Tichys Einblick
Angst vor Frieden

Bei deutschen Außenpolitikern geht die Angst vor einem Wahlsieg Donald Trumps um

Wie haben sie sich gefreut, als er abgewählt wurde – aber jetzt könnte er zurückkehren. Deutsche Außenpolitiker fürchten sich vor einem Wahlsieg von Trump und insbesondere einer Änderung der US-Politik im Ukraine-Konflikt: Dort könnte Frieden drohen, fürchten insbesondere Politiker der Grünen.

Donald Trump, 28. Juli 2023, Des Moines, Iowa, USA

IMAGO / ZUMA Wire

Deutsche Außenpolitiker halten eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps trotz dessen Anklage wegen der Kapitol-Erstürmung für möglich. „Die Mitglieder von EU und Nato dürfen sich im Falle einer erneuten Präsidentschaft Trumps nicht spalten lassen“, sagte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung Michael Link (FDP) dem Tagesspiegel. „In der letzten Amtszeit hatte Trump genau dies bereits versucht, in einer zweiten Amtszeit könnten sich solche Manöver Trumps noch verstärken“, so der FDP-Politiker.

Justiz und Politik
Donald Trump zum dritten Mal angeklagt
In der ersten Amtszeit von Trump war insbesondere der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit Ausfällen über den neu gewählten Präsidenten aufgefallen: Bei einer Fragestunde zur Außenpolitik in Rostock bezeichnete er den Anwärter auf den Einzug ins Weiße Haus als „Hassprediger“. Steinmeier erklärte, er schaue mit großer Sorge auf das „Ungeheuer des Nationalismus„, das sich weltweit ausbreite. Mit dieser Bemerkung war der Konflikt zu den USA programmiert. Es scheint, als ob die deutschen Politiker daraus nichts gelernt hätten und erneut die Beziehungen zu dem gewählten Präsidenten der USA auf die Probe stellen wollten. Gleichzeitig demonstrieren sie, dass sie einen Wahlsieg von Trump für möglich halten.

„Donald Trump hat mehrfach gesagt, diesmal habe er sehr genaue Pläne, wenn er wieder Präsident wird. Man muss nicht alles wörtlich nehmen, was er sagt. Aber wir sollten seine Aussagen, auch seine Drohungen, sehr ernst nehmen“, so Link.

Alternativen zu Trump gesucht

Aber die Ablehnung Trumps geht weiter. Daher müsse man jetzt mehr denn je daran arbeiten, belastbare Beziehungen zu all jenen Republikanern aufzubauen, denen an Zusammenarbeit und Freundschaft mit Europa gelegen sei, sagte der Transatlantik-Koordinator. Bei seiner jüngsten Reise durch vier Südstaaten der USA habe er den Eindruck gewonnen, „dass etliche Republikaner von Trump zunehmend genervt sind, auch wenn sie es sich aus Angst vor Trumps starker Wählerbasis nicht offen zu sagen trauen“.

Das mag man als eine besonders naive Variante der Außenpolitik verstehen: Der US-Präsident gründet seine starke Stellung auf die Wahl – nicht wie in Deutschland auf Parteien und Hinterzimmer-Politiker. Eine weitere „Sorge“ kommt dazu: Trump könnte doch gar Frieden zwischen der Ukraine und Russland erzwingen. Worauf die Welt hofft – genau davor bangen linke und vor allem grüne Politiker in Deutschland.

Der Grünen-Außenpolitiker und frühere Bundesminister Jürgen Trittin rechnet im Falle eines Wahlsiegs Trumps Ende 2024 mit einem Ende der US-Waffenhilfe für Kiew.

Trittin: Angst vor Friedensverhandlungen mit Russland

„Eine erneute Präsidentschaft Donald Trumps wäre das Ende des transatlantischen Honeymoons“, sagte Trittin dem Tagesspiegel. „Trump würde, sofern das nicht vorher geschieht, die militärische Unterstützung der Ukraine umgehend aufgeben. Die Hilfe für die Ukraine wäre schlagartig allein Aufgabe der Europäer. Wir wären geforderter denn je.“ Trittin sagte weiter: „Durch Trumps Geringschätzung der Nato wären die Europäer selber für ihre Sicherheit verantwortlich. Die europäische Säule der Nato würde viel wichtiger als bisher. Trump würde letztlich die europäische Souveränität stärken“, sagte Trittin, der die Parlamentariergruppe des Bundestages mit den USA führt. Der SPD-Außenpolitiker Metin Hakverdi sagte der Zeitung: „Ein Präsident Donald Trump dürfte, wie in seiner ersten Amtszeit, die Verbündeten gegeneinander ausspielen wollen.“ Trump wolle den Westen spalten, um für sein Land bessere ‚deals‘ zu machen.

„I’m proud to be an American“
Trump is back
Trump hatte mehrfach erklärt, dass es unter seiner Präsidentschaft nicht zum Krieg zwischen der Ukraine und Russland gekommen wäre. Er hätte Russlands Präsident Putin angerufen und einen „Deal“ ausgehandelt. Tatsächlich wurden in der Amtszeit Trumps keine bewaffneten Konflikte neu eröffnet, sondern vielmehr beendet. Krieg ist für den Republikaner Trump keine Alternative – anders als für seine republikanischen Vorgänger und auch Barack Obama und Joe Biden.

Worin der „Deal“ bestünde, lässt sich aus Trumps Äußerungen nur schwerlich ablesen; aber vermutlich wäre es ein Waffenstillstand, der den Russen die besetzte Krim sowie weitere Gebiete im Osten der Ukraine, möglicherweise aber auch im Süden zusprechen würde. Der Außenpolitiker Trump neigt aber nicht zu Maximalforderungen wie etwa der Rückeroberung der gesamten Ukraine.

Entscheidend aus der Sicht Europas aber wäre nicht die Wiederherstellung der Ukraine, sondern die Bedingungen und vor allem die dauerhafte Absicherung einer Waffenstillstandslinie als Voraussetzung für eine dauerhafte Friedensregelung statt einer fortgesetzten „heißen“ Grenze mit fortwährenden Artillerieduellen und militärischen Konflikten. Genau das aber scheinen europäische Politiker zu fürchten, die auf einen militärischen Sieg der Ukraine mit Hilfe der EU und USA setzen.

Analyse
Trump hat gesiegt
„Trump würde die westliche Haltung gegen Russland chaotisieren, jede Chance ergreifen, um sich mit Putin zu treffen. Die große Trump-Show eben. Er würde erheblichen Druck auf Präsident Selenskyj machen, ihn zu einer wie auch immer gearteten Verhandlung mit Putin drängen“, so Hakverdi. „Ob die USA in der Sache die Ukraine weniger unterstützen würden, hängt sehr davon ab, wer ab 2025 im Senat die Mehrheit hat.“ Eine Wahl Trumps sei eine schlechte Nachricht für die globale Sicherheit, sagte der SPD-Politiker. „Es wäre an Moskau das Signal, dass sich Europa nicht auf die USA verlassen kann. Das wiederum würde den Druck auf uns alle in Europa erhöhen. Eine Wahl Trumps wäre ein Integrations-Booster für die europäische Integration“, so Haverdi. „Die EU würde ihre zaghaften Mühen um eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit Trump im Weißen Haus beschleunigen.“

Damit wird klar, was rote und grüne Politiker fürchten: eine irgendwie geartete diplomatische Lösung an Stelle der Fortsetzung des Krieges. Ob Russland tatsächlich von der Ukraine besiegt werden könnte und zu welchem Preis – diese Frage wird nicht mehr gestellt. Dass Friedensverhandlungen üblicherweise beiden Seiten Zugeständnisse abverlangen und Maximalforderungen aufgegeben werden müssen, scheint diesen Außenpolitikern unbekannt zu sein.

Und ob eine stabile friedliche Lösung für Europa als Ganzem nicht vorteilhafter wäre und wie sie aussehen könnte – auch diese Frage wird insbesondere von den grünen „Falken“ nicht mehr gestellt. Vielmehr wird die Angst vor Donald Trump geschürt. Möglicherweise belastet diese Art von Politik allerdings die Beziehungen zu den USA sehr viel mehr als ein offener Umgang mit einem demokratisch gewählten Donald Trump.

In Washington muss Donald Trump heute vor dem Berufungsgericht erscheinen – hören Sie im Podcast-Wecker ein Gespräch von Holger Douglas mit TE-Korrespondentin Suse Heger darüber, was ihm vorgeworfen wird und wie Trump reagiert:

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