Tichys Einblick
Nationalratswahl Österreich

Der K(r)ampf, Kickl jetzt als Österreichs Kanzler zu verhindern

Knapp 30 Prozent der Stimmen für Österreichs rechte FPÖ und damit Platz 1: Eigentlich wäre nun selbstverständlich, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl als Bundeskanzler in einer Koalition mit der ÖVP oder der SPÖ das Land regieren wird. Eigentlich. Von Richard Schmitt

FPÖ-Chef Herbert Kickl, Wien, Österreich, 29. September 2024

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andreea Alexandru

Knapp 30 Prozent der Stimmen für Österreichs rechte FPÖ und damit Platz 1 bei der aktuellen Nationalratswahl. Eigentlich wäre nun selbstverständlich, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl als Bundeskanzler in einer Koalition mit der ÖVP oder der SPÖ das Land regieren wird. Doch das soll mit aller Kraft von der machtgewohnten ÖVP sowie von den Sozialdemokraten verhindert werden: Kickl soll mit der Regierungsbildung scheitern, dann wäre der Weg frei für eine Neuauflage von Uraltem – einer ÖVP-SPÖ-Regierung. Oder es kommt noch eine ganz besondere Überraschung.

Schmerzhaft musste die einst mächtige SPÖ feststellen, dass mit dem Aufmalen von Hitler-Bärtchen auf Kickl-Plakaten und dem Propagieren neuer Steuern im Hochsteuerland Österreich kein Wahlerfolg zu schaffen ist: Andreas Babler (51), der Bundesparteivorsitzende der Sozialdemokraten, lieferte mit nur 21 Prozent das schlechteste SPÖ-Wahlergebnis seit 1945 ab.

Und ÖVP-Chef Karl Nehammer (51) musste festellen, dass die Österreicher ein Gedächtnis besitzen, das zumindest drei Jahre zurückreicht: Die Schikanen der schwarz-grünen Bundesregierung gegen die eigene Bevölkerung während der Corona-Zeit und die boshaften Aussagen seiner Minister gegenüber Impfkritikern sind längst nicht vergessen. Die ÖVP verlor im Vergleich zur Wahl 2019 mehr als 11 Prozentpunkte.

Und ausgrechnet diese beiden Wahlverlierer wollen die Debakel in einen Sieg drehen: Dazu müssten sie nur verhindern, dass Herbert Kickl (55) entweder die ÖVP oder die SPÖ als Koalitionspartner gewinnt. Die Folgen der Verweigerung gegenüber der FPÖ: Die Mitte-Rechts-Partei ÖVP könnte mit Hilfe der Sozialdemokraten die Rechtspartei Kickls vom Regieren fernhalten – die FPÖ wäre dann erneut in der Opposition (und würde vermutlich spätestens 2029 noch weit mehr Stimmen holen).

Allerdings könnte alles noch etwas dramatischer verlaufen: Die starken Landeshauptleute der ÖVP in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg könnten mit Vehemenz gegen eine gemeinsame Regierung mit der SPÖ auftreten. Sie koalieren ja in ihren Landesregierungen recht entspannt mit der FPÖ. Somit wäre möglich, dass auch eine ÖVP-SPÖ-Koalition mit überzogenen Forderungen bei den Verhandlungen torpediert wird und so selbst nach Weihnachten noch immer keine funktionsfähige Bundesregierung steht.

In diesem Fall, so meinen Partei-Insider der ÖVP, könnte ein spektakuläres Comeback die Volkspartei retten: Lässt sich zu Beginn 2025 eine Neuwahl provozieren (was der grüne greise Bundespräsident Alexander Van der Bellen absegnen würde), könnte Sebastian Kurz wieder auf die politische Bühne zurückkommen. Schon jetzt ist klar, was der junge Ex-Kanzler sagen würde: Er wolle eigentlich gar nicht wieder die ÖVP übernehmen, aber er sei eben so heftig gebeten worden, dieses große Opfer zu bringen, er könne sich ja nicht der Pflicht gegenüber seinem Heimatland verwehren …

Bei einem erneuten Wahl-Match Kurz contra Kickl im Frühsommer 2025 würde das Ergebnis wohl etwas anders als die aktuelle Balken-Grafik aussehen: Die ÖVP wäre dann mit kräftiger Unterstützung der von weiteren Wahlwerbe-Millionen profitierenden Mainstream-Medien vermutlich doch wieder die Nummer 1. Und Kurz würde dann die Bedingungen diktieren, wer mit der ÖVP koalieren darf.

FPÖ-Chef Herbert Kickl hat somit tatsächlich ein gewaltiges Risiko: dass sein Wahlsieg doch nur wieder in die Opposition führt.


Richard Schmitt, Journalist, Wien

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