Tichys Einblick
Der Fall Britannien

Britische Öffentlichkeit und Gerichte – Douglas Murray über Tommy Robinson

Tommy Robinson machte frühzeitig auf islamische Banden von Kinderschändern in Großbritannien aufmerksam: Verbrechen, die die Organe des Staates am liebsten mit Stillschweigen übergehen. Nun wird Robinson wegen einer unüberlegten Handlung unverhältnismäßig verfolgt. Ein Beitrag von Douglas Murray.

© DANIEL LEAL-OLIVAS/AFP/Getty Images

Tommy Robinson ist ein politischer Aktivist und „Bürgerjournalist“, der in Großbritannien zu Berühmtheit gelangte, als er vor etwa einem Jahrzehnt die „English Defence League“ (Englische Verteidigungsliga) gegründet hatte. Die EDL war eine Bewegung der Straßenproteste, deren Zielsetzung am ehesten als Kampf gegen die Islamisierung zusammengefasst werden könnte. Sie war in der Stadt Luton entstanden, nachdem eine Gruppe lokaler Islamisten die Parade aus Anlass der Heimkehr eines lokalen Regiments vom Dienst in Afghanistan ausgebuht hatte.

Die EDL-Mitglieder wiesen von Anfang an auf Probleme hin wie die Scharia-Gesetzgebung, die Haltung des Islam gegenüber Minderheiten und das Phänomen, das euphemistisch als „grooming gangs“ (Banden von Kinderverführern) bekannt geworden ist. Oft endeten die Proteste in Hooliganismus und in minder schweren Gewaltausbrüchen (natürlich mit verursacht durch die selbsternannten „Antifaschisten“). Die Behörden taten alles, um die EDL aufzuhalten, und die Medien taten alles, um sie zu dämonisieren. Das war nur ein Vorgeschmack darauf, was noch kommen sollte. Niemand musste einen Preis dafür zahlen, wenn er behauptet hatte, die EDL sei einfach eine faschistische Organisation, im Gegenteil, viele unter denen, die diese Behauptung aufstellten, profitierten davon. Außerdem wurden alle, die auch nur den Versuch unternahmen, die EDL zu verstehen, ebenso für Faschisten erklärt. Die üblichen Vorbehalte gegen pauschale Verallgemeinerungen, wenn sie nur in diese Richtung zeigten, schienen nicht zu gelten.

Vor fünf Jahren habe ich ein Interview mit Tommy Robinson geführt. Er hatte gerade die EDL verlassen, weil sie, wie er selbst zugab, beim Bestreben scheiterte, Extremisten, darunter auch Neonazis, von der Bewegung fernzuhalten. Er sagte damals: Wenn alle behaupten, dass eine bestimmte Bewegung das Vierte Reich errichten wolle, dann werden dort die wenigen Leute, die dies für eine gute Idee halten, unweigerlich aufkreuzen. Tatsächlich wurde er selbst einmal angeklagt, weil er einem Nazi-Sympathisanten, der einen EDL-Protest nicht verlassen wollte, einen Kopfstoß versetzt hatte. Dieser Vorfall wurde zum Beweis dafür, dass er selbst eine Art Nazi sei.

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Danach etwas weiser geworden, begann Robinson seine Energien in den sogenannten Bürgerjournalismus zu investieren. Manche seiner Aktionen waren bemerkenswert mutig, andere wiederum vollkommen falsch, wie zum Beispiel das Video, das er unmittelbar nach dem Terroranschlag gegen die Arena in Manchester gedreht hatte. Wütend behauptete er darin, dass praktisch jeder, der in der Gegend um eine bestimmte Moschee herum wohnte, eine Art feindlicher Kombattant sein müsse. Manches, was er tat, war besonders unklug, nicht zuletzt, weil es zuließ, dass er im denkbar falschestem Lichte erschien.

Ein Beispiel dafür: Vor einigen Monaten war Robinson in Italien. Im Mai 2017 berichtete ein italienisches Fernsehteam über Migranten in Rom und wurde in der Nähe eines lokalen Bahnhofs von einigen unter ihnen angegriffen. Eine Reporterin wurde attackiert und die ganze Angelegenheit wurde eine große Nachricht in Italien. Doch in der üblichen europäischen Art kehrte man nach vielen Relativierungen zurück zu den semantisch sicheren Diskussionen, wie wir sie gerne führen. Zum Beispiel ob der Ausdruck „no-go-Zone“ der richtige Ausdruck zur Beschreibung einer Gegend ist, wo eine Journalistin nicht hingehen kann, ohne physisch bedroht zu werden, und so weiter und so fort.

Robinson war da anderer Meinung und kreuzte am selben Ort etwas später mit seinem eigenen Kamerateam auf und fand, dass sich nichts geändert hatte. In der Gegend waren immer noch Migranten in der Mehrheit und einige forderten geradewegs, dass er gehen solle. Einer unter ihnen geriet in eine Konfliktsituation mit ihm, und als sich Robinson umdrehte, sagte er etwas wie „Ich könnte dich umbringen“. Daraufhin wandte sich Robinson dem Mann zu und schlug ihm ins Gesicht. Wie schon so häufig, war das ein Geschenk an seine Kritiker. Daily Mail Online berichtete über den Vorfall unter dem Titel: „Rechtsradikaler Tommy Robinson schlägt Migranten während einer Filmaufnahme in Rom in einer offenkundigen ‚No-go-Zone‘“. Wo in dieser Überschrift die Anführungsstriche gesetzt wurden erzählt eine eigene Geschichte über die moderne europäische Moral.

Die Debatte um seine Person ging weiter. Im März wurde er von Twitter, wo er fast eine halbe Million Follower hatte, suspendiert. Das soziale Medium, das terroristischen Organisationen wie Lashkar e-Taliba ohne weiteres erlaubt, ein Twitter-Konto zu führen, hat entschieden, Robinson zu suspendieren, weil er eine Statistik über muslimische Banden von Vergewaltigern veröffentlicht hatte, eine Statistik, die übrigens von der muslimisch geführten islamkritischen Quilliam Stiftung stammte. Und damit hatte die vorläufig letzte Episode des Robinson-Dramas begonnen, die weltweite Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollte.

Vor zehn Jahren, als die EDL gegründet wurde, war man im Vereinigten Königreich noch viel weniger bereit als heute, sich mit den euphemistisch als „asiatische Banden von Kinderverführern“ („Asian grooming gangs“) benannten Phänomen auseinanderzusetzen. Es ist eine euphemistische Bezeichnung, weil weder Chinesen noch Koreaner an diesen Banden beteiligt waren, und weil das, was da geschah, nicht die Verführung, sondern die Massenvergewaltigung von Kindern war. Damals waren nur einige dieser Fälle bekannt. Jetzt, zehn Jahre später, kommen jeden Monat neue Berichte aus anderen Orten ans Tageslicht, wo Banden von Männern – meistens pakistanischer Herkunft – junge, minderjährige, weiße Mädchen vergewaltigt haben. Diese Tatsachen, die sich anhören wie die Phantasien des blutrünstigsten Rassisten, sind nun mehrfach durch die urteilenden Richter sowie durch die Untersuchungen selbst der treuesten Mainstream-Journalisten bestätigt worden.

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Aber das ganze Thema ist so widerwärtig und unbequem, dass nur wenige bereit sind, dabei länger zu verweilen. Robinson ist eine Ausnahme. Wie er in einem Interview 2011 erklärte, sind für ihn diese Fälle von „grooming gangs“ nicht etwas, was nur ferne Städte betrifft, sondern Gemeinden, in denen Arbeiter leben, und die er gut kennt. Doch während es durchaus Journalisten gibt wie Andrew Norfolk von der Times, die viel Zeit und Energie darauf verwendet haben, diese entsetzlichen Tatsachen öffentlich zu machen, hat sich die britische Gesellschaft verschämt, angewidert und verunsichert darüber, wie man über das Thema überhaupt reden soll, abgewendet. Wenn jemand glauben sollte, dass Großbritannien heute mit dem Problem, wie man mit den „grooming gangs“ umgehen sollte, weitergekommen sei, der sollte sich vergegenwärtigen, dass Sarah Champion, die Labour-Abgeordnete von Rotherham, wo einer der größten Skandale stattgefunden hatte, das Labour-Schattenkabinett verlassen musste, weil sie offen über diese grauenvollen Vorfälle gesprochen hatte.

Womit wir bei den letzten Ereignissen angekommen sind, als Robinson vor dem Gerichtsgebäude in Leeds gefilmt hat. Dort wurde gerade der vorläufig letzte Fall von „grooming gangs“ verhandelt. Ich muss hier vorsichtig formulieren, um nicht die Regeln für die Einschränkung der Berichterstattung über den Fall zu verletzen. Wie der Livestream zeigt, befand sich Robinson außerhalb des Gerichtsgebäudes und scheint die Angeklagten gefilmt und befragt zu haben, während sie dabei waren, ins Gebäude zu gehen. Er schien vorsichtig vorzugehen und darauf zu achten, nicht das Territorium des Gerichts zu betreten.

Offensichtlich war er jedoch nicht vorsichtig genug. Das ist insofern merkwürdig, als er im vergangenen Jahr der „Missachtung des Gerichts“ für schuldig befunden wurde, weil er vor dem Gericht von Canterbury bei einem anderen Vergewaltigungsprozess vier muslimische Männer gefilmt hatte. Er ist zu drei Monaten Haft verurteilt worden, das Urteil wurde jedoch für eine Bewährung von 18 Monaten ausgesetzt. Das bedeutete, dass er in Freiheit bleiben durfte, so lange er das Delikt nicht widerholte.

Auch wenn Robinson in Leeds vorsichtig vorging, war es außerordentlich töricht, mit einer Bewährungsstrafe im Rücken eine solche Gratwanderung zu wagen zwischen dem, was er durfte und was nicht. Was dann passierte, ging um die ganze Welt: Die Polizei fuhr mit einem Transporter auf und verhaftete Robinson wegen Landfriedensbruchs. Innerhalb weniger Stunden wurde er Richter Geoffrey Marson vorgeführt, der ihn nach nur fünf Minuten in einem Schnellverfahren zu 13 Monaten Haft verurteilte. Er wurde sofort ins Gefängnis überführt.

Ab jetzt befand sich nicht mehr Robinson, sondern das Vereinigte Königreich auf einem Minenfeld von juristischen Problemen. Die Nachrichtensperre, die während laufender Verhandlungen verhängt wird, wurde auf die Verhaftung und die eilige Aburteilung Robinsons ausgeweitet. Das bedeutete, dass die Blogosphäre und die internationalen Medien tagelang ohne weiteres behaupten konnten, dass Robinson ohne Grund verhaftet worden sei, dass seine Verhaftung zeige, wie ein totalitärer Staat gegen die Redefreiheit durchgreife. Eine besonders leichtsinnige und ahnungslose Behauptung war, dass die unlängst erfolgte Ernennung des aus einer muslimischen Familie stammenden Sajid Javid zum Innenminister der direkte Grund für die Verhaftung von Robinson gewesen sei.

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Die Fakten sind prosaischer und bedrückender. Robinson wäre nicht im Gefängnis, wenn er nicht erneut Angeklagte in einem laufenden Prozess vor dem Gerichtsgebäude angesprochen hätte. Obwohl ihn der Richter im letzten Mai ermahnt hatte, das nicht zu tun, tat er es doch. Das ist kein besonders schwerwiegendes Vergehen (weit weniger schwerwiegend als die Vergewaltigung von Kindern), aber es ist eine Straftat und folgerichtig bekannte sich Robinson für schuldig. Wichtiger ist, dass die Verhandlung, während derer die Ereignisse stattfanden, nur ein Teil von weiteren Verhandlungen gegen viele andere Angeklagte ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Verletzung der Nachrichtensperre durch Robinson in Leeds diese noch ausstehenden Verhandlungen beeinflussen könnte. Sollte er das Scheitern des Verfahrens verursacht haben, wäre das ein Desaster, denn es wäre ein zusätzlicher Schlag für die Opfer, die Gerechtigkeit verdienen würden.

(…)

Die ganze Angelegenheit ist in mehrfacher Hinsicht ärgerlich. Es ist ärgerlich, dass Robinson die rote Linie, die ihm klar aufgezeichnet wurde, überschritten hat. Es ist ärgerlich, dass er der Polizei und dem Gericht eine berechtigte Grundlage geliefert hat, ihn zu verhaften. Es ist ärgerlich, weil er wissen musste, dass jeder Arm des britischen Staates hinter ihm her war, seitdem er vor zehn Jahren in Luton bekannt wurde.

Aber egal welche Zweifel man Robinson gegenüber hegen mag, sie sind von sekundärer Bedeutung. Von primärer Bedeutung ist, dass der britische Staat zugelassen hat, dass Banden in ganz Großbritannien tausende von jungen Mädchen jahrzehntelang vergewaltigen konnten. Über Jahre hinweg versagten Politiker, Staatsanwälte und jede andere Behörde des Staates, die ausdrücklich dafür verantwortlich gewesen wären, diese Mädchen zu beschützen. Wie eine Reihe von Untersuchungen der Regierung beweisen, haben sie die Mädchen im Stich gelassen, weil sie eine furchtbare Angst vor dem Vorwurf des Rassismus hatten, den sie andernfalls zu erwarten gehabt hätten. Und so beschlossen sie, dass es den Ärger nicht wert war.

Im Gegensatz zu ihnen war Tommy Robinson der Meinung, dass es den Ärger wert war, selbst wenn das bedeutete, dass sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt wurde. Vor einigen Jahren fand die Polizei während einer akribischen Untersuchung seines persönlichen Umfeldes und dem seiner unmittelbaren Familie eine Unregelmäßigkeit bei einem Hypothekenantrag, klagte Robinson an, verurteilte und schickte ihn wegen dieses Vergehens ins Gefängnis. Moslemische Insassen beleidigten ihn und brachten ihn fast um.

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Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass das Vereinigte Königreich Tommy Robinson in weit größerem Maße verdächtigt und vorverurteilt hat als jeden islamistischen Extremisten oder Massenvergewaltiger. Das sollte der nationale Skandal sein – was er noch nicht ist. Wenn auch nur ein Mullah oder Scheich ähnlich vorverurteilt worden wäre wie Tommy Robinson, wären längst Amnesty International, Human Rights Watch und alle anderen über die Verantwortlichen hergefallen. Aber für Robinson gelten offensichtlich andere Maßstäbe.

Nach seiner Verhaftung kam es zu Protesten unter anderem in London, Leeds und Manchester. Der Blogger „The Secret Barrister“ (Der geheime Anwalt) hat wohl für die ganze naserümpfende Klasse gesprochen, als er diese Proteste als einen „Aufmarsch mit Nazi-Inhalten“ bezeichnete. Auf dem Video, das er verlinkt hat, sieht man untergehakte Menschen, die „Oh Tommy Robinson“ rufen. Wenn der Gerichtsreporter hier ein Nazi-Thema entdeckt, dann war er wohl nie bei einem Fußballspiel oder einer Versammlung mit dem Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn.

Und so wird es weitergehen. Tommy Robinson geht für ein weiteres Jahr ins Gefängnis, und alle, die mit dem Status Quo zufrieden sind, werden erleichtert aufatmen: „Gottlob ist der Störenfried weg.“ Aber ihr wahres Problem ist nicht weg, und wird auch nicht weggehen. Weil sie keinen Plan haben, wie es weggehen könnte.

Sie können freilich mit der vagen Hoffnung leben, dass sich irgendwann im Leben der kommenden Generationen alles beruhigen werde und die Gemeinschaften der Neuankömmlinge ähnliche Ansichten über Frauen entwickeln werden wie der Rest der Gesellschaft. Und vielleicht wird es eines Tages so kommen. Aber es ist vielsagend, dass auf dem Weg dahin ein junger Mann aus Luton und Tausende vergewaltigte Mädchen zu den offenbar hinnehmbaren Opfern gehören.


Der Artikel ist eine leicht gekürzte Fassung des Originals, das am 31. Mail 2018 auf National Review Online erschienen ist. Übersetzung: Krisztina Koenen.


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