Geschichte wiederholt sich: Wie einst im Zuge der sogenannten kulturellen Revolution von 1968 und der Friedensbewegung schwappen zivilgesellschaftliche Proteste in den USA auf Europa über. Es waren schreckliche Bilder, die um die Welt gingen. Auslöser war diesmal ein Vorfall in Minneapolis. Ein Afro-Amerikaner bei der Verhaftung durch vier weiße Polizisten. Einer der Polizisten hatte dem gefesselten und wehrlosen George Floyd brutal das Knie auf den Hals gedrückt, so dass er über Minuten lang keine Luft bekam und erstickte. „I can’t breathe“ wurde zum Schlachtruf landesweiter Demonstrationen, nachdem sich ähnliche Fälle bereits in der jüngeren Vergangenheit ereignet hatten. Eine breite, über die afro-amerikanischen Gemeinschaften hinausgehende Welle an Solidarität und Bestürzung über Polizeigewalt und Rassismus hat das Land erfasst.
Keine einheitliche Struktur
Was verbirgt sich nun hinter der „Antifa“, die vor wenigen Jahren in den USA kaum bekannt war, hierzulande aber eine Tradition hat und offenbar Teil der „Zivilgesellschaft” ist? So äußerte etwa Miriam Heigl, Leiterin der Fachstelle Demokratie der Stadt München, vor wenigen Jahren im Bayerischen Rundfunk, sie setze auf ein gesellschaftliches Netzwerk. Dieses umfasse die Kooperation mit Kultureinrichtungen, „mit den Kirchen, mit den Sportvereinen, mit der Antifa“. Gleichwohl gibt es die „Antifa“ als einzelne Organisation nicht. Sie bezieht sich, wie auch der Verfassungsschutz einschätzt, auf ein „Aktionsfeld“ aus dem linken politischen Spektrum. Unterstützung und Rückendeckung bekommt sie von denjenigen Kräften, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren. Die SPD-Covorsitzende Saskia Esken etwa twitterte als Antwort auf Donald Trump unter Verweis auf ihr Alter: „58 und Antifa. Selbstverständlich“, worauf zahlreiche Politiker nicht nur aus der SPD nachzogen. Der Antifa wurden konkrete Handlungen zugeschrieben, die zum Abbruch der Lehrveranstaltungen des ehemaligen Vorsitzenden der Alternative für Deutschland (AfD) und Hochschulprofessors, Bernd Lucke, oder zur Blockade einer Lesung des ehemaligen Bundesinnenministers Thomas de Maizière führten.
Brennende Barrikaden, Flaschenwürfe, vermummte Personen
Für eine Revitalisierung der Bekämpfung von staatlicher Repression sorgt die Antiglobalisierungsbewegung. Die Rede von der Antifa ruft bei einigen die Bilder des G20-Gipfels in Hamburg im Sommer 2017 in Erinnerung: brennende Barrikaden, Flaschenwürfe, vermummte Personen und der „Schwarze Block“: In der Regel wird die Antifa mit diesen Bildern in Verbindung gebracht. Schon das G8-Treffen zehn Jahre zuvor zeigte eine grundsätzliche Affinität zur Gewalt. Generell ist die Geschichte der international vernetzten globalisierungskritischen Bewegung von oftmals brutalen Auseinandersetzungen mit der Polizei geprägt. Die Bestrebungen verfügen über eine ideologische Stoßrichtung und ein Feindbild, wie die deutsche Vergangenheit zeigt: Der „verordnete Antifaschismus“ der DDR diente nicht nur der Legitimation der SED-Herrschaft, sondern ging mit Georgi Dimitroff davon aus, dass bürgerliche Demokratie und faschistische Diktatur bloß unterschiedliche Herrschaftsformen des Kapitalismus seien.
Im Gegensatz zur bürgerlichen Demokratie
Protest ist stets auf Kommunikation ausgerichtet, da die Protestierenden andere zumindest auf ihre Forderungen aufmerksam machen, idealerweise auch gewinnen wollen. Gerade diese kommunikative Stoßrichtung macht neue Medien und Technologien für die Akteure von Protest interessant, oder anders gesagt: Mit dem Netz erhält der Protest eine neue, beispielsweise transnationale Dimension. Jede Infragestellung bürgerlicher Demokratie riskiert den Rückfall in prädemokratische Strukturen mit oft vormodernen Elementen, sei es Anarchie oder Diktatur. Die Menschenrechtsentwicklung und -garantie in der Demokratie ist mit dem demokratischen Verfassungsstaat verwoben, der die Freiheitsansprüche des Einzelnen einlösen kann. Dem Frontalangriff auf die bürgerliche Gesellschaft muss man auf allen Ebenen begegnen.
Dieser Beitrag von Florian Hartleb erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.