Bereits seit Tagen gehen die Democrats mit allen möglichen Mitteln gegen den noch amtierenden US-Präsidenten vor. Nancy Pelosi, Sprecherin des Repräsentantenhauses, sprach sogar schon mit dem Generalstab im Pentagon, um Donald Trump den Zugang zu den Nuklearcodes zu entziehen – allein das ist ein einzigartiger Vorgang, der laut New York Times von Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums mit einem „Putsch“ verglichen wird. Doch den finalen Schritt haben sie in der Nacht zum 9. Januar umgesetzt: Ein weiteres Trump-Impeachment. Der weitgehend unbekannte Abgeordnete David Cicilline hat sich an die Spitze einer Gruppe von Democrats gesetzt, der unter anderem auch die radikal-linken Sozialisten Alexandria Ocasio-Cortez und Ilhan Omar angehören. Die Abgeordneten wollen noch vor der Machtübergabe am 20. Januar einen Prozess gegen Trump eröffnen – mit einer pikanten Anklageschrift.
Der vorgelegte Entwurf würde den Präsidenten nicht nur wegen „schwerer Verbrechen und Vergehen“ – soweit die Standardformulierung in einem Impeachmentverfahren – aus dem Amt entheben, sondern auch konkret der „Vorsätzlichen Anstiftung zur Gewalt gegen die US-Regierung“ anklagen. Gemeint ist der Mob unter seinen Anhängern am Kapitol: Er habe bei seiner Rede zu den Demonstranten, die später das Gebäude besetzten, willentlich Aussagen getätigt, die zu Gewalt ermutigt hätten. Sein Handeln habe im Einklang mit seinen Bemühungen gestanden, die offiziellen Ergebnisse der US-Wahl anzufechten und für ungültig zu erklären. Damit, so die Democrats, habe er die Sicherheit der Institutionen und die Vereinigten Staaten gefährdet. Die Resolution erklärt Präsident Trump zu einer „bleibenden Gefahr“ für die nationale Sicherheit, die Demokratie und die Verfassung, sollte er weiterhin im Amt bleiben. Außerdem enthält sie eine Klausel, die ihn für jedes öffentliche Amt disqualifiziert – und somit eine mögliche Trump-Kampagne 2024 ausschließen würde. Dass auf Trumps Veranstaltung, auf die sich der Antrag bezieht, explizit dazu aufgerufen wurde, vor dem Kapitol stehenzubleiben, wird dabei ignoriert.
Dass die Legislaturperiode kurz vor ihrem Ende steht, verschafft dem Verfahren eine weitere Besonderheit, die es in sich hat: Es könnte nach Trumps Amtszeit noch fortgesetzt werden. Zur Zeit macht der scheidende Mehrheitsführer im US-Senat, Republikaner Mitch McConnell, keine Anzeichen, eine schnelle Abstimmung anstreben zu wollen. Doch sobald die Fraktion der Democrats am 20. Januar die Mehrheit dort übernimmt, könnten sie den Beschluss des Repräsentantenhauses aufnehmen und ein erfolgreiches Impeachment-Verfahren einleiten. Dann würde dem „Zivilisten“ Donald Trump der Prozess vor dem Senat gemacht werden. Ein völlig anderes Bild als im ersten Impeachment-Verfahren: Hier säße ein Trump auf der Anklagebank, der in keinster Weise durch das Präsidentenamt geschützt wäre. Rechtliche Präzedenz oder Regelungen für ein Verfahren gegen einen ehemaligen Amtsinhaber gibt es nicht.
Das Wording der Trump-Gegner, ob dies- oder jenseits des Atlantiks, ist auffallend scharf. Von einem „Putschversuch“ ist die Rede. President-elect Biden spricht von einem „Aufstand“, und die Impeachment-Vorlage klagt den Präsidenten der Anstachelung eines solchen gegen die US-Regierung an.
Die unentschuldbaren Handlungen der Trump-Anhänger auf dem Capitol Hill sollen jetzt offenbar der Anlass sein, um den Präsidenten und die, die ihn in den vergangenen Jahren unterstützt haben, auf politischer Ebene zu vernichten. Da ist alles erlaubt. Der Sender CNN hat sogar bereits US-Fernsehanbieter aufgefordert, den konservativen Sender Fox News aus ihrem Angebot zu verbannen und damit die wichtigste mediale Stimme der Konservativen auszuschalten. Und das, obwohl so ziemlich alles von Rang und Namen bei Fox die Ausschreitungen scharf verurteilt hat.
Auch die Social-Media Giganten haben in einer scheinbar koordinierten Aktion jegliche Präsenz des Präsidenten aus ihren Netzwerken getilgt. Nach einem Brief der Twitter-Mitarbeiter an CEO Jack Dorsey sperrte der Konzern den Account des Präsidenten, welcher bis dahin sein Hauptkommunikationsmedium darstellte, dauerhaft. Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg erklärte, sein Konzern habe Trump von all seinen Plattformen entfernt. Im 21. Jahrhundert wird ein Politiker von den sozialen Medien, welche ein unverzichtbarer Teil von Meinungsbildung und politischem Diskurs unserer Zeit geworden sind, verbannt – eine ungekannte Form von Zensur und ein Präzedenzfall.
Wie weit die Maßnahmen der amerikanischen Linken noch gehen, bleibt offen. Joe Biden hat erklärt, er werde dem Justizministerium nicht sagen, gegen wen sie ermitteln sollten. Der designierte Justizminister Merrick Garland, dem die Republicans durch ein politisches Manöver einen Sitz als Richter am Supreme Court verwehrten, wird wahrscheinlich so oder so motiviert genug sein, seine Arbeit aufzunehmen. Doch der moderate President-elect hat kaum Einfluss darauf, was seine radikalen Verbündeten in Partei und Presse anstreben werden. Die Forderung, Trump-treue Senatoren und Abgeordnete ihrer Ämter zu entheben, wurde bereits mehrfach geäußert. Das wäre nicht nur demokratisch fragwürdig, sondern könnte das Land auch weiter spalten.