Tichys Einblick
Katastrophal schlechter Internetempfang

Deutschland ist das Funkloch Europas

Der schlechte Internetempfang in Deutschland hat was Gutes: Wer im Vergleich nach Ländern sucht, die besser abschneiden, lernt einige Exoten kennen. Es ist brutal, wie Deutschland in dieser Zukunftstechnologie abfällt.

picture alliance / SULUPRESS.DE | Torsten Sukrow

Sollte die FDP nächstes Jahr aus dem Bundestag fliegen, kann Volker Wissing immer noch als Komiker arbeiten. Der zuständige Minister meinte im Interview mit dem Handelsblatt: „Wir sind bei der digitalen Infrastruktur auf der Überholspur.“ Wenn Wissing auf der Überholspur ist, dann muss er der Holländer mit dem Campingwagen im Schlepptau sein, der in Deutschland regelmäßig die Überholspur der Autobahn verstopft, sich dabei wie der „King of the Road“ fühlt und von dem sich alle anderen nur wünschen, dass er endlich abhaut.

Wie die Realität hinter Wissings Selbstwahrnehmung aussieht, zeigt der „Ookla Globel Index“ auf. Den veröffentlicht das Fachportal Speedtest regelmäßig. In dem hat Deutschland im März einen Platz verloren beim mobilen Internetempfang und gleich vier Plätze beim Festnetz. Oder um in Wissings Metapher zu bleiben: Deutschland ist auf der Überholspur, aber alle anderen ziehen rechts vorbei.

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Und wer da alles so an Deutschland vorbeizieht: Die Domikanische Republik hat seit März offiziell ein besseres Festnetz-Internet als Deutschland. Auch Slowenien, Österreich und Saint Lucia sind ebenfalls rechts vorbeigezogen. Falls jemand Saint Lucia nicht kennt: Das ist ein Inselstaat in der Karibik, die Hauptexportgüter sind Bananen, Mehl und Reis – und das Internet ist besser als in Wissings Überholspur-Deutschland.

Deutschland belegt laut Speedtest beim Festnetz den 58. Platz. Mit einer durchschnittlichen Download-Rate von 91,73 Megabit pro Sekunde (MbpS). Costa Rica schafft 92,92 MbpS, die Philippinen 93,91 MbpS, Saint Lucia 101,01 MbpS, Vietnam 109,12 MbpS, Rumänien 214,13 MbpS und Frankreich 242,45 MbpS. Überholt von Entwicklungsländern, von Nachbarn um das Zweieinhalbfache geschlagen. Neben Wissings Breitbandausbau sieht ein holländischer Campingwagen wie ein Rennwagen aus.

Im Festnetz schlagen uns laut Speedtest Länder wie Chile (265,12 MbpS), Thailand (231,25), Brasilien (158,57) oder Peru (137,58). Es fällt also anderen Ländern einfacher, Internet über den Amazonas zu verbreiten, durch den Dschungel, über die Anden oder durch die Atacama-Wüste – als es Deutschland in der Rheinebene, dem Märkischen Sand oder in der Norddeutschen Tiefebene gelingt. Auch eine Leistung.

Beim mobilen Internet sieht es kaum besser aus. Dort belegt Deutschland den 48. Platz. Hier beträgt die durchschnittliche Download-Rate hierzulande 59,29 MbpS. Montenegro kommt auf 59,88 MbpS, Griechenland auf 79,28 MbpS, Nordmazedonien auf 89,96 MbpS, Kroatien auf 101,15 MbpS und Island auf 158,32 MbpS. Zu den europäischen Nachbarn, die einen besseren Empfang als Deutschland haben, gehören zudem Dänemark, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Tschechien und Polen. Mit anderen Worten: Jedes an Deutschland grenzende Land hat einen besseren digitalen Empfang als wir – Deutschland ist das Funkloch Europas.

 

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