Tichys Einblick
Kampf um die Meinungsfreiheit

Causa Räsänen: Mit der EU könnte die Ehe von Mann und Frau zur „Hate Speech“ werden

Der neu aufgerollte Prozess gegen Päivi Räsänen könnte Brüssel dazu dienen, in Zukunft „Hate Speech“ zum EU-weiten Straftatbestand zu machen. Wer die Ehe von Mann und Frau als einzig gültig postuliert, oder "genderunsensibel" redet, könnte wie die finnische Innenministerin enden.

Die ehemalige finnische Innenministerin Päivi Räsänen soll wegen "Hate Speech" verurteilt werden. Es könnte ein Präzedenzfall für eine EU-Regelung werden.

ADF International

Der Fall Päivi Räsänen ist ein Stellvertreterkrieg um die Meinungsfreiheit. Er könnte zum Präzedenzfall werden, wenn es um die roten Linien des Sagbaren geht – und Religionsfreiheit wie traditionelle europäische Werte auf den Index setzen. Die Polizei ermittelte seit 2019 gegen die überzeugte Lutheranerin, weil sie die Kooperation ihrer Kirche mit der „Pride“-Bewegung kritisierte.

Urteil gegen "Hassrede"
Finnland: Ein historischer Sieg für die Meinungsfreiheit
Ein Tweet, in dem sie eine Passage aus dem Römerbrief zitierte, wurde zum Stein des Anstoßes. Bei weiteren Ermittlungen musste eine zwanzig Jahre alte Broschüre herhalten, um die „Hate Speech“ von Räsänen zu untermauern: Darin hatte sie gemeinsam mit Bischof Juhana Pohjola das traditionelle christliche Verständnis von Ehe und Familie vertreten. Der Titel? „Als Mann und Frau erschuf er sie“. Pohjola landete ebenfalls auf der Anklagebank.
Beide Seiten wollen einen Präzedenzfall

Die Inszenierung erinnerte an einen Schauprozess. Der Staatsanwaltschaft war bereits die christliche Devise „Liebe den Sünder, hasse die Sünde“ zu viel, ja, das Wort Sünde allein sei bereits „verletzend“. Für den Beobachter war von Anfang an klar, dass hier ein Exempel statuiert werden sollte, wie weit der Moloch der neuen woken Ideologie gehen konnte. Zur Erleichterung der meisten Beteiligten endete der Prozess mit Freispruch. Die Kosten hatte die finnische Staatsanwaltschaft zu tragen. Es war ein Sieg für die Meinungsfreiheit – aber nur ein vorzeitiger.

Am vergangenen Freitag hat die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das Urteil eingelegt. Räsänen, die als Abgeordnete im finnischen Parlament sitzt, zeigte sich „bestürzt“. Zugleich sieht sie darin eine Chance. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft könne dazu führen, dass „der Fall bis zum Obersten Gerichtshof geht, was die Möglichkeit bietet, einen positiven Präzedenzfall für die Rede- und Religionsfreiheit für alle Finnen zu schaffen“.

An dieser Stelle kann man sich zu Recht fragen: Woher kommt die Verbissenheit, mit der eine ehemalige finnische Ministerin (2011–2015) und Parteivorsitzende (2004–2015) gedemütigt und vor den Kadi gezerrt werden soll, weil sie Überzeugungen pflegt, die noch vor wenigen Jahren vielleicht nicht von allen geteilt wurden, aber dennoch als völlig akzeptabel galten? Der Gedanke liegt nahe, dass auch auf der Gegenseite der Wunsch besteht, einen Präzedenzfall zu schaffen, der in Sachen „Hate Speech“ alle Dämme brechen lässt.

Seit Dezember 2021 liegt ein Papier zur Einführung eines EU-weiten Straftatbestandes in der Schublade

Abweichende Meinungen als Verbrechen? Zweifellos regiert im linksliberalen Milieu derzeit die Panik. Ob Elon Musks Twitter-Übernahme, oder die mögliche Revision von „Roe v. Wade“ durch den US-Supreme Court: Für den hegemonialen Kurs der „Progressiven“ sieht es derzeit nicht gut aus. Doch ein Hoffnungsschimmer winkt den Erweckten und Erleuchteten am Horizont. Es handelt sich um ein Dokument der EU-Kommission, das bereits seit Dezember 2021 in der Schublade liegt. Der Inhalt? Die Ausweitung der EU-Straftatbestände auf „Hate Speech“ und „Hate Crime“.

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In ihrem Entwurf warnt die Kommission davor, dass „online wie offline“ Hetze und Hasskriminalität zugenommen hätten. Sie seien zu einem „besorgniserregenden Phänomen“ geworden. Angesichts dessen sei ein EU-weites Vorgehen erforderlich. Auf welche Daten sich die Kommission stützt – sieht man von einer einzigen angeführten Studie ab – und wieso die Nationalstaaten eine solche Regelung nicht selbst durchführen können, bleibt intransparent. Interessant ist auch die Grundlage. Nicht die Menschenrechte, sondern undurchsichtige „EU-Werte“ werden als Begründung herangezogen.

Zwar bezieht sich die Kommission etwa auf Artikel 2 und 6 des Vertrags von Lissabon. Doch woher etwa die Legitimation kommt, „alle Formen von Hassverbrechen und Hass-Sprache“ zu ächten, auch, wenn sie etwa „Genderidentität“ betreffen, bleibt vage – der Begriff findet sich in beiden Artikeln nicht. Ganz im Gegenteil ist der vor 20 Jahren beschlossene Vertrag höchst reaktionär, wenn er etwa die Zweigeschlechtlichkeit als Norm auslegt. So kennt Artikel 2 lediglich die „Gleichheit von Frauen und Männern“.

„Statt eines Mindeststandards für Meinungsfreiheit will die EU einen Mindeststandard für Zensur“

Das wird die EU-Kommission freilich nicht davon abhalten, ihre woken Ideen bald im gesamten EU-Gebiet umsetzen zu wollen – zuungunsten des freien Wortes. „Hass ist Hass – und niemand sollte sich das gefallen lassen“, steht ein Zitat von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Anfang des Dokuments. Wer in Deutschland ein „Hassverbrechen“ begeht, kann dann auch in Portugal festgesetzt werden.

Brüssel und die Nationalregierungen hätten damit ein Instrument mit unbekannten Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit in der Hand. Der Ausgang der Causa Räsänen ist daher ein Signal für die EU-Kommission. Paul Coleman, Direktor von ADF International, jener Organisation, die Räsänen vertritt, hat es im European Conservative so ausgedrückt: „Anstatt einen Mindeststandard für den Schutz der Meinungsfreiheit einzuführen, versucht die EU das Gegenteil zu tun: einen Mindeststandard für die kriminelle Zensur einzuführen. Aber ist die Verfolgung einer führenden politischen Persönlichkeit, weil sie ihre tief verwurzelten Überzeugungen teilt, wirklich etwas, was wir auf dem gesamten Kontinent großgeschrieben haben wollen?“

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