In den letzten Jahren hat die Christenverfolgung in Asien an medialer Berichterstattung gewonnen; sie bleibt aber weiterhin ein mediales Randphänomen. Dass in Indien die Bewegung von Hindu-Nationalisten erstarkt ist, und nicht nur die Regierung, sondern auch lokale Bewegungen das Leben von Muslimen wie Christen erschweren, flackert nur dann als Meldung auf, wenn etwa wie 2023 in Manipur die Kirchen brannten.
Zur Erinnerung: Im Mai 2023 eskalierte die Situation in dem indischen Bundesstaat. Christenfeindliche Ausschreitungen der hinduistischen Meitei gegen die christlichen Kuki-Zo endeten damit, dass 7.000 Häuser von Christen sowie 350 Kirchen zerstört wurden. Die christliche Hilfsorganisation Solidarity International (CSI) geht von 146 Toten und 41.000 Vertriebenen in diesem Kontext aus. Die Lage entzündete sich an einem Behördenbeschluss, der die Meitei bevorzugte.
Obwohl Indien laut Verfassung ein säkularer Staat ist, haben Vertreter des Hindunationalismus eine Bevorzugung des Hinduismus und eine Benachteiligung anderer Religionen in der Vergangenheit immer stärker propagiert. Die Diskriminierung und Verfolgung äußert sich aber nicht nur in ethnisch aufgeladenen Konflikten wie Manipur.
Während der Wahlen im Mai 2024 gab es mehrere Übergriffe auf Christen. Im Bundesstaat Punjab wurden ein Pastor und sein Bruder von Sikh-Extremisten angegriffen. In Zentralindien gab es einen Überfall auf einen Pastor und Gemeindemitglieder, die der Mission bezichtigt wurden. Die Polizei verhaftete nicht die Angreifer, sondern die Christen. Der Hilfsorganisation Open Doors, die Indien auf Rang 11 des Weltverfolgungsindexes setzt, sagt ein Beobachter:
„In jedem Dorf werden Extremisten mit der Hindutva-Ideologie indoktriniert und für die Durchführung von Bekehrungen ausgebildet. Wir versuchen, die christliche Gemeinschaft mit Programmen und Schulungen zur Vorbereitung auf die Verfolgung zu erreichen. Die Kirche braucht weiterhin unser Gebet und unsere Unterstützung, um in schwierigen und herausfordernden Zeiten standhaft zu bleiben.“
Eine Partnerin der Hilfsorganisation erzählt:
„Jeden Tag werden Vorfälle gemeldet. Christen werden in ganz Indien verfolgt. Es gibt keinen einzigen Staat, der für sie sicher ist. Pastoren und andere Gläubige werden angegriffen, bedroht und unter falschen Anschuldigungen verhaftet, während Kirchen und christliche Einrichtungen angegriffen oder zur Schließung gezwungen werden. Der Hass und die Diskriminierung gegen die christliche Gemeinschaft sind ungebrochen.“
Während sich in Indien religiöse mit ethnischen und ideologischen Fragmenten vermischen, ist die Lage in der Volksrepublik China klarer. Das kommunistische Regime hat die Christen stets als unsichere Parteigänger betrachtet, die aufgrund ihrer Religion als Störenfriede gelten, so sich nicht der Parteidisziplin unterordnen. Auch deswegen ist bis heute unklar, wie groß die „Untergrundkirche“ wirklich ist, die aus verschiedenen christlichen Konfessionen besteht, und nicht von den staatlichen Stellen kontrolliert wird. Der so eifrig umworbene Handelspartner steht im Christenverfolgungsindex von Open Doors immerhin auf Platz 19.
Hier hat die Corona-Krise der chinesischen Regierung die einmalige Möglichkeit geboten, effektiv gegen christliche Gemeinden vorzugehen. Fachleute gehen davon aus, dass unter Xi Jinping tausende Kirchen geschlossen und zerstört wurden. Besonders betroffen seien die Hauskirchen gewesen. Gemeinden konnten aufgrund der strengen Vorschriften aufgelöst und verboten werden. In Deutschland haben die Kirchen bekanntlich freiwillig auf Messbesucher verzichtet, in China bot der Besuch des Gottesdienstes den Vorwand, um gegen die Christen vorzugehen und Hauskirchen in kleinere Gruppen zu „sprengen“.
Wer China sagt, muss auch Nordkorea sagen. Nicht nur, weil der Kommunismus hier in seiner pervertierten Form ein deutlich brutaleres Terrorregime errichtet hat; sondern auch, da es nicht zuletzt nur aufgrund der gönnerhaften Haltung Pekings überhaupt überleben kann. Der Geheimdienst durchsucht Wohnungen nach christlichen Materialien, deren Aufbewahrung als Verbrechen eingestuft wird. Selbst im Privaten ausgeübte religiöse Akte gelten als „Akt extremer Untreue“, wie Open Doors schreibt. Eltern laufen Gefahr, dass sie von den eigenen Kindern denunziert werden. Auf öffentlich zelebrierte Taufe stehen Gefängnis oder gar Hinrichtung.
Im Jahr 2024 ist jedoch in Asien vor allem ein Land in den Vordergrund gerückt: Bangladesch. Das Land galt bis zum Umsturz im August 2024 als säkular. Nach Protesten wurde der Ministerpräsident Sheikh Hasina zum Rücktritt gezwungen. Wie CSI berichtet, scheint aber der derzeitige Interimspräsident Muhammad Yunus „machtlos, die zunehmende Islamisierung zu verhindern“.
Nach dem Sturz der Regierung am 5. August seien innerhalb von 48 Stunden rund 400 Gebäude von religiösen Minderheiten angegriffen worden, worunter Hindus und Christen zählen. In dem mehrheitlich muslimischen Land leben derzeit rund 500.000 Christen, etwa 400.000 davon sind Katholiken. Das Land zählt rund 170 Millionen Einwohner, von denen 17 Millionen sich religiösen Minderheiten zählen – die größte davon sind Hindus mit 14 Millionen.
Die besondere Stellung der Christen hängt jedoch damit zusammen, dass sie zahlreiche Bildungseinrichtungen betreiben; die acht Diözesen der katholischen Kirche in Bangladesch unterhalten 1.000 Schulen, Hochschulen, Universitäten, technische Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser und Waisenhäuser laut Vatican News.
Der Konflikt in Bangladesch, den man vor wenigen Jahren noch nicht erwartet hätte, hängt stark mit der eigenen Identifikation zusammen: Die Front verläuft zwischen Anhängern eines bengalischen Nationalismus, die Kultur und Sprache betonen, sowie religiösen Fundamentalisten, die eher im Islam das verbindende Element suchen.
Der ehemalige Regierungschef Hasina gehörte eigentlich der ersten Gruppe an. Als seine Macht zu wackeln begann, bediente aber auch er sich christenfeindlicher Narrative, etwa, dass die Christen einen Separatistenstaat zwischen Indien, Bangladesch und Myanmar anstrebten. Die ethnisch-christlichen Minderheiten in Manipur (Kuki-Zo) und Myanmar (Karen) gelten also überregional als Unruhestifter und Sündenböcke.
CSI berichtet, dass seit dem Umsturz die Hizb ut-Tahrir, eine weltweite islamisch-fundamentalistische Bewegung, ihre Macht vor Ort ausgebaut hätte, mit dem Ziel, einen rein islamischen Staat aufzubauen – wovon auch die Millionen Hindus und Buddhisten betroffen wären. Mobs der Hizb ut-Tahrir bedrohten Hindus und Christen auf offener Straße. „Sie trugen Schwerter und Schusswaffen bei sich“, berichtet ein Partner von CSI. „Fünf Nächte hintereinander haben sie alle Christen in der Gegend bedroht. Sie haben die Türen mit Kreuzen markiert.“
Weiter erklärt der Beobachter: „In öffentlichen und privaten Universitäten, Hochschulen, Gymnasien und Grundschulen wurden Schulleiter und Lehrer, die Minderheiten angehören, zum Rücktritt gezwungen und ihre Posten an die Anhänger der [islamistischen Partei] Jamaat-e-Islami vergeben. Jetzt, wo der Prozess im Gange ist, wird davon ausgegangen, dass keine Angehörigen religiöser Minderheiten mehr als Lehrer in irgendeiner Bildungseinrichtung eingestellt werden.“
Christen seien zudem aus Justiz und Strafverfolgungsbehörden entlassen worden. Sie haben auch keinen Vertreter in der gegenwärtigen Regierung.
Das Beispiel Bangladesch ruft in Erinnerung, wie schnell auch vermeintlich säkulare Systeme kippen können, und nicht nur die Existenz der christlichen Minderheit infrage stellen. Hasinas Strohhalmargumente zeigen außerdem auf, dass Christenhass eine salonfähige Strategie ist, um die eine Herrschaft doch noch zu legitimieren. Während in China und Nordkorea der säkular-sozialistische Gedanke bei der Christenverfolgung dominiert, sind es in Indien und Südostasien nationalistische und fundamentalistische Strömungen, die nicht zuletzt darauf basieren, andere Ethnien und Religion als etwas prinzipiell Fremdartiges zu begreifen, das der „reinen Lehre“ widerspricht.
Dass dies auch in Kontrast zu historischen Fakten und kulturellen Traditionen stehen kann, spielt in diesen modernen Interpretationen keine Rolle. Thomaschristen gibt es in Indien seit dem 1. Jahrtausend. Das Christentum ist, anders als suggeriert, keine bloße Erscheinung des Kolonialismus – als Vasco da Gama den Seeweg nach Indien erschloss, waren die Portugiesen überrascht davon, dass bereits Christen in Indien lebten. Marco Polo hat im 13. Jahrhundert zahlreiche christliche Gemeinden in Zentralasien, China und Indien besucht, bei denen der Venezianer auch immer wieder Unterkunft fand. Wer die Verfolgung der asiatischen Christen als zweitrangig ansieht, sollte sich vor Augen halten, dass das Christentum dort nicht zum ersten, sondern zum zweiten Mal zu ersticken droht.