Überall in Europa versuchen linke Politiker, familiengeführte Agrarbetriebe zu schleifen und die Lebensmittelversorgung zu zentralisieren. Doch der Widerstand wächst. In der ganzen EU machen die Bauern mittlerweile mobil. Jetzt gibt es auch in Großbritannien heftige Massenproteste.
„Stop killing the people who feed you“, steht auf einem ihrer Transparente: „Hört auf damit, die Leute umzubringen, die euch ernähren“. 40.000 Bauern aus dem ganzen Land haben sich mit ihren Traktoren auf den Weg in die Hauptstadt London zur großen Protestaktion gemacht.
Ganz vorne dabei: Jeremy Clarkson. Der 64-Jährige ist auf der Insel ein Superstar – und auch in Deutschland einem breiteren Publikum bekannt: Bei der BBC moderierte er ein Vierteljahrhundert lang das Kult-Format „Top Gear“, die erfolgreichste Automobil-Sendung der TV-Geschichte weltweit. 2015 überwarf er sich mit dem öffentlich-rechtlichen Sender. Seitdem arbeitet er hauptsächlich als Landwirt auf seinem Hof im Südwesten der Insel.
Wie alle anderen hier, so protestiert auch er gegen die von der linken Labour-Regierung geplante neue Erbschaftsteuer für Bauern und deren Höfe. Im Ton britisch-unaufgeregt, aber in der Sache steinhart sagt Clarkson, das Vorhaben bedeute nicht weniger als „das Ende der Landwirtschaft in Großbritannien“.
Denn die linke Regierung von Labour-Premierminister Keith Starmer hat entschieden, dass Bauern künftig auch dann 20 Prozent Erbschaftsteuer zahlen müssen, wenn sie den noch aktiven landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern übernehmen und weiterführen. Das mussten sie bisher nicht. Und es geht nicht etwa um 20 Prozent des Barvermögens oder sonstiger Kapitalanlagen – nein, es geht um 20 Prozent des kompletten Unternehmenswerts.
Und das ab einem Wert von einer Million Pfund (etwa 1,2 Millionen Euro). Das klingt nur viel, ist es aber nicht. Wenn man Felder, Saatgut, Ernte, Vieh, Stallungen, Gebäude, Traktoren und sonstige Maschinen zusammenrechnet, ist man blitzschnell bei weit über einer Million. Zum Vergleich: Durchschnittlich hat ein noch aktiver Bauernhof in Deutschland einen Wert von drei bis fünf Millionen Euro. Unter einer Million kriegt man praktisch keinen.
„No farmers, no food“ – keine Bauern, keine Nahrung. Das ist das Motto der Protestbewegung, die auch bei den einfachen Bürgern wachsende Unterstützung erfährt. Denn bei den chronisch kleinen Gewinnmargen in der Landwirtschaft bedeuten die Labour-Pläne: Wer künftig einen aktiven Bauernhof erbt, wird ihn in sehr, sehr vielen Fällen verkaufen müssen – nur, um die Erbschaftsteuer bezahlen zu können.
Die Bauern im Königreich sind außer sich. Einer fasst ihre Empörung in Worte: „Diese Regierung hat vergessen, dass sie seit dem Zweiten Weltkrieg keinen Hunger mehr kennen. Jetzt werden sie wieder hungrig sein.“
Tatsächlich ist in Großbritannien um die Zukunft der familienbetriebenen Bauernhöfe eine Art Kulturkrieg entbrannt. Die Linke im Land sieht den Konflikt mit den Landwirten inzwischen als eine Art Endkampf um die politische Vorherrschaft an. Entsprechend hartleibig äußern sich ihre Spitzenvertreter. „Ihr könnt protestieren, aber ihr verschwendet eure Zeit“: Das lässt ein Labour-Minister kühl den verzweifelten Bauern ausrichten. Das schafft aber nur Sympathien für die Landwirte auch bei jenen, die sich bisher für das Thema gar nicht so sehr interessiert hatten.
Der in der politisch linken Hälfte des Königreichs einflussreiche Kommentator Will Hutton vom Kampfblatt „Guardian“ verstieg sich sogar zu der Formulierung, die britischen Bauern hätten Land „gehortet“. Geschichtsbewusste Kritiker erinnerten ihn deshalb höflich daran, dass seine Wortwahl Stalins Krieg gegen die russischen Bauern entlehnt ist – der am Ende Millionen Menschen den Hungertod brachte.
Erdverbundene Bauern, die sich gegen abgehobene Politiker wehren: Das sieht man mittlerweile in Europa immer öfter. Zeitgleich zu den Demonstrationen in London protestieren auch die französischen Landwirte weiter. Sie versuchen, das sogenannte Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Staaten der südamerikanischen Mercosur-Gruppe (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela) zu verhindern. Landesweit haben am Montag und Dienstag französische Bauern mit Traktoren Straßen blockiert, Protestfeuer entzündet und Holzkreuze aufgestellt.
Das Abkommen ist bei Landwirten in der ganzen EU geradezu verhasst. Denn um die südamerikanischen Märkte für EU-Industrieprodukte zu öffnen, vor allem für Autos und Maschinen, sollen im Gegenzug viele landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Rindfleisch weitgehend ohne Handelsbeschränkungen nach Europa importiert werden. Doch in den Mercosur-Staaten werden die Agrarprodukte nach viel niedrigeren Standards und damit viel günstiger produziert. Europas Bauern werden also einem stark verzerrten Wettbewerb ausgesetzt, den sie praktisch nicht gewinnen können. Das geben selbst Verfechter des Abkommens zu.
Den Eurokraten im fernen Brüssel jedoch ist die Industrie traditionell wichtiger als die Landwirtschaft.
Aber in den EU-Mitgliedsstaaten – mit Ausnahme von Deutschland – erzielen die Bauern mit ihren Protesten immer öfter beachtliche Erfolge. Allein in den vergangenen zwei Jahren gab es Massendemonstrationen von Landwirten in Belgien, Griechenland, Italien, Lettland, Polen, Rumänien und Spanien – fast immer gegen Vorgaben der EU.
Als direkte Folge der Proteste hat Brüssel unter anderem die Verordnung zurückgenommen, dass EU-weit vier (4) Prozent aller Agrarflächen ungenutzt bleiben oder brach liegen müssen. Auch eine extrem scharfe Pestizidverordnung wurde vorläufig wieder beerdigt.
Besonders erfolgreich waren die Bauernproteste in den Niederlanden. Dort hatte die Regierung des ehemaligen Ministerpräsidenten Mark Rutte den Landwirten so strikte Umweltauflagen gemacht, dass nach seriösen Schätzungen jede dritte Viehzucht im Land hätte geschlossen werden müssen. Auch die Opposition im Parlament vermutete hinter dieser Politik keine Sorge um die Umwelt, sondern Interessen der niederländischen Immobilienwirtschaft: weil durch das Höfe-Sterben innerhalb kurzer Zeit große Flächen zur Umwidmung als Bauland verfügbar geworden wären.
Die Bauern protestierten lange und massiv – und mit Erfolg. Die meisten Vorhaben wurden zurückgenommen. Aus den Bauernprotesten entwickelte sich eine eigene politische Partei, die bei den Regionalwahlen im Jahr 2023 sogar stärkste Kraft wurde.
Im selben Jahr zerbrach die Regierung in Den Haag, und auch das nationale Parlament wurde neu gewählt. Daraus ging die rechte Partei für die Freiheit (PVV) mit ihrem Spitzenmann Geert Wilders als klare Siegerin hervor.