Chaostage in Berlin. Sozialsenatorin Katja Kipping (Die Linke) hat die zweite Stufe des Notfallplans zur Unterbringung von Migranten in Kraft gesetzt. Denkbar scheinen damit erneut Notunterkünfte für Neuzuwanderer auf dem Tempelhofer Feld und auf dem Messegelände in Berlin-Charlottenburg. Am Dienstag war in einem internen Papier noch von 4.000 fehlenden Plätzen die Rede, die sehr bald geschaffen werden müssen. Wenige Stunden später sprach Kipping in einer Pressekonferenz kurzerhand von „8.000 bis 10.000 neuen Unterkunftsplätzen für Verbleib in Berlin“, die sie möglichst schnell schaffen will. 28.000 Plätze existieren derzeit in der Stadt, sind aber bis auf 150 (Stand vom Freitag) sämtlich belegt.
So klar ist das übrigens nicht. Kippings neue „Notfallstufe“ wird auch als Alarmsignal an die Senatskollegen verstanden, nun alle Reserven zu mobilisieren und verbleibende Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Von Finanzsenator Andreas Geisel will man schnelle Baugenehmigungen, von Bettina Jarasch eine Zustimmung zu Zeltstädten, die die menschenrechtsbewegten Grünen eher nicht so gut finden.
Und dann fügte Kipping etwas sehr Bedenkliches hinzu: „Beschlagnahmungen sind möglich, aber nicht das Ziel.“ Die Linkspartei-Politikerin hat damit eine Linie in logischer Weise zu Ende gedacht, die durch die Unterbringungsverpflichtungen der Länder schon längst vorgezeichnet ist. Angesichts beständig anwachsender Zugangszahlen kommen Länder und Kommunen an ihre natürlichen Grenzen. Berliner Bezirksbürgermeister mucken schon auf: Die Ostbezirke haben besonders viele Migranten aufgenommen und wünschen sich mehr Unterstützung vom Land. Grünen-Generälin Bettina Jarasch, die bald schon zur Regierenden Bürgermeisterin aufsteigen könnte, will das nicht gelten lassen. Sie will „weder den Bund noch die Bezirke aus der Verantwortung entlassen“. Und die Bürger schon gar nicht.
Von 1000 im Monat zu 300 Geflüchteten am Tag – oft aus sicheren Herkunftsländern
Die erste Stufe ihres Notfallplans hatte die Senatorin im Juli bekanntgegeben. Seitdem wird ein großes Zelt mit rund 900 Schlafplätzen auf dem stillgelegten Flughafen Tegel mit Migranten belegt. Zuvor war die Mehrzahl der Bundesländer aus dem Verteilsystem für illegale Migranten und Flüchtlinge ausgestiegen, so dass das Land Berlin, das weiterhin offen blieb, überproportional viele Menschen aufnehmen musste. Der Berliner Flüchtlingsrat protestierte trotzdem gegen die Maßnahme: Ein Zelt sei keine geeignete Unterbringung.
Die Asylbewerber kamen im Oktober vor allem aus Syrien, Georgien, der Türkei, Afghanistan und Moldau, wie aus der Antwort auf eine AfD-Anfrage aus dem Abgeordnetenhaus hervorgeht. Drei der fünf Länder müssten nach allen Regeln der Logik eigentlich von dieser Liste verschwinden, denn in ihnen herrscht weder Krieg noch politische Unterdrückung. Vielmehr handelt es sich bei Georgien, der Türkei und Moldau um Partnerländer des Westens und der EU. In der Liste folgen übrigens Vietnam, Irak, Iran, Russische Föderation und Aserbaidschan.
Senat: Zuwanderung trägt zum Ideenreichtum Berlins bei
Probleme schafft der gewachsene Zuzug fast überall. Am 26. Oktober befanden sich, wie aus derselben Anfrage der AfD-Fraktion zu erfahren ist, „rund 1000 Asylbegehrende … noch im Ankommensprozess vor der Registrierung“. Vor der Registrierung, also bevor überhaupt eine Entlastung durch Verteilung in andere Bundesländer möglich ist.
Zur Unterbringung sollen nun „Gebäude in Leichtbauweise“ errichtet werden. Das deutet eben auf die großen Freiflächen wie das Tempelhofer Feld oder das Messegelände hin. Auch der Flughafen Tegel oder der Olympiapark werden diskutiert. Faesers 56 Bundesimmobilien könnten übrigens wenig weiterhelfen. Nur drei davon liegen in Berlin, eine wird bereits als Migrantenunterkunft genutzt.
Im Antwortschreiben auf die Fragen der AfD im Abgeordnetenhaus kann der Beamte aus dem Sozialsenat zuletzt nicht mehr an sich halten und spricht das Bekenntnis des rot-rot-grünen Senats zur weiteren Forcierung der Zuwanderung klar aus: „Die Aufnahme von Schutzsuchenden begreift der Senat … nicht lediglich als Umsetzung rechtlicher Verpflichtungen. Vielmehr hat sich der Senat in den Richtlinien zu einer Kultur des Willkommens bekannt, indem dort festgestellt wird, dass Berlin ein Anziehungspunkt, Zufluchts- und Sehnsuchtsort für Menschen aus über 150 Nationen, ist die zum Ideenreichtum und zur Entwicklung Berlins beitragen. Schon immer lebte diese Stadt von Zu- und Einwanderung von Menschen. Berlin bleibt ein sicherer Hafen für Menschen in Not.“