Trotz Energiekrise schwingt China den außenpolitischen Hammer. Ein guter Seismograf sind die Artikel der „Global Times“, die als internationales Verlautbarungsorgan der kommunistischen Partei der Volksrepublik fungiert. Ähnlich wie die Prawda handelt es sich dabei weniger um eine Beschreibung der Weltlage, denn vielmehr eine Darstellung, wie sie die Machtelite gerne selbst sieht. Drohungen gegen Taiwan, Demütigung der USA und Beschwörungen des chinesischen Wegs in der Welt gehören darin zum Tagesgeschäft.
Man kann solche theoretischen Spielereien für blanke Rhetorik halten. Europa ist das martialische Auftreten der Großmächte nicht mehr gewöhnt, und damit auch nicht mehr den Bluff, der hinter vielen Drohungen steckt. Doch China ist kein Papiertiger und Taiwan trennt vom Festland nur die Formosastraße von weniger als 200 Kilometern Breite. Zum Kerngeschäft kommunistischer Propaganda-Arbeit gehört die Beschwörung des Friedens bzw. einer „friedlichen Wiedervereinigung“, indes man im selben Artikel mit Propagandakunst schmückt. Darauf abgebildet: die siegreiche Volksarmee, die heldenhaft voranstürmt und den Präsidentenpalast des Inselstaats beschießt.
Das neue pazifische Bündnis aus Australien, UK und USA (AUKUS) ordnet Peking als Angriffsbündnis ein, das zu einem Atomkrieg bereit sei, um die globalen chinesischen Ambitionen einzuhegen. Bei der Taiwan-Frage geht es demnach um mehr als die bloße Existenz eines demokratischen und wirtschaftlich prosperierenden Tiger-Staates. An ihr entscheidet sich gleichzeitig, welche Weltmacht den Globus dominiert. China kann es allein aus Prestigegründen nicht ewig dulden, dass eine „abtrünnige Provinz“ als Überbleibsel des chinesischen Bürgerkriegs (1927-1949) fortbesteht. Der Fall Taiwans hätte dagegen enorme Sprengkraft für USA. Als dominierende Pazifikmacht seit dem zweiten Weltkrieg hätte sie ein großes Glaubwürdigkeitsproblem gegenüber seinen Alliierten in Seoul, Manila und Tokio und verlöre einen strategischen Brückenkopf.
Aber nicht nur Australien darf für seinen Ungehorsam bezahlen. Der andere ungelöste Territorialkonflikt betrifft die Grenze zwischen China und Indien. Zehntausende Soldaten stehen sich dort gegenüber. Obwohl das Sino-Indische Verhältnis seit Jahrzehnten angespannt ist, hatte man auf internationaler Bühne lange das professionelle diplomatische Geschäft gewahrt. Doch die Spannungen nehmen zu – und kommen deutlicher denn je an die Öffentlichkeit. Der bis heute umstrittene Grenzverlauf zwischen den beiden größten Ländern Asiens sollte letzte Woche bei einem Treffen von Armee-Chefs beigelegt, oder zumindest entspannt werden. Nichts davon passierte. Beide Seiten beschuldigen sich, das Treffen absichtlich boykottiert zu haben.
Chinas Selbstbewusstsein ist also ungebrochen. Ein gewisser Teil des Säbelrasselns dürfte dabei aber auch nicht zuletzt der internen Situation geschuldet sein. Die Volksrepublik tritt als benevolente Supermacht auf, die neulich wieder Taikonauten ins All geschossen hat und deren Geduld man nicht überstrapazieren sollte – während man im Inland den Strom für die Industrie rationiert und Mikrowellen und Wasserkocher verbietet. In diese Kategorie fällt auch der kürzliche Start einer Hyperschallwaffe, die nuklear bewaffnet werden kann und die Erde umrundet hat, bevor sie ihr Ziel traf. Die Rakete verfehlte dieses zwar um mehrere Meilen. Sie führte jedoch vor Augen, dass China massiv in seine Waffentechnologie investiert hat. Das US-Militär kann Hyperschallwaffen nicht abwehren. Sie stellen keine Bedrohung für mobile Ziele dar, gelten aber als Flugzeugträgerkiller – und damit als Gefahr für die weltweite Dominanz der USA, die vor allem auf ihrer Flotte und weltweit einsetzbaren Flugzeugträgern als mobile Flugplätze beruht. Die Botschaft ist klar: selbst, wenn in den Provinzen Chinas die Lichter ausgehen sollten, ist die Volksrepublik weiterhin zum Äußersten fähig.