Ja, jene Zeit lud zum Kuscheln ein – zur intensiven Kontaktaufnahme zwischen Politik und Pharma-Industrie jedenfalls, während sich der Rest der Welt in „social distancing“ übte. So geschah es in Frankreich, wo Macron nachgesagt wurde, er habe sich von abhängigen Beratern eine Impfkampagne aufzwängen lassen, die ganz auf die Lieferungen der Firmen Pfizer-Biontech zugeschnitten war. So scheint es auch in der EU-Kommission gegangen zu sein, die ebenfalls nicht bald genug an den Wunderstoff kommen konnte, der den „Ausgang“ aus der „Pandemie“ versprach. Er hat ihn nicht gebracht, stattdessen erledigte sich das Geschehen weitgehend von allein, entweder durch Virus-Mutation oder anderweitige Normalisierung.
Andere haben darauf hingewiesen, wie fehlerbehaftet das gesamte Studienwesen zu den „Impfungen“ ist und wie abgeleitet die Behauptungen zur Wirksamkeit der Stoffe letztlich sind. Unter anderem gab es keine konsequenten Doppelblindstudien. Die existierenden Studien wurden zudem teils von Pfizer-Mitarbeitern, teils sogar von den Biontech-Gründern Ugur Sahin und Özlem Türeci persönlich durchgeführt, die „keinerlei Interessenskonflikt“ erkennen konnten und doch durch den Vertrieb ihres mRNA-Präparats zu den reichsten Menschen des Planeten aufstiegen.
Mehr als fragwürdig erscheinen inzwischen auch Smalls Aussagen zum Ablauf der Verhandlungen zwischen Pfizer und der EU-Kommission, vertreten durch Konzernchef Albert Bourla und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Small behauptete, dass die Impfstoff-Verhandlungen unmöglich von diesen beiden Personen allein in einer Reihe von SMS geführt werden konnte. Dazu seien die Themen zu komplex gewesen und zu viele Personen beteiligt. Eine Lücke in ihren Behauptungen bleibt aber: Laut dem Europäischen Rechnungshof gab es nämlich durchaus Vorverhandlungen zwischen von der Leyen und dem Pfizer-Vorstand, doch zu denen liegen bei der Kommission keine Dokumente vor. Die Rechnungsprüfer schreiben nun laut Welt am Sonntag: „Das war der einzige Vertrag, bei dem das gemeinsame Verhandlungsteam entgegen dem Beschluss der Kommission über die Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen nicht in diese Verhandlungsphase einbezogen wurde.“
Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt: Vermutlich geht es um den Pfizer-Deal
Das ist schon sehr auffällig, und anscheinend passen dazu die Ermittlungen der frisch gegründeten Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO), die im Oktober bekannt wurden. Dabei geht es laut EPPO um eine Untersuchung zum Kauf von Corona-Impfstoffen durch die EU. Der konkrete Deal, der hier in den Fokus kommen soll, wird nicht benannt, aber alles spricht für den Pfizer-Vertrag, um den die offenen Fragen inzwischen Legion sind. Dabei geht es um die in dem Vertrag vermutlich ausgeschlossenen Haftungsfragen, um die umfangreichen Schwärzungen im Text, um den Preis des Produkts und eben um den Ablauf der Verhandlungen und Vorverhandlungen.
Die Macht von Mega-Pharma-Konzernen wie Pfizer wurde gestärkt. Und für die Kommission bedeutete der Impfdeal einen beträchtlichen Prestigegewinn in dem Moment, da eine Art internationaler Wettlauf um die Versorgung mit Covid-Impfstoffen begonnen hatte und manche Staaten, die selbst große Mengen der Präparate produzierten, im Vorteil zu sein schienen – etwa die USA oder Großbritannien. All das gehört heute der Vergangenheit an. Inzwischen gab der Moderna-Chef Stéphane Bancel sogar zu – und dies beim WEF in Davos –, dass man überschüssige Impfdosen, die keinen Abnehmer fanden, in diesem Frühjahr vernichten musste.
Die EU-Kommission erwiderte nun auf eine Informationsfreiheitsanfrage von Netzpolitik.org, dass die berühmten SMS-Nachrichten zwischen von der Leyen und Pfizer-Chef Bourla überhaupt nicht archiviert worden seien,weil ihr Inhalt ohnehin „kurzlebiger“ Natur gewesen sei. Aber das wäre ja erst im Einzelnen zu bewerten, wenn man den Nachrichtenverlauf nachlesen könnte. Die EU-Bürgerbeauftragte sprach von „Missmanagement in der Verwaltung“ und forderte, dass man nach den SMS suche. Doch es geschah nichts. Auf Anfragen von Journalisten reagierte Pfizer nicht.
Immer noch ungeklärt: Wer übernimmt die Haftung beim Biontech-Impfstoff?
Seit einem Jahr ist überdies eine Klage von mehreren EU-Abgeordneten beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängig, mit der die Kommission zur Veröffentlichung der ungeschwärzten Pharma-Verträge gezwungen werden soll. Bisher ist kein Urteil in Sicht. Vermutet wird unter anderem, dass Pfizer – wie auch in den USA – das Biontech-Präparat ohne jede Haftung an die EU verkaufen konnte. In einem solchen Fall könnte man das Unternehmen nicht einmal, wenn grobe Fehler beim Produktionsprozess oder während der Lieferung geschähen, zur Verantwortung ziehen.
Die belgische Sozialdemokratin Kathleen Van Brempt, die dem derzeitigen Covid-Sonderausschuss vorsitzt, hält den Druck jetzt schon für sehr hoch und also ausreichend. Doch es gibt keinen Druck vom Parlament auf von der Leyen oder die Pharma-Manager. Deren Antworten im Ausschuss waren beinahe immer ausweichend – oder sie wiesen anklagend auf die Kommission und ihre Forderungen an die Konzerne, wie von Moderna-Chef Bancel mit Erfolg praktiziert. Das Versagen ist in der Tat vor allem politisch und im EU-Apparat selbst beheimatet. Und so müsste es auch mit politisch-juristischen Mitteln aufgeklärt werden. Dass die EPPO gegen die Kommissionschefin ermittelt, ist da folgerichtig, kann aber nur der erste Schritt sein.