„Schrecklicher Nihilismus.“ Der französische Kulturerbe-Beauftragte Stéphane Bern hat gegenüber der Zeitung Le Parisien deutliche Worte gefunden. Und auch der zweite Teil seiner Deutung ist klar formuliert: „Wir stehen vor dem Problem des Zusammenlebens, wenn man Kultstätten angreift.“ Der Brand der Kathedrale in Nantes wird nicht nur betrauert, er wird auch als das interpretiert, was er ist: Ein Symptom für einen Hass gegenüber den Wurzeln der abendländischen Zivilisation, der sich mit Zerstörungswut paart.
Bei weitem nicht der einzige Fall
Nantes ist mit dem Brand von Notre-Dame – hier sind die Ursachen noch immer nicht geklärt – zwar der spektakulärste Fall, aber bei weitem nicht der einzige. Im Februar letzten Jahres legten Unbekannte ein Feuer in der Kathedrale Saint Alain in Lavour. Im Januar 2019 brannte die Sankt Jakobs-Kirche in Grenoble aus. Für 2018 verzeichnet die Statistik insgesamt fünf ungeklärte Brände. Dazu kommt ein weit um sich greifender Vandalismus: 877 Fälle hat das französische Innenministerium allein für 2018 registriert.
Attentat auf das Herz der französischen Kultur
Schließlich die Überraschung: Frankreich ist das Mutterland des Laizismus. Um so mehr schlagen die Worte seitens der Politik zu Buche: Der Staatspräsident wie der Premierminister haben offenbar erkannt, dass der Anschlag auf die Kathedrale auch ein Attentat auf das Herz der französischen Kultur war. Hier zeigt sich das, was auch schon bei Notre-Dame erkennbar war: Man merkt manchmal erst, dass einem etwas wichtig ist, wenn es weg ist. Der säkulare Teil Frankreichs spürt im Moment, wie sehr auch er in der abendländischen Zivilisation wurzelt. Zumindest das ist eine schlechte Nachricht für Nihilisten.
Dieser Beitrag von Sebastian Sasse erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken dem Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.