Als Finanzministerin holt Biden mit Janet Yellen ein Konsenskandidatin an den Kabinettstisch. Die 74-Jährige war unter Obama bereits Notenbank-Chefin, sogar Republicans unterstützten sie damals bei ihrer Bestätigung durch den Senat, von denen viele heute noch im Amt sind. Yellens voraussichtliche Ernennung wäre ein Sieg für die moderaten Democrats, während der linke Flügel der Partei lieber die Senatorin Elizabeth Warren in diesem Amt sehen will.
Yellen, die 2018 aus dem Vorstand der Notenbank zurücktrat, gilt als eingefleischte Keynesianerin und dürfte daher gegenüber massiven staatlichen Konjunkturprogrammen mehr als offen sein. Dabei ist es die keynesianistische Philosophie des wirtschaftlichen Interventionismus gewesen, die Amerika seit den Clinton-Jahren von Krise zu Krise hat torkeln lassen. Nichtsdestotrotz wird die Organisation eines massiven Finanzpaketes für die US-Wirtschaft eine ihrer Kernaufgaben sein. Kurze Wege zwischen dem Finanzministerium und der Notenbank sind garantiert, denn auch ihr dortiger Nachfolger im Fed-Vorstand ist auf einer ähnlichen monetärpolitischen Linie. Vor dem Hintergrund der Coronakrise hat die Zentralbank bisher eine extrem expansionistische Geldpolitik verfolgt, kauft zum Beispiel unbegrenzt Staatsanleihen und hat den Leitzins auf knapp über Null Prozent gesenkt. In Washington rechnet man daher damit, dass Yellen das billige Geld nutzen und billionenschwere Konjunkturprogramme auf den Weg bringen wird.
Dass der Staat mit seinem Geld lenken soll, ist eine Kernüberzeugung Yellens. So tritt sie für CO2-Abgaben ein, um den Klimawandel zu bekämpfen. Und sie ist fest davon überzeugt, dass man mit einem wirtschaftspolitischen Kulturwandel dabei helfen kann, Ungleichheit oder Rassismus zu bekämpfen.
Obama-Außenpolitik mit einem Lichtblick
Blinken behauptete dieses Jahr, die Trump-Regierung habe China geholfen, indem sie “die amerikanischen Allianzen geschwächt, ein Vakuum in der Welt für China hinterlassen, unsere Werte aufgegeben und China grünes Licht gegeben habe, um die Menschenrechte und die Demokratie von Xinjiang bis Hongkong mit Füßen zu treten”. Es war allerdings jemand anderes der zumindest den Eindruck machte, dafür “grünes Licht” zu geben: 2015, als China mit seinen Umerziehungslager in Xinjiang begonnen hatte, lobte Blinken das Regime dafür, dass es “vor der wachsenden Anziehungskraft der extremistischen Ideologie in seiner Jugend” schütze.
Er machte damals auch den Eindruck, dass er mit dem wachsenden Einfluss Chinas in Zentralasien und Europa kein Problem hätte, sondern das sogar unterstützen würde, er erklärte: “China spielt in der Region eine große Rolle mit seinen ehrgeizige Plänen, die asiatische Konnektivität über Land- und Seewege voranzutreiben. Es hat zig Milliarden Dollar für den Bau von Straßen und Schienen aufgewendet, um seine Fabriken und Märkte in Asien und Europa besser miteinander zu verbinden. […] Der Ausbau der Infrastruktur in Zentralasien kann unsere eigenen Bemühungen voll ergänzen.”
Gut möglich, dass sich seine Ansichten geändert haben, zumindest das Statement aus diesem Jahr lässt schließlich den Eindruck zu. Anders als er behauptet, hat die Trump-Regierung tatsächlich einen konfrontativeren Kurs gegenüber China gefahren und auf die angesprochenen Menschenrechtsverletzungen mit Sanktionen reagiert. Die Frage wird nun sein, ob die neue Biden-Regierung diesen Kurs mit Blinken weiterfährt und ob sie es eventuell schafft, Handelsbündnisse gegen China zu schließen und etwa das Pazifische Freihandelsabkommen TPP wiederzubeleben.
Erfahrung mit Obamas Fehltritten im Nahen Osten hat auch ein anderer gesammelt: Jake Sullivan. Er soll nun den wichtigen Posten des Nationalen Sicherheitsberaters des Präsidenten bekleiden und arbeitete zuvor ebenfalls in der Obama-Administration, damals als Nationaler Sicherheitsberater für Vizepräsident Biden und als Stellvertretender Assistent des Präsidenten. Sullivan war einer der Architekten des desaströsen „Iran-Deals“.
Als Teil des Deals, der eigentlich Irans Atomprogramm stoppen sollte, bekam das islamistische Regime in Teheran Berge an Bargeld eingeflogen. Teherans Terrorfinanzierung wurde ignoriert und seine Raketenentwicklung war unter dem Abkommen ebenfalls legal. Die Aufhebung der Wirtschaftssanktionen half dem internationalen Handel des Regimes. Und Berichten zufolge haben sich die Mullahs, wie von vielen Kritikern vermutet, von Anfang an nicht an alle Vereinbarungen gehalten – inzwischen verkünden sie offen die Nichteinhaltung von Bestimmungen zur Urananreicherung.
Als Wackelkandidatin gilt bisher noch Bidens vermutliche Favoritin für das Pentagon. Michelle Flournoy und der designierte US-Präsident kennen sich noch aus Obama-Jahren, wo sie als Beraterin für US-Verteidigungsminister und schließlich als stellvertretende Verteidigungsministerin tätig war. Auch sie gilt als Wahl des Establishments, schließlich arbeitet sie mit Unterbrechung seit knapp zwei Jahrzehnten im Verteidigungsministerium. In dieser Zeit profilierte sich Flournoy, die auch als Transatlantikerin gilt, als „Falke“ in der Außenpolitik: Sie stellte sich hinter den Irakkrieg, trieb den Krieg gegen Gadaffi in Libyen entscheidend voran, unterstützte massive Truppenaufstockungen in Afghanistan und forderte 2016 ein härteres Vorgehen gegen den IS und Syriens Machthaber Assad. Erst dieses Jahr äußerte sie sich kritisch gegenüber einem Aussetzen der Sanktionen gegen den Iran oder Nordkorea. Kein Wunder also, dass sie auf wenig Liebe beim linken Flügel der „Progressiven“ innerhalb der Demokratischen Partei stößt: Ro Khanna, Abgeordnete aus Kalifornien und Stellvertretende Vorsitzende des „congressional progressive Caucus“, dem Verband der stark linken Abgeordneten im Kongress, hat die 59-Jährige bereits öffentlich für ihre Positionen kritisiert und Forderungen gestellt: Flournoy müsse einem Abzug aus Afghanistan und einer härteren Gangart gegen Saudi-Arabien zustimmen, um die Unterstützung des linken Flügels der Partei zu erhalten.
Alles in allem sieht es so aus, als würden die Fehler der Obama-Administration unter Biden unhinterfragt weitergeführt werden. Eine Hoffnung der Linken scheint sich aber nicht zu erfüllen: Die Linksaußen der Partei, die in Kamala Harris die heimliche Chefin der neuen Regierung gesehen haben, wurden ausgebootet. Bidens Wahl ist ein Comeback des Washington Establishments, ein Zurück in eine vergangene Ära – kein Konfetti-Sieg für linke Architekten einer neuen Gesellschaft.