Nichts hassen Platzhirsche mehr, als wenn einer ohne Stallgeruch mitröhren darf – schon gar nicht, wenn es sich um einen besonders kapitalen Bock handelt. Einen, dem offenbar nichts heilig ist. Und Vorsicht ist geboten, denn dieser Mann hat zu allem Überfluss auch noch die Tricks der schreibenden Zunft vor dem Einstieg in die Politik bei Times und Daily Telegraph gelernt.
Zum Entsetzen Vieler habe sich das Rennen, so die Financial Times endgültig „auf die beiden letzten Kandidaten, die noch stünden“, reduziert: Boris Johnson (von der britischen Presse kurz auf den Namen Bojo getauft) und seinen Nachfolger im Amt als Außenminister des Vereinigten Königreichs, Jeremy Hunt.
160.000 Mitglieder der Britischen Konservativen werden sich demnächst in einer Briefwahl für einen der Beiden entscheiden, der dann am 23. Juli zum nächsten Premierminister erklärt wird. Viele werden ihre Stimmen bereits abgegeben haben. Hier der Zeitplan beim „Mirror“.
Bojo ist, das pfeifen schon die Buchmacher von den Dächern, hier beim „oddschecker“ eindrucksvoll dokumentiert, haushoher Favorit gegen den eher blassen Aussenminister, der sich am 20. Juni den Platz in der Stichwahl gegen Boris grade so mit zwei Stimmen mehr vor Michael Gove sichern konnte.
Das Gros der europäischen Zeitungen ergeht sich fast täglich in immer heiligeren Schwüren gegen Johnson, diesem Produkt angelsächsischer Eliteerziehung (Oxford und Eton) garniert mit der Mitgliedschaft im Männerbund „Bullingdon Club“ und einem Liebesleben, dessen Umfang die „Sun“ zu der Frage brachte, wieviele Kinder denn Bojo eigentlich habe?
Und stets enden solche Anwürfe mit der genervten Frage, was denn dieser Mann eigentlich an sich haben könne, dass ihm die Stimmen, jedenfalls vorerst in der eigenen Partei, regelrecht zuflögen?
Die falschen Freunde?
Selten hat sich die Presse so gerne einer anscheinenden Männerfreundschaft gewidmet, wie der zwischen Bojo und US Präsident Donald Trump, der mit den Worten zitiert wurde, dass er der Meinung sei, dass “Boris einen guten Job machen würde, dass er sogar exzellent für den Posten sei.“
Gerade erst rief ein hilfreicher Nachbar nachts die Polizei zur Wohnung von Boris Johnson, weil er angeblich Schreie gehört habe. Wie der „Telegraph“ berichtete, handelte es sich bei dem besorgten Anrufer offenbar um einen „linken“ Schriftsteller, der, was er hörte, gleich noch auf Band aufnahm, und dessen Ehefrau den früheren Londoner Bürgermeister schon mal auf offener Strasse beschimpft hatte.
Der Bericht über den lautstarken Streit mit seiner neuen Freundin, der früheren Top-Beraterin der Tories, Carrie Symonds, wurde Tags darauf genüsslich auch durch die deutschen Schlagzeilen gereicht, hier beim Focus.
Die falsche Haltung zur EU?
Johnson bekennt sich, anders als sein Gegner Hunt, unumwunden zu einem klaren und wenn nötig radikalen Brexit. Für n-tv und viele andere deutsche Medien nur „ein Clown, der mit dem Kopf gegen die Brüsseler Wand rennt.“
Da er es aber nicht dabei belässt, sondern auch noch gerne bereit ist, z.B. die widersprüchlichen Aspekte der EU mit respektlosen Worten aufzuspießen, treibt er jene, die den Brexit für nicht weniger als blasphemisch halten, zur Weißglut. Es wird kolportiert, dass Johnson der Erste gewesen sei, der Euro-Gerüchte wie die von der „Normbanane“ verbreitet, die EU mit schlecht geschnittener Unterwäsche (an einigen Stellen zu eng und an anderen gefährlich geweitet) oder ihre Zwecke in die Nähe von Eroberungsphantasien deutscher Diktatoren gerückt habe. Klar: Seiner Schwester Rachel wird zugeschrieben, dass sie sich daran erinnern könne, dass Boris als Kind immer „König der Welt“ habe werden wollen…
Das falsche Äußere?
Der nunmehr minutiösen Überwachung der britischen Presse (hier die „Sun“) hat man die Erkenntnis zu verdanken, dass der mögliche zukünftige Premierminister des Vereinigten Königreiches offenbar an drei aufeinanderfolgenden Tagen dieselben Söckchen zu £5.99 mit Bildern des letzten grossen assyrischen Herrschers König Ashurbanipal trug und dass er wie „Sputnik News“ meint wie der aus der Wiege entführte Zwilling von Donald Trump aussieht. Was nicht ganz von der Hand zu weisen ist, wenn man es oberflächlich betrachtet: Beide recht unwahrscheinlich blond, mit deutschen Vorfahren, in New York geboren, früh zu Reichtum gekommen und mit einem Hang zum Großsprechen. Gegen Beide wurden „Stop“-Kampagnen initiiert, die sang – klang und erfolglos endeten.
Die falschen Worte ?
Für seine Bemerkung bei einem der Regionaltreffen der Tories vor der Abstimmung der Parteimitglieder (sog. hustings), dass im Lande „zu oft Englisch nicht die Umgangssprache sei und sich dies ändern müsse …“ („Mirror“) hat er sich den Unmut der (wohl nicht gemeinten) gälisch-sprachigen Minderheit zugezogen. Die Aussage, dass „Frauen in Burkhas Ähnlichkeit mit Briefkästen hätten“ in einem Gastartikel beim „Telegraph“ machte es nicht besser. Damit schien Bojo nur zu unterstreichen, was er bei anderer Gelegenheit bereits eingestanden hatte, nämlich dass seine „Chancen, Premierminister zu werden, in etwa so gut wären wie die, Elvis auf dem Mars zu finden..“
Aber die Briten lieben den „Underdog“, den Chancenlosen, der sich zurückkämpft, und, wie es Rowan Atkinson als „Black Adder “ ausdrückte : „ins Gesicht der Gefahr lacht, der Furcht Eiswürfel in die Jacke steckt“… Das Urteil von Hans van Leeuwen in der „Australian Financial Review“ wird wohl die Emotionen des starrköpfigen Inselvolkes am Besten zusammenfassen:
Die Linke mag ihn hassen, aber er könne „die Unentschlossenen mit seiner klaren Sprache noch umstimmen … und wo ihnen Theresa May als grimmige Totengräberin der EU erschienen sei, würde Boris dem aufziehenden Shitstorm mit aufgespanntem Regenschirm entgegentorkeln und seine Landsleute dazu ermutigen, es ihm gleichzutun.“