Mit dem Erdrutschsieg von Floridas Gouverneur Ron DeSantis (44) und die eine Woche später folgende Ankündigung von Donald Trump (76), für die Präsidentschaftswahl 2024 kandidieren zu wollen, richteten sich nun alle Blicke auf Florida. Beide Männer leben hier. Der eine, Trump, an der Ostküste in Mar-a-Lago, der andere in Tallahassee an der Westseite. Noch ist unklar, ob DeSantis ebenfalls kandidieren will, aber alle Zeichen deuten darauf hin. Seine Dankesrede nach den fulminant gewonnenen Midterms konnte als Bewerbungsrede für das Amt des POTUS gelesen werden, seine gesamte bisherige Laufbahn lässt keinen anderen Schluss zu. DeSantis will ganz nach oben.
Bisher wurde er, meist von pro Demokraten agierenden Medien, als Mini-Trump gebrandmarkt. In Deutschland zum Beispiel versah man ihn mit dem Etikett „rechts-außen“, oft hieß es, DeSantis sei nur Trumps Marionette, maximal eine Art Prinz of Wales, der warten wird, bis Trump freiwillig von seinem Thron verschwindet. Jetzt scheint das Unvorstellbare plötzlich möglich: der Kampf der Platzhirsche! Das Ringen des alternden Leitwolfs mit dem jungen Anführer, der andere Wege zum gemeinsamen Ziel geht, neue Lösungsvorschläge hat, und das Rudel hinter sich scharen will, bis der Alte einsam zurückbleibt.
In einem Interview auf Trumps Angriffe angesprochen, lächelte er nur und erwähnte Trump mit keinem Wort. Stattdessen ging er indirekt auf Angriffe ein: „Ich glaube, dass kein anderer Governor in der vergangenen Legislaturperiode mehr attackiert wurde als ich. Speziell von den Medien. Was ich dabei gelernt habe: Das alles ist nur Schall und Rauch. Was wirklich zählt ist, ob man die Führung übernimmt. Ob man sich den Problemen stellt. Ob man gute Lösungen für die Bürger findet und für sie einsteht. Wenn man das tut, interessiert sich niemand mehr für diese Angriffe.“ Und ergänzte später noch: „Say what you do and do what you say“. Sage, was du tun wirst, und stehe zu deinem Wort. Eine deutliche Ohrfeige für den unberechenbaren Trump.
Wie also könnte es weitergehen im republikanischen Kampf um die Präsidentschaftswahlen 2024? Nur weil Trump seine Kandidatur bekannt gegeben hat, heißt das ja noch lange nicht, dass die GOP ihn auch aufstellen wird.
Schauen wir uns den bisherigen Leitwolf an. Bisher konnte er sich der Mehrheit der Republikaner sicher sein. Er platzierte seine zum Teil schrill bis schrägen Wunschkandidaten für die Midterms bei den republikanischen Vorwahlen. Nur leider lieferten diese nicht. Gerade die drei Quereinsteiger unter Trumps Gnaden, Kari Lake (Arizona), Mehmet Oz (Pennsylvania) und Herschel Walker (Georgia, Stichwahl im Dezember) enttäuschten. Allgemein blieb die erhoffte „rote Welle“ bei den Wahlen aus.
Jedenfalls stieß Trumps Ankündigung einer Kandidatur für 2024 auf große Freude bei den Demokraten. Nominieren die Republikaner den ehemaligen Präsidenten tatsächlich, können die Demokraten ihr Erfolgsmodell der Dämonisierung Trumps und seiner Anhänger ausbauen und verfeinern. Politisch müssen sie dann nicht viel bringen, es könnte reichen, gegen Trump zu schießen. Das wäre ein glattes Geschenk, da 2024 viel auf dem Spiel steht. Nicht nur geht es um den nächsten Präsidenten, es sind wesentlich mehr demokratische Senatssitze in Gefahr als bei den Midterms 2022. Von den 33 Senatssitzen auf dem Stimmzettel werden 21 Demokraten und zwei jene Unabhängige sein, die zurzeit mit den Demokraten koalieren.
Schauen wir nun zu DeSantis. Seine Karriere verlief bisher äußerst gradlinig. Im Gegensatz zu vielen deutschen Politikern hat er eine ausgezeichnete Ausbildung, zwei Universitätsabschlüsse, einen in Geschichte, einen in Militärrecht (Jura). Er schied hochdekoriert aus dem Militärdienst aus, war zwei Legislaturperioden in Washington als Abgeordneter im Kongress und hat es gerade geschafft, Florida zu einem „roten Staat“ umzuwandeln. DeSantis hat ähnliche politische Ziele wie Trump, will die Wirtschaft fördern, lehnt „Gender Theater“ ab, will Eltern und nicht dem Staat die Erziehungsgewalt über die Kinder geben. Nicht zu vergessen, ging er während der Corona-Pandemie einen ganz eigenen, im Nachhinein anerkannt erfolgreichen Weg. Florida prosperiert, die Wirtschaft boomt, die Steuern sind niedrig und die Arbeitslosigkeit gering. DeSantis ist „populistisch“ im besten Sinne. Laut „Encyclopedia of Democracy“ eine politische Bewegung, die die Interessen, kulturellen Wesenszüge und spontanen Empfindungen der einfachen Bevölkerung hervorhebt, im Gegensatz zu denen einer privilegierten Elite.
Seine mit großem Vorsprung gewonnene Wiederwahl als Governor ist umso bemerkenswerter, als in den letzten Jahren täglich über 1.000 Amerikaner aus anderen, meist demokratischen Bundesstaaten in den Sonnenstaat Florida zogen. Niemanden hätte es gewundert, wenn diese zwar die Errungenschaften des republikanischen Governors zu schätzen gewusst, aber trotzdem aus alter Gewohnheit demokratisch gewählt hätten. Haben sie nicht – DeSantis hat es geschafft, blaue Wähler auf die rote Seite zu ziehen. Auch für die republikanischen Kongressabgeordneten und den Senator zeigte er sich als Zugpferd, Florida ist jetzt kein Swing State mehr, sondern in republikanischer Hand.
Wie sieht es mit den Bürgern aus, was wollen sie? Trump wirkte in den letzten Wochen kraftloser, müder. Seine immer gleichen Vorwürfe, die Wahlen 2020 wären ihm geklaut worden, die er bei seinen Midterm-Auftritten gebetsmühlenartig vortrug, schauen rückwärts und bringen das Land nicht voran. Viele Leute können diese Anschuldigungen nicht mehr hören. Selbst wenn sie ihm zustimmen, fragen sie sich, was das an der Ist-Situation ändert. Ähnlich wie beim Fußball muss der erfolgreiche Spieler auch mit einem zu unrecht gegebenen Elfmeter weiterkämpfen. Dazu kommen die verschiedenen Ermittlungen, die seitens des FBI und der Steuerbehörden gegen ihn geführt werden. Steter Tropfen höhlt auch hier den Stein, in dem Fall den Wählerzuspruch.
Trump kämpft auf vielen Ebenen – hauptsächlich für sich selbst. DeSantis dagegen kämpfte bisher für die Bürger Floridas und wurde dabei tatkräftig von seiner Frau unterstützt. Casey DeSantis steht mit den drei Kindern wie ein Fels an seiner Seite. Eine Bilderbuchfamilie wie seinerzeit die Kennedys. Amerika liebt solche Bilder. Wie DeSantis mit zukünftigen Angriffen umgeht, wird sich zeigen, bisher hat er sie souverän gemeistert.
Ein Szenario der freundlichen und unterstützenden Staffelübergabe an einen jungen Kandidaten, was sich wohl viele Republikaner gewünscht hätten, wird es nach Trumps Kandidatur definitiv nicht geben. Will DeSantis kandidieren, muss er nicht nur mit den Schachzügen der demokratischen Spin Doctors zurecht kommen, sondern auch dem in seiner Ehre verletzten und nach Genugtuung lechzenden Leitwolf die Stirn bieten. Wenn er schlau ist, wartet er jetzt noch eine Weile und schaut zu, wie der Alte weiter in die Irre läuft und Zustimmung in der Partei verliert, bevor er selbst den Hut in den Ring wirft.
Was passiert, sollten die Republikaner nicht Trump nominieren, sondern DeSantis – oder einen anderen jungen Kandidaten? Nun, Trump ist zuzutrauen, dass er dann einen Wahlkampf mit einer eigenen neuen Partei führt. Die Republikaner würde das definitiv schwächen, da Trump eine Anhängerschaft hat, die unbeirrt zu ihm steht. Ein geschichtliches Vorbild hätte ein solcher Schachzug. Theodore Roosevelt, der 26. US-amerikanische Präsident, wechselte nach seiner Amtszeit von den Republikanern zu den von ihm neu gegründeten Progressiven, trat erneut als Präsidentschaftskandidat an und machte immerhin den zweiten Platz. Gewinner wurde der Demokrat, der republikanische Kandidat landete nur auf dem dritten Platz.