehr gute Beziehungen pflegte.

Die Lösung dieser Konflikte ist allerdings nicht nur aus allgemein menschlicher Sicht zu begrüßen, sondern auch von weitreichender Konsequenz für die politische Realität in Deutschland und Europa. Nicht nur, dass solche und ähnliche Konflikte seit Jahren als Erklärung für die moralische Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten aus aller Welt dienen, auch die Energiepolitik Deutschlands wurde durch den Konflikt in der Ukraine maßgeblich geprägt – auch wenn man die Schuld dafür in Moskau sucht. Denn so genau nimmt man es in Europa mit der Moral dann abseits der Symbolpolitik doch nicht, sonst würde man nicht russisches Öl weiterhin einkaufen, nur halt jetzt zum Premiumpreis über den Zwischenhändler Indien, der an dieser “Ölwäsche” kräftig mitverdient.

Ein Imperium im Rückzug

Wer die Politik der USA hierbei moralisch beurteilen möchte, denkt nicht politisch, sondern naiv. Das Interesse der USA liegt unabhängig von der Regierung primär in der Stärkung ihrer eigenen Position in der Welt, eine Einstellung, die gerade Konservativen eigentlich begrüßen sollten, wünschen sie sich doch nichts anderes für ihre eigenen Länder. Der Unterschied zwischen Demokraten und Republikanern liegt dabei in ihrer Methodik. Während die Demokraten auch im imperialen Rückzug aus der Welt auf ihren hegemoniale Interventionstaktik setzen, die den Mythos des Weltpolizisten aufrecht erhalten möchte, setzten Trump und die Republikaner zumindest in der Vergangenheit auf Protektionismus und das Modell der Festung USA.

Dem Anschein nach lässt Trump seine westlichen Verbündeten damit mehr im Regen stehen. Doch im Umkehrschluss führt die Scheinhegemonie der Demokraten einerseits zu einer ideologischen Beglückung mit Quoten-, Diversitäts- und Klimapolitik und andererseits zu chaotischen Verhältnissen in vormals besetzten Gebieten. Kritiker dieser Rückzugsstrategie könnten wohl nicht zu Unrecht von einer Taktik der verbrannten Erde sprechen, die sowohl in Afghanistan, als auch in Europa viel Zerstörung hinterlässt.

Die Interessen der USA sind zwar nicht zwingend die Interessen Europas, aber das gilt ebenso für die Interessen Moskaus und Pekings. Nach wie vor lässt sich argumentieren, dass ideologisch und kulturell eine Nähe zu Washington besteht, die man nicht leichtfertig aufgeben sollte. Aber die Zeit der friedlichen Blüte unter dem Schutzschirm des US-Imperiums gehört ohnehin der Vergangenheit an, sodass es für Deutschland und Europa wichtiger denn je wäre, eine eigenständige Interessenpolitik zu entwickeln.

Es kann angesichts der realen Verhältnisse wenig Zweifel daran bestehen, dass dies unter einer Trump-Regierung weitaus realistischer wäre, als unter der hegemonialen Kontinuität der Demokraten. Denn abseits der Wahlurnen wurden bestimmte Weichen schon lange gestellt, die große Veränderungen vorwegnehmen, die aufgrund der Wahlen nur allzu leicht aus dem Blickfeld fallen können.

Blackrock & Co. haben ihre Wahl schon vor langer Zeit getroffen

Denn der Wahlkampf in den USA entpuppte sich in den letzten Wochen zunehmend auch als Krieg der Milliardäre, wie TE-Redakteur Marco Gallina analysierte. Vorbei die Zeiten, in denen Tech-Milliardäre aus Silicon Valley stillschweigend und automatisch die Demokraten finanzierten. Nachdem Elon Musk seine Unterstützung Donald Trumps öffentlich machte, zog dieser Trend schon bald offen immer breitere Kreise. Dass die Witwe von Steve Jobs massiv die Kampagne von Kamala Harris finanzierte, durfte dabei nicht überraschen; dass Amazon-Chef Jeff Bezos als neuer Eigentümer der Washington Post die Demokratin nicht unterstützte, schon eher.

Aber auch hier gilt: Naiv, wer an Zufälle oder persönliche Heureka-Momente glaubt. Die Weichenstellungen haben sich auch hier bereits vor langer Zeit angekündigt. Als Anfang des Jahres Großinvestoren wie Blackrock und JP Morgan Billionen (ja, Billionen) aus ESG-Fonds abzogen, war dies den meisten Medien nicht einmal eine Kurzmeldung wert. TE-Leser erfuhren bereits damals, dass dies die ersten Vorboten einer bevorstehenden Verschiebung weg von grünen Fonds zu traditionelleren Märkten waren. Nur zwei Wochen später verkündete Ursula von der Leyen das Aus vom Verbrenner-Aus.

Diese Prozesse werden, unabhängig vom Ausgang der Wahl, auch in Zukunft weiter voranschreiten. Eine Regierung unter Kamala Harris würde diese Trends nicht so sehr aufhalten, als sie in der öffentlichen Wahrnehmung verzerren, zumindest in Deutschland, das in alter Tradition die Sache “um ihrer Selbst willen” zu Ende bringen will und an die Weltenrettung per Lastenfahrrad glaubt, während in China schon die fliegenden Autos durch Shenzhen flitzen.

Dennoch gilt auch für das deutsche Wahljahr 2025, dass die Richtungsentscheidung in den USA Prozesse auch hierzulande beschleunigen kann oder wird. Dazu muss man nicht an Prinzipien in der CDU glauben, es genügt auf altbekannten Opportunismus zu setzen. Denn während noch vor wenigen Monaten eine schwarz-grüne Koalition als logische Konsequenz aller Entwicklungen der letzten Jahre erscheinen musste, könnte der grüne Stern mit dem Abzug des großen Geldes schneller verglühen, als man annehmen durfte. Schon werden die Weichen für ein Aufleben alter Machtverhältnisse gestellt und eine große Koalition scheint wieder wahrscheinlicher denn je. Dass diese unter der Führung eines Blackrock-Mannes stehen wird, darf da dann nicht mehr verwundern, sondern höchstens amüsieren.

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