Das dänische Modell könnte vielleicht doch schneller als gedacht Schule in Europa machen. Nachdem die sozialdemokratische Minderheitsregierung von Mette Frederiksen mehrere gewichtige Reformen zum Themenbereich Asyl, Migration und gegen Parallelgesellschaften vorgelegt hat, kam bald Kritik von Sozialdemokraten und Grünen aus verschiedenen Ländern, doch vor allem vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) und der EU. Der UNHCR-Vertreter für Skandinavien und das Baltikum, Henrik Nordentoft, hielt das Gesetz für »unvereinbar mit den Prinzipien der internationalen Flüchtlingszusammenarbeit«. Gibt es so etwas wie eine internationale Zusammenarbeit in Sachen Flucht? In dem Fall hätte das zuständige UN-Kommissariat viel zu tun.
Doch es gab auch positive Reaktionen: Bei seinem Blitzbesuch in Dänemark bezeichnete der österreichische Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) die Maßnahmen als einen möglichen »Impulsgeber für Europa«. Vor allem die Asylzentren außerhalb der EU standen da im Brennpunkt, aber auch die verstärkten Bemühungen um Abschiebungen nach Syrien. Hier müsste auch die europäische Diplomatie ins Spiel kommen, die in dieser Hinsicht zu lange geschwiegen hat. Die österreichische Regierung ist derzeit dabei, zusammen mit Partnerländern auf dem Westbalkan für Abweisungen und effizientere Abschiebungen in Drittstaaten zu sorgen.
Nun also Deutschland. Was könnte da kommen? Zum einen ist klar, auch wenn man es wegen Corona und EM noch nicht so richtig bemerkt hat: In Deutschland ist Wahlkampf. Da darf man sich eigentlich nicht über pointierte Äußerungen von Politikern wundern. Allerdings geben die traurigen Ereignisse in Würzburg und Wien auch Anlass genug, um einmal grundsätzlich über das bundesdeutsche Aufenthaltsrecht und Asylsystem zu sprechen.
Insgesamt gibt es wohl um die 290.000 Ausländer ohne gültigen Aufenthaltsstatus. Die Zahl ist seit Jahren etwa konstant, wie die Diakonie Deutschland weiß. Da aber nur wenige abgeschoben werden (laut Bild nur etwa ein Dreißigstel in jedem Jahr; 2020: 10.800 Personen), muss es viele Legalisierungen und vielleicht einige freiwillige Rückreisen geben. In dänischen Ausreisezentren steht den Migranten nur das Nötigste zur Verfügung. Die Unterkünfte sind »bewusst Minimalstandard«. So will man die Ausreisepflichtigen an ihre Pflicht erinnern. Daneben stehen großzügige Beihilfen zur Verfügung, die den neuen Anfang im Heimatland um einiges erleichtern sollten.
FDP für Asylzentren in Drittstaaten?
Überraschend weit folgt Linda Teuteberg (FDP) dem dänischen Vorbild in Sachen Asylzentren. In ihrem Programm fordert auch die FDP »ausreichend Abschiebehaftplätze« und die »konsequente Durchsetzung der Ausreisepflicht« in Deutschland. Teuteberg geht darüber hinaus, wenn sie »faire Vorprüfungen« von Asylanträgen in »Drittstaaten vor den EU-Außengrenzen« fordert. Das sei »ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung«. Oder das wäre er, denn in Deutschland steht ein solcher Schritt wohl nicht an. Und was sagt eigentlich das FDP-Wahlprogramm zu solchen Ideen? Nichts! Allerdings finden sich einige Aussagen zu den angeblich illegalen Zurückweisungen (»Pushbacks«) im Mittelmeer, an denen auch Frontex beteiligt sein soll. Diese seien »sehr ernst zu nehmen«.
Die AfD übernahm eine Position von Otto Schily
Der Bundestagsabgeordnete der AfD, Roman Reusch, schlug schon 2018 die Unterbringung krimineller Ausländer in Zentren außerhalb der EU vor: »Das wird Geld kosten, aber sicher deutlich weniger, als diese Leute hier kosten. Und vor allem: Niemand kommt in unserem Land durch diese Leute mehr zu Schaden.« Damit wäre der inneren Sicherheit »massiv gedient«. Dabei verwies Reusch auf das Stockholmer Programm von 2007 und die darin vorgeschlagene Drittstaatenlösung, zu deren Anhängern in Deutschland auch der ehemalige Innenminister Otto Schily (SPD) gehörte.
Für den Grünen-Renegaten Schily war schon 1999 »das Boot voll« und die »Grenzen der Belastbarkeit durch Zuwanderung« erreicht. In jenem Jahr gab es 138.319 neue Asylbewerber, wie der Cicero sich erinnerte. Im April 2004 setzte Schily dann die Festlegung sicherer Drittstaaten im EU-Rahmen durch, wodurch Zurückweisungen an der Grenze möglich wurden. Im Sommer desselben Jahres forderte Schily auch Asylzentren (»Aufnahmeeinrichtungen«) in Nordafrika. »Schily wollte Marineschiffe im Mittelmeer patrouillieren lassen, um Flüchtlingsboote aufzuspüren und die Insassen anschließend nicht etwa nach Europa, sondern in eben jene Lager an der nordafrikanischen Küste zurückzubringen«, schrieb die Welt später darüber. Moralisch anstößig konnte Schily das nicht finden, Migranten mit Schutzbedarf könnte man ja immer noch in der EU aufnehmen. Doch aus diesem Vorschlag wurde bekanntlich nichts.