Japaner können ziemlich hellsichtig sein. Der 1988 äußerst erfolgreiche Cyberpunk-Animefilm „Akira“ spielte im Jahr 2020 und Tokio sollte in diesem Jahr die Olympiade austragen. Doch es herrschte ein katastrophaler Ausnahmezustand, und an einer Wand war plötzlich zu lesen: „Sagt Olympia einfach ab!“ Nun sind die Spiele zumindest verschoben.
Täglich kommen positive Meldungen aus China
Wie in einem weniger gut gelungenen Film glaubt man sich, wenn man die jüngsten chinesischen Äußerungen zur Beruhigung der Corona-Krise liest. Aus China kommen täglich positive Meldungen, dass das Corona-Virus besiegt sei. Was ist an solchen Nachrichten dran? Entschiedene Zweifel haben an den chinesischen Erhebungen japanische Wissenschaftler. Der Wirtschaftsprofessor an der Kaetsu-Universität in Tokio und frühere Mitarbeiter im Finanzministerium, Takahashi Yoichi, hat im Fernsehen und auf Twitter starke Bedenken geäußert, dass die Infektionen in China wieder auf Null zurückgegangen sind. Am Beispiel einer Grafik, die die Infektions-Kurven der am meisten betroffenen Länder vergleicht, zeigt er, dass die meisten Kurven ab dem 20. Februar etwa steil ansteigen, während die Kurve in China ab dem 16. Februar plötzlich in die Waagerechte übergeht. Infektionskurven können aber nur abflachen. Chinesische Behörden bestätigten diese Beruhigung an der Corona-Front. Der Wirtschaftsexperte hält dies aus statistischen Gründen jedoch für ausgeschlossen, die Abnahme der Fälle sei so schnell nicht möglich.
Extreme Ausschläge machen stutzig
Auch hat der gebürtige chinesische Kulturkritiker Seki Hei, der 2007 die japanische Staatsbürgerschaft angenommen hat, in verschiedenen Medien seine Zweifel an den Infektionszahlen geäußert. Auch er glaubt nicht, dass sich die Lage in Wuhan und in China generell beruhigt hat. Grundsätzliche Bedenken hat er an den chinesischen Messungen. Extreme Ausschläge machen stutzig. So habe es nach chinesischen Angaben in der Provinz Hubei sowie in Wuhan am 11. Februar 2.015 Infizierte gegeben, am 12. Februar war der Stand 15.152 und am 13. Februar 2.641. Solche Sprünge hält er für unmöglich, wie er in „Newsweek japanisch“ schreibt. Ihm fiel auf, dass die chinesische Regierung der Ziel „Null Neuinfektionen“ ausgab, wovon sie sich dann aber verabschiedete, um die Zahlen verschleiern zu können – indem Patienten andere Krankheiten bescheinigt wurden und weil man um jeden Preis die Wirtschaft ankurbeln wollte.
Inzwischen gibt sich China als der großzügige Helfer in der Not. „Nur China kann uns helfen“ – solche Überschriften wie die aus der Tageszeitung „Die Welt“ kann man in diesen Tagen häufig lesen. Aus Japan war schon Anfang März berichtet worden, dass der chinesische Präsident Xi Jinping erklärt hatte, ab Ende Februar dürfe es keine Ansteckungen mehr geben. Offenbar haben die Viren auf ihn gehört.
Inzwischen ist es China, das stark von der Seuche betroffenen Ländern wie Italien Hilfe anbietet. Auch Japan, das bei Ausbruch der Krise unter anderem Mundschutz nach China geschickt hatte, soll nun seinerseits Mundschutz bekommen, trotz weniger Erkrankungen. Nicht nur das, China hat mit seiner Propaganda-Politik auch die Opferrolle übernommen. „Es solle sich eigentlich um eine amerikanische Krankheit handeln, die möglicherweise von Mitgliedern der US-Armee eingeschleppt wurde, die Wuhan im Oktober besuchten“, berichtet das Magazin „Cicero“ unter der Überschrift „Wie Xi Jinping die Krise für staatliche Propaganda benutzt“.
Statistiken scheinen falsch zu sein
Auch in den USA wird Zweifelhaftes über die Tests berichtet. Eine Studie, die im „Nature Magazin“ erschien, legte offen, dass in Wuhan wegen des überlasteten Gesundheitssystems leichte Corona-Erkrankungen in den Statistiken unberücksichtigt blieben, das aber die Bevölkerungsgruppe als repräsentativ ansah, die aus Wuhan ausgeflogen wurde. Und die Wachstumsrate wurde einfach anhand der ersten Fälle geschätzt. Die hochpolitischen Infektionszahlen werden wohl erst später geklärt werden.
Dieser Beitrag von Andreas Riebel ist zuerst bei Die Tagespost erschienen