Kanzler Scholz ist keine Ausnahme. So gut wie alle westlichen Staatschefs spielen mit, geben vor, dass Biden topfit sei und manövrierten ihn geschickt aus missliebigen Situationen. Nicht das erste Mal übrigens, dass man das alte Spiel „eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ spielt. Die älteren von uns werden sich noch an EU-Kommissionschef Jean Claude Juncker, den Vorgänger von Ursula v.d.Leyen, erinnern.
Auch Juncker hatte seine „Momente“, offiziell hießen sie „Rücken“ und „Ischias“, inoffiziell wohl eher Sauvignon Blanc oder Johnnie Walker. Auch er wurde in diesen Situationen von anwesenden Regierungschefs oder Politikern gestützt, gedeckt und bewacht. Unvergessen der Moment, als Juncker drohte, rückwärts zu fallen, und vom damaligen niederländischen Ministerpräsident Mark Rutte aufgefangen wurde. In einem Interview auf die Situation angesprochen erklärte Rutte später, „soweit ich weiß, leidet er seit einer Weile unter einem Rückenproblem“. Alles klar. Weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen.
Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni ist zwar neu in der Runde, aber auch sie weiß, wie das Spiel läuft. Beim 50. G7 Gipfel in Italien erkannte sie während einer Fallschirmsprungdemonstration vor laufenden Kameras, dass Biden sich einfach umgedreht hatte und aus dem Bild trippeln wollte. Charmant fing sie ihn wieder ein. Lippenleser behaupten, sie hätte zu ihm gesagt, dass die ganze Mannschaft aufgefordert sei, in die Richtung der Fotografen zu schauen. Brav drehte Biden sich wieder um.
Während einer Diskussion der APEC-Führer Ende November, zog sich Biden plötzlich seine Kopfhörer und Mikrophon vom Kopf und ging um den Tisch zu Chinas Präsident Xi Jinping. Als ob er in einer Bar plötzlich einen alten Kumpel entdeckt hätte. Diese Aktion kam so unerwartet, dass kein chinesischer Übersetzer anwesend war, um Xi zu erklären, was Biden so plötzlich wollte. Höflich, aber eindeutig überrascht, stand Xi auf und tat so, als ob der Auftritt normal sein. Die anderen Regierungschefs staunten schweigend, aber ihre Blicke sprachen Bände.
Nun steht Biden vor einer Wiederwahl und ganz Amerika fragt sich mittlerweile, ob der Mann überhaupt noch zurechnungsfähig ist. Die Vorfälle häufen sich nun dramatisch. Das Weiße Haus bemüht sich, will all die Videos mit falschen Ausschnitten oder Kamerawinkeln sowie böswilligen republikanischen Meinungsmachern erklären. Am 28. Februar gab Sprecherin Karine Jean-Pierre das jährliche ärztliche Memorandum von Bidens Amtsarzt Kevin O´Connor heraus, in dem dieser dem Präsidenten beste Gesundheit attestierte. Der Hautkrebs, seine Schlaf Apnoe, eine Wurzelbehandlung, Fußschmerzen und auch sein Heuschnupfen seien in guter Behandlung. „Der Präsident ist ein gesunder, aktiver, robuster 81jähriger Mann, der weiterhin fit ist um erfolgreich das Amt des Präsidenten und Commander in Chief ausüben zu können“.
Wir Nichtmediziner sind erstaunt. Kein Wort von senilen Aussetzern oder „Senior Moments“. Kann es wirklich sein, dass seinem Arzt gar nichts, nicht einmal eine winzige Kleinigkeit an der Zurechnungsfähigkeit des Commander in Chief auffiel? Bekommen wir doch mittlerweile fast täglich Bilder gezeigt, die eine andere Sprache sprechen. Schauen wir uns nur die vergangene Woche an.
Am 7. Juni, also nur Tage vor dem Vorfall mit Giorgia Meloni, drehte Biden sich bei einem Besuch in der Normandie anläßlich des D-Days, einfach von seiner Frau Jill und dem Ehepaar Macron weg und schaute ins Nichts. Alle drei waren kurz irritiert, drehten sich dann aber solidarisch ebenfalls in diese Richtung.
Beim Juneteenth-Konzert am 10. Juni im Weißen Haus schien Biden während des Auftritts des Gospelsängers Kirk Franklin plötzlich wie eingefroren zu sein und bewegte sich nicht mehr. Ein Moment, der schnell viral ging.
Zwei Tage später, am 12. Juni konnte er sich nach nur drei Sekunden nicht mehr daran erinnern, dass er die Hand von Chuck Schumer bereits geschüttelt hatte und wollte sie ihm erneut entgegenstrecken.
Papst Franziskus war am 14. Juni wahrscheinlich hochgradig überrascht, als Biden seine Stirn an der des im Rollstuhl sitzenden Papstes rieb. Javier Milei, der Präsident Argentiniens, schaute aus dem Hintergrund mehr als ungläubig auf die Szene.
Auf X gibt es ganze Heerscharen von Videos mit Bidens „Senior Moments“. Eine Best of Reihe, die „Senior moments of the week“, war bei Redaktionsschluss bei Ausgabe 97 angekommen. Hier wird klar, der Moment ist längst kein Einzelfall mehr, sondern die bittere Regel.
Auf die Frage einer ABC-Reporterin, was er 2/3 der amerikanischenWähler zu sagen hatte, die nicht möchten, dass er erneut kandidiert, da sie sich Sorgen um seine geistigen Fähigkeiten machen antwortete Biden nur: „Watch me“. Er scheint keine Angst davor zu haben, dass die Wähler das tatsächlich tun könnten.