Proteste wegen „pandemischem Notstand“, Wirtschaftsproblemen, mangelnder Demokratie
Matthias Nikolaidis
In Deutschland setzen sich die Demonstrationen gegen die Corona- und Wirtschaftspolitik fort. In ostdeutschen Großstädten kommt es dabei teilweise zur gegenseitigen Blockade verschiedener Gruppen. In Lateinamerika geht es um die Legitimität von Wahlen. In China proben einige wenige den Aufstand gegen Zero-Covid.
Es sind Demonstrationen der Unzufriedenen, die sich in den Medien nicht abgebildet fühlen und deshalb bald in großen Mengen, bald mit großer Beharrlichkeit auf die Straße gehen. Ein einheitliches Demonstrationsmotto brauchen sie nicht. Je nach Ort dominieren verschiedene Themen. Immer scheint es aber um die Unzufriedenheit mit einer Bundesregierung zu gehen, die in vielen Bereichen Politik nach Gutsherrenart betreibt, der die Meinung ihrer Wähler egal ist, die sich über Grund- und Bürgerrechte hinwegsetzt, um sich dann über harsche Kritik und beißenden Protest zu wundern.
In Ulm sprachen sich die Demonstranten am vergangenen Freitag gegen „Panikmache“ und „Lügenpolitik“ aus. Auf dem zentralen Transparent hieß es: „Wir sind die Konsequenz aus eurer Inkompetenz!“ Auch am Montag waren viele Ulmer wieder auf der Straße.
Auch in Dresden wurde am Montagnachmittag ebenso wie am Freitagabend demonstriert, mit teils beachtlicher Mobilisierung.
In Erfurt wurden 39 Transparente „wegen des Anfangsverdachts der Beleidigung“ sichergestellt. Abgebildet waren verschiedene Politiker (etwa Angela Merkel, Karl Lauterbach und Nancy Faeser) in Sträflingskleidung. Solche Transparente sind seit einiger Zeit bekannt. Nun soll offenbar ein Beleidigungstatbestand greifen.
Das Klima in der thüringischen Landeshauptstadt blieb auch ohne die Transparente kontrovers und stark polarisiert. Der Demonstrationszug der regierungskritischen „Bewegung Erfurt“ (mit nach amtlicher Zählung bis zu 2.000 Teilnehmern) sah sich einer Gegendemonstration („Auf die Plätze“) von etwa 1.500 Personen gegenüber. Hier war laut Polizeibericht auch der Evangelische Kirchenkreis „mit etwa 40 Personen“ beteiligt. Zeitweise wurde der Zug der „Bewegung Erfurt“ blockiert.
Im sachsen-anhaltinischen Bernburg an der Saale forderten hunderte Demonstranten „Veränderungen jetzt“ im Sinne von „Frieden, Freiheit, Selbstbestimmung“.
Wirtschaftliche Ängste beherrschen den Protest am Sonntag in Düsseldorf: „Deutschland wird zum Armenhaus“ – „Macht endlich die Ampel aus“.
Am Montagabend war ein beträchtlicher Teil der Meininger Bürger auf der Straße zum Spaziergang unter weitgehendem Verzicht auf politische Slogans und Transparente.
Ähnliche Bilder aus dem sächsischen Radeberg.
Im baden-württembergischen Heidenheim prangerten die Demonstranten gemäß ihrem Haupttransparent vor allem das „ReGIERungsversagen“ in Sachen Energiekrise und Inflation an, das zur Verarmung führe.
Auch in Chemnitz ging es – laut Haupttransparent – erneut um Wahrheit, Freiheit, Frieden.
Politische Bedenken in Österreich, wirtschaftliche Probleme in Spanien
Am Sonntag fand ein Protest am Fuß des Schlosses im österreichischen Steyr statt.
Auch die Bürgerinitiative Salzburg vereinte Bürger der Alpenstadt zum Protest gegen die „kommunistische grüne Hölle“ und für den Frieden (laut Transparenten).
In Madrid gab es am Wochenende Proteste für eine bessere Finanzierung des Gesundheitssystems.
Daneben protestieren LKW-Fahrer gegen die hohen Benzinpreise und nachteilige Arbeitsbedingungen.
Querelen ums Wählen in Mexiko und Brasilien
In Mexiko gibt es einen breiten Bürgerprotest gegen die Umgestaltung beziehungsweise Abschaffung der unabhängigen Wahlbehörde, angeblich um den Wahlprozess effizienter zu machen.
In Brasilien setzen sich die Proteste der Bolsonaro-Anhänger fort, auch mit Unterstützung von Truckern.
China setzt die Repression fort – und erntet teils Widerspruch
Die Bürger des chinesischen Guangzhou (und des umgebenden Guangdong) sind von einem strikten Lockdown betroffen. Straßen und Plätze sind menschenleer, im Innern der Häuser werden Türen von Personen im Ganzkörperanzug („Covid troopers“) auf- oder zugeschweißt. Mancherorts rebellieren die Bürger, unter anderem mit der Zerstörung eines der Testzentren.
Sollte es in China wirklich noch eine epidemische Situation geben, dann müsste man die angeordneten Massentestungen als Superspreader-Events einordnen.
Aus Lanzhou erreichen uns Bilder eines neu errichteten Isolationslagers zur „Epidemie-Prävention“. Auffällig ist die abgeschiedene Lage des Zentrums zwischen zwei Höhenzügen.
Innen eine Atmosphäre zwischen Lazarett und Feldlager. Sollten diese Bildberichte zutreffen, dann werden tausende augenfällig gesunde Chinesen aufgrund positiver Corona-Tests in Lagerhäuser gesperrt. Der Wille zur Isolation des Virus scheint immer noch das Handeln der Pekinger Führung zu dominieren. Daneben fällt die Duldsamkeit auf, mit der die betroffenen Bürger die Maßnahme hinnehmen.
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