Immer mehr Flugzeuge der chinesischen Luftwaffe drangen in den vergangenen Wochen in die Luftraumüberwachungszone Taiwans ein. Waren solche Vorfälle früher noch selten, passieren entsprechende Flüge inzwischen fast täglich – auch die Anzahl der beteiligten Flugzeuge steigt. Anfang Oktober drangen an einem Tag 56 chinesische Flugzeuge in die Zone ein, darunter mindestens 34 Kampfjets und 12 Bomber, im Januar waren es noch selten mehr als 10.
Die Volksrepublik China beansprucht die Insel Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets und vertritt diesen Anspruch immer offensiver.
Chinas Präsident Xi Jinping arbeitet seit Jahren daran, die Kommunistische Partei Chinas zum unangefochtenen Herrscher über alle von der Volksrepublik beanspruchten Gebiete zu machen. Etwa, indem er das zuvor semi-liberale, autonome Hongkong de facto gleichgeschaltet hat. Presse- und Redefreiheit gehören dort nun der Vergangenheit an. Vor allem eins zeigte sich hier: Der Westen schwieg und ließ China gewähren. Aus Deutschland hörte man außer ein paar „Sorgen“ zur Menschenrechtslage kaum etwas. Die USA waren noch die lautesten, verurteilten das Vorgehen aufs Schärfste und verhängten immerhin Sanktionen. Aber am Ende konnte niemand Xi aufhalten. Und die Freiheit in Hongkong starb einen überwiegend stillen Tod.
Xi schwärmt von der „Wiedervereinigung des Mutterlandes“
Chinas Führung sieht Amerikas Macht in der Welt im Niedergang begriffen und zweifelt insbesondere nach Bidens Chaos-Abzug aus Afghanistan daran, dass die USA ihrem Verbündeten Taiwan im Kriegsfall zur Hilfe kommen würden, auch wenn sie das zuweilen zaghaft bekunden. Das macht die Situation für Taiwan so gefährlich. Zu einer möglichen chinesischen Invasion der Insel sagte Taiwans Verteidigungsminister kürzlich: „Sie sind jetzt in der Lage, aber sie müssen kalkulieren, was es kosten würde und welche Ergebnisse sie erzielen würden.“ Bereits 2025 allerdings „hätten sie die Kosten und Verluste auf ein Minimum gesenkt“, meint er. China hat seine Marine beachtlich aufgerüstet, wohl einerseits für eine mögliche Invasion Taiwans, als auch, um den ebenfalls hochumstrittenen Anspruch auf Inseln im Südchinesischen Meer durchzusetzen. Innerhalb von zwei Jahrzehnten wurde die chinesische Marine mehr als verdreifacht; inzwischen hat man die USA, was Flottengröße angeht, überholt und ist damit weltweiter Spitzenreiter.
Chinas Präsident Xi schwört sein Regime derweil auf eine „Wiedervereinigung“ mit Taiwan ein und erklärt: „Der Separatismus Taiwans ist das größte Hindernis für die Wiedervereinigung des Mutterlandes.“ Klar ist: Chinas kommunistisches Regime wartet nur auf eine Chance. Je schwächer der Westen dasteht und je unglaubwürdiger es wird, dass er Taiwan bei einer Invasion tatsächlich zur Seite steht, desto näher rückt der Tag X. Über eines sollte man sich keine Illusionen machen: Gerade in dieser Phase der innenpolitischen Zuspitzung meint Peking es in der Taiwan-Frage todernst. Wenn der Westen seine Zögerlichkeit nicht überwindet, ist das nächste Kabul vorprogrammiert.