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Fünf Tage geplantes Chaos: Macron lässt Frankreich zum Drittweltland werden

Vielleicht ist Frankreich ja schon längst im Bürgerkrieg. Für Präsident Macron wird es immer schwerer, angesichts der wiederkehrenden Krisen souverän zu wirken. Marine Le Pen hat auf diese Krise nur gewartet.

Kabinettssitzung im Élysée-Palast – Paris, 02.07.2023

IMAGO / ABACAPRESS

In Frankreich sind die Zeitungen voll mit Kommentaren zu den letzten Tagen. Man erhebt den Blick von den Bildschirmen, auf denen man unzählige Facetten eines neuen Terrors, der über Frankreichs Städte und Vorstädte hereinbrach, gesehen hatte. Nun fragt man sich, was eigentlich geschehen ist. In einem Leitartikel für den Figaro ist die Rede vom „französischen Schiffbruch“. Das Land erwecke nach außen hin den Eindruck, zu einem Land der Dritten Welt zu werden oder schon geworden zu sein. Es ist „drittweltisiert“ durch die unintegrierten Zuwanderer, die teils schon in der dritten und vierten Generation im Lande leben, ohne dazuzugehören.

Am Montag wurden in ganz Frankreich Delegationen an die Rathäuser geschickt. So standen die Offiziellen nun mancherorts vor einem halb verbrannten Rathaus und zeigten ihre Solidarität mit dem geschlagenen Frankreich – dem Frankreich, das durch die Angriffe seiner inneren Gegner in den letzten Tagen geradezu gedemütigt worden war.

Auslöser des Solidaritätsaufrufs für die Stadtverwaltungen war der gezielte Angriff auf das Privathaus des Bürgermeisters des kleinen Städtchens L’Haÿ-les-Roses südlich von Paris, bei dem die Frau des Bürgermeisters und eines der Kinder verletzt wurden. Sie hätten im Schlaf verbrennen sollen. Es ist nicht der einzige Fall versuchter Brandstiftung. In Charly an der Rhone wurde ein Mechanismus zur Brandstiftung gefunden, bevor er Schlimmes anrichten konnte. Ein weiterer Bürgermeister erlebt den Schock seines Lebens.

„In dieser Nacht werden wir das Rathaus abbrennen“

Das Bild mit dem halbversengten Rathaus lässt tief blicken. Aber genauso auch andere Videos, in denen man das demonstrative Singen der Nationalhymne sieht. Ein bisschen war das wie das sprichwörtliche Singen im Wald: Es soll alles wieder sauber und ordentlich sein. Doch das blieb vorerst nur eine Fassade.

Unruhen erreichen Nachbarländer
Frankreich: Bürgermeister angegriffen, Polizisten fordern Durchsetzung des Rechts
Seit Beginn der Unruhen sind die Rathäuser und anderen „Symbole der Republik“ wie Schulen, Bibliotheken und Polizeiwachen zum Ziel von planvollen, teils terroristischen Attacken geworden. Der Ortsvorstand aus einem kleinen Ort im Département Val d’Oise zeigte dem Figaro, was von seinem Rathaus übriggeblieben ist. Es ist nicht viel, die Räume sind ausgebrannt, teils ist die abgehangene Decke eingestürzt. Den Eingangsbereich hatte man erst vor einigen Monaten neu gestaltet. Bürgermeister Patrick Floquet sagt, er könne sich nicht an ein ähnliches Maß an Gewalt erinnern, seit er im Jahr 1983 Gemeinderat wurde, auch davor nicht.

Die Brandstiftung am Rathaus war ihm sogar angekündigt worden: „Herr Bürgermeister, in dieser Nacht werden wir das Rathaus bis auf die Grundmauern abbrennen.“ Um ein Uhr nachts versammelten sich dann rund 50 Personen vor dem Rathaus. Auch Polizisten waren in der Nähe, sie konnten aber nicht für die Sicherheit der ebenfalls anwesenden Feuerwehrmänner garantieren. So vergingen kostbare Minuten, um das Feuer zu löschen.

Le Pen beklagt Ideologie und Laxheit – Ciotti will 5.000 Haftplätze mehr

In ihrer Ansprache zu den Unruhen aus der letzten Woche hatte Marine Le Pen gesagt, diese seit Jahren wiederkehrenden Gewaltwellen hätten inzwischen ein nie gesehenes Ausmaß erreicht und berührten alle Gemeinden des Landes, von der kleinsten bis zu den Zentren der großen Städte. Das aber führe den Regierenden endlich die Realität vor Augen, die sie aus einem Machtrausch und dank ihrer verrückten Ideologie-Konstrukte vergessen hätten. Vor allem beim Thema der Zuwanderung und bei der Justiz seien die Regierenden in der letzten Zeit blind gewesen. Die Laxheit bei der Anwendung der Gesetze zu beenden, ist das Ceterum censeo Marine Le Pens und ihre beständige Klage.

Allerlei Aktionismus wird nun in die Schale geworfen. Im Parlament forderte Éric Ciotti, Chef der Républicains, eine „quasi systematische“ Ausweitung der Haftstrafen und dafür 5.000 zusätzliche Haftplätze, um 2027 auf eine Zahl von 80.000 Plätzen in den Gefängnissen des Landes zu kommen. Nur bei Erfüllung dieser Forderung will Ciotti den neuen Gesetzestexten des Justizministers zustimmen. Der Justizhaushalt soll danach auf 11 Milliarden Euro anwachsen, zugleich sollen 10.000 neue Mitarbeiter eingestellt werden, darunter 1.500 neue Richter und Staatsanwälte.

In einer Online-Umfrage gibt es eine große Mehrheit zugunsten härterer Strafen für die Eltern der minderjährigen Randalierer und Plünderer. Laut Justizminister Éric Dupond-Moretti drohen den Eltern zwei Jahre Haft oder eine Geldstrafe von bis zu 30.000 Euro, wenn sie dabei erwischt werden, wie sie ihren halbwüchsigen Kindern nachts Diebeszüge und Gewaltexzesse gestatten. Das aber dürfte wenig mehr als eine Verbalkanonade gewesen sein. Denn wie will man es ihnen beweisen? Inzwischen fanden sich einige Mütter, die dem Treiben ihrer Söhne Einhalt geboten. Auch die Großmutter des toten Nahel rief schließlich dazu auf, die Gewalt einzustellen. Frankreich ist von solchen Vermittlern abhängig geworden, die das Wohlverhalten der zugewanderten Bevölkerung sicherstellen können.

Macron will nach den Gründen suchen: Bilanz von fünf Tagen Unruhe

Emmanuel Macron, der an diesem Montag die Vertreter des Parlaments und von mehr als 220 Gemeinden, die von den Angriffen betroffen waren, empfing, will nun angeblich eine „minutiöse und langfristige“ Suche nach den Gründen und Ursachen der Ereignisse beginnen, wie der Élysée-Palast verkündete. Man darf gespannt sein, wie tief diese Untersuchung graben wird, zu welchen Ergebnissen sie kommen wird – und ob dieselben überhaupt veröffentlicht werden. Nach der umstrittenen Rentenreform ist seine Popularität – und die seiner Regierung – ohnehin auf einem Tiefstand angekommen. Er hat kaum Glaubwürdigkeit bei den normalen Franzosen behalten, ein Problemlöser für das Land zu sein. Die ungehinderte Zerstörung des Landes durch eine Vorstadt-Guerrilla wird diesen Ruf befestigen.

In fünf Nächten der Unruhe, der Gewalt und der Plünderungen hat das Innenministerium insgesamt um die 5.000 abgefackelte Wagen verzeichnet. An die tausend Häuser wurden angezündet, 250 Polizeiwachen und Gendarmeries angegriffen, auch 429 Tabakläden. Mehr als 700 Mitglieder der Sicherheitskräfte wurden verletzt. Wie der Präsident des Verbands der Feuerwehrleute, André Goretti, sagt, hätten die Unruhestifter dieses Mal eine richtiggehende Kampfstrategie gehabt, die „würdig einer Kriegsorganisation“ sei.

Eine auf Twitter veröffentlichte Tabelle zeigt, dass die Unruhen von 2023 zwar noch nicht so lange dauern wie jene von 2005, aber im Vergleich dazu sehr viel heftiger verlaufen sind. Während damals in 21 Nächten gut 10.000 Fahrzeuge brannten, war es nun in nur fünf Nächten schon die Hälfte. Damals wurden nur 300 Gebäude meist durch Feuer beschädigt, dieses Mal also dreimal so viele. Die Zahl der eingesetzten Sicherheitskräfte hat sich vervierfacht, die der verletzten Polizisten und Gendarmen verdoppelt. Festgenommen wurden allerdings weniger Täter, was nicht unbedingt auf eine bessere Lage hindeutet: Die Polizei und Gendarmerie konnte schlichtweg nicht überall sein.

Video belegt: Polizist verhielt sich korrekt

Einige Details aus dem Fall Nahel kommen erst allmählich ans Licht und könnten die Sicht der Öffentlichkeit auf das Geschehen verändern. Laut dem Figaro hatte der minderjährige Fahrer eines gelben A-Klasse-Mercedes mit polnischem Kennzeichen zunächst eine rote Ampel überfahren, dann einen Fußgänger und einen Radfahrer an einem Zebrastreifen gefährdet, während die beiden Polizisten ihn bereits auf ihren Motorrädern verfolgten und zum Anhalten aufriefen. Anscheinend raste der führerscheinlose 17-Jährige gewohnheitsmäßig durch die Innenstadt von Nanterre. Im September hätte er wegen eines ähnlichen Falles vor Gericht gemusst. Angeblich handelte er auch mit Drogen, was wohl auch seinen Luxuswagen erklären kann.

Noch wichtiger könnte aber der nun herausgekommene tatsächliche Wortwechsel in den letzten Minuten Nahels sein. Während einer seiner Freunde aus dem Auto anfangs ausgesagt hatte, die Polizisten hätten sich gegenseitig dazu aufgerufen, auf den Fahrer zu schießen, zeigt die Auswertung des Videos durch die Generalinspektion der nationalen Polizei (IGPN), dass der Beamte Florian M. sagte: „Stell den Motor aus. Hände hinter den Kopf!“ Also keine Drohung, sondern eine polizeiliche Aufforderung, wie ein Journalist im öffentlichen Fernsehsender France 2 erläutert. Nahel soll nur erwidert haben: „Verzieh dich.“ Das könnte Auswirkungen auf das Urteil haben. Nur das Urteil der Öffentlichkeit könnte davon kaum beeinflusst werden.

Nun regen sich Politiker des links-grünen Spektrum über eine Sammelaktion zugunsten des beschuldigten Polizisten auf, die der Rechts-Politiker Jean Messiha initiiert hat. Die grüne Senatorin Mélanie Vogel sprach von einer „monströsen Botschaft“, die so an die Opfer von Polizeigewalt gesendet werde. Jean Messiha hatte festgestellt, dass der Polizist Florian M. seine Arbeit getan habe und dafür nun einen hohen Preis bezahle. Zur Unterdrückung der öffentlichen Sammelbüchse, in die bereits mehr als eine Million Euro eingezahlt wurden, könnte es höchstens bei einer Verurteilung des Polizisten kommen.

Maghrebinischer Vlogger: „Ihr seid nur im Maghreb Franzosen“

Indessen setzt sich eine gereizte Stimmung im öffentlichen Raum fort. So stehen algerienstämmige Jugendliche präpotent neben einem Panzerwagen und skandieren ihre Herkunftsidentität in die Lyoner Luft.

Auch in Lyon legten rechte Demonstranten einen Marsch vor, der am Rathaus vorbeiführte. Die Polizei setzte ironischerweise Tränengas ein.

In Angers scheint es beim Kampf von „Nationalisten“ gegen Unruhestifter zu bleiben.

Ein selbst muslimischer Vlogger beklagt, dass das alles nichts mit dem Tod von Nahel zu tun habe. Schulen werden angegriffen, Mütter zum Stehlen im Lidl geschickt. In Paris wurden wilde Tiere, darunter Zebras und Löwen (!), aus dem Zoo freigelassen. Der Vlogger Bassem ruft den Randalierern zu: „Ihr seid nur im Maghreb Franzosen.“ Und: „Ihr habt Nael ein zweites Mal getötet.“ Ihre Taten begingen die kriminellen Jugendlichen nur um des „buzz“ und des „flash“ willen, also das, was man in Deutschland wohl auch als „fame“ bezeichnet.

Für Macron ist es eine weitere Niederlage. Der Präsident, der einst die verlorenen Gebiete für die Republik zurückerobern wollte, hat sich an genau dieser Flanke als sehr verwundbar erwiesen. Die „Organisation“ der Unruhestifter hat die Widerstandskraft des französischen Staates überfordert. All das lässt mindestens auf rechtsfreie Räume schließen, auf die die französische Polizei keinen Zugriff mehr hat – und noch immer nicht wieder errungen hat.

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