Tichys Einblick
Staat und Konzerne spielen über Bande

Bald ein EU-Kommissar für Wohnungsbau?

Ursula von der Leyen will einen EU-Kommissar für den Wohnungsbau. Das erinnert an die dunkelsten Zeiten des Sozialismus, kaschiert aber, daß von jener angeblichen sozialen Gerechtigkeit zynischerweise letztlich nur einige große Investitionsgesellschaften profitieren werden – Milliardärssozialismus vom Feinsten.

picture alliance / Daniel Kalker | Daniel Kalker

Wie so vieles fand auch diese Nachricht aufgrund des Sommerlochs (un)willentlich nur wenig Widerhall: Ursula von der Leyen kündigte im unverwechselbar schwammigen, geradezu schon merkelianischen EU-Sprech an, einen EU-Kommissar für den Wohnungsbau einsetzen zu wollen:

Die Menschen haben Mühe, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Aus diesem Grund werde ich zum ersten Mal einen Kommissar oder eine Kommissarin mit direkter Verantwortung für das Wohnungswesen ernennen. Manche mögen sagen, wir sollten uns nicht einmischen. Aber ich möchte, dass diese Kommission die Menschen dort unterstützt, wo es am dringendsten ist. Wenn es für die Europäer wichtig ist, ist es auch für Europa wichtig.

Und selbst wenn sich am Ende herausstellen sollte, daß man diese neue Aufgabe auf einer anderen bürokratischen Ebene verankern wird als auf der eines eigenen Kommissariats, bleibt doch die Tatsache, daß – „Europa ist die Antwort!“ – die EU sich wieder einmal einen neuen Kompetenzbereich aneignen will, der zudem überaus bedenkliche Fragen aufwirft.

Nun ließe sich viel darüber philosophieren, inwieweit Wohnungsbau und die Sicherung bezahlbaren Wohnraums wirklich auf die EU-Ebene gehört oder nicht vielmehr ausschließlich nationale, ja vielleicht sogar regionale Kompetenz bleiben sollte. Denn auf der einen Seite ist es ja in der Tat etwas widersinnig, die demographisch-urbanistische Situation der mittlerweile menschenleeren Départements des französischen „Centre“ mit den zersiedelten Flächen des Ruhrgebiets oder der hauptstädtischen Metropolregion Athen unter eine einzige Verwaltung zu bringen. Auf der anderen Seite ist es aber tatsächlich so, daß ganz Europa trotz einiger Ausnahmen sowohl unter dem Phänomen massiver urbaner Verdichtung als auch ländlicher Verödung zu leiden hat.

Impulse aus Brüssel wären also – im Prinzip – durchaus willkommen, wenn sie denn nur die echten Probleme angreifen würden und zum Beispiel dem flachen Land durch gezielte infrastrukturelle Investitionen, eine nachhaltige Natalitätspolitik und systematische industrielle Dezentralisierung und Diversifizierung einen Teil ihrer Attraktivität zurückgeben würde: Viele junge Familien, allen voran im tertiären Sektor mit seinem großen Home-office-Potenzial, wären durchaus bereit, aus den Großstädten auf das Land zurückzukehren, falls nur die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben wären: Schulen, medizinische Versorgung, öffentliche Transporte, etc.

Doch die gegenwärtige, real existierende EU mit einer solchen zentralen Kompetenz zu betrauen, hieße sprichwörtlich, den Bock zum Gärtner zu machen, und das gleich aus mehreren Gründen.

Denn ein wesentlicher Teil der angeblichen „Knappheit“ von Wohnraum (in einer Zeit, wo vielerorten ganze Kleinstädte leerstehen) ist ja gerade durch die EU selbst und ihre Helfeshelfer in den Nationalstaaten verursacht worden: Die immer surrealeren Vorgaben zum Wohnungsbau und Klimaschutz, durch von der Leyens ominösen „Green Deal“ noch verschärft und gerade in der deutschen Echokammer bis ins Unerträgliche gesteigert, machen es für den bürgerlichen Mittelstand (oder was davon noch übrig ist) quasi unmöglich, das klassische Eigenheim oder die lang angesparte Mietwohnung vorschriftsgemäß zu sanieren, und wer nicht zum Verkauf gezwungen wird, muß die Kosten halt auf die Mieter umlagern. Die beklagen sich ihrerseits über Wucher und stimmen für jene Parteien, die sich für verschiedenste Mietdeckel stark machen – ein Teufelskreis.

Dazu kommen dann noch die explodierenden Energiekosten, die ebenfalls hausgemacht sind. Bis vor einigen Jahren sicherte Kernenergie dem ganzen Kontinent eine stabile Versorgung mit Strom, und die jüngsten Fortschritte in der Sicherung und Verkleinerung der Nuklearzentralen sowie der Nutzung der Rückstände versprachen eine weitere Senkung der Kosten. Doch seitdem nicht nur in Deutschland unter Angela Merkel immer mächtigere politische Strömungen für eine Abkehr von der Kernenergie gesorgt und extreme Ressourcen weitgehend sinnlos in angeblich „erneuerbare“ Energien umgeleitet haben, sind nicht nur die Preise extrem gestiegen: Auch gewaltige Materialmengen an Stahl und Beton, die dem Wohnungsbau hätten zugutekommen können, wurden in den Aufbau gigantomanischer Windparks gesteckt, und die fehlende Energie kurzerhand einfach aus Rußland importiert – bis der Krieg jene Milchmädchenrechnung zunichte machte. Die Zeche soll nun wieder einmal der Mittelstand zahlen, indem er jetzt nicht nur doppelt dämmen muß, sondern wie vor einigen Tagen von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) auch schon Überlegungen angestellt wurden, durch staatliche Zuteilungsschlüssel die in Kaltperioden für den Privatbedarf zur Verfügung stehenden Energiemengen zu rationieren.

Dazu kommen noch Probleme der demographischen Umschichtung unserer Bevölkerung. Da die Boomer in ganz Europa lieber auf Selbstverwirklichung als auf klassisches Familienleben gesetzt haben, überaltert der Kontinent mittlerweile in atemberaubender Geschwindigkeit, und die selbstmörderische Antwort der Politik, die ausfallenden Jahrgänge durch Neubürger aus afrikanischen und nahöstlichen Krisengebieten aufzufüllen, verschlimmert die Situation nicht nur in den altbekannten Feldern von Kriminalität, Terrorismus, sinkender Qualifikation, Lohn-Dumping und explodierenden Sozialkosten – von der kulturellen Überfremdung ganz zu schweigen –, sondern eben auch im Bereich des Wohnraums. Denn während die Rentner im Regelfall über viele Jahrzehnte hin das viel zu groß gewordene Eigenheim blockieren, müssen nicht nur die eigenen Nachkommen, sondern eben auch die Neuankömmlinge neue Unterkünfte suchen, was angesichts der ländlichen Verödung und der Konzentration der europäischen Demographie auf einige wenige Großstädte noch größeren Druck erzeugt.

Kein Wunder, daß seit einigen Jahren vor allem deutsche Politiker gerne voranpreschen, um ältere Menschen mit zwangsstaatlichen Projekten gezielter Steuererhöhungen oder gar Requirierung zugunsten von Migranten aus der eigenen Wohnung zu vertreiben – auch hier Überlegungen, die bestenfalls an Symptomen herumpfuschen, deren eigentliche Gründe aber hausgemacht sind und durch die moderne, politisch korrekte Familienfeindlichkeit noch verschärft werden – Stichwort Abtreibung, Gender, LGBTQ und Migration.

Das politische Establishment – ob auf nationaler oder EU-Ebene spielt keine Rolle, da es sich um exakt dieselben Personen, Parteien und Netzwerke handelt – hat also durch eine dysfunktionale Gesetzgebung eben jene Wohnungsnot geschaffen, die sie jetzt mit zwangsstaatlichen Maßnahmen kurieren will. Spätestens jetzt sollte sich die Frage stellen: cui bono?

Die erste Antwort darauf ist natürlich der Willen zur Macht. Jahrhundertelang galt das eigene Heim als der intimste Rückzugsort des Bürgers und genoß auch juristisch quasi sakrosankten Status: „My home is my Castle.“ Daß gerade diese gleichzeitig un- und urpolitischste Sphäre unserer Zivilisation nun zunehmend zum Objekt politischen Machtwillens wird, erinnert in vielerlei Hinsicht an die schlimmsten Zeiten des Sozialismus, und es ist kein Wunder, daß die immer schriller vorgebrachten Argumente und Polemiken gegen „Wucherer“, „Miethaie“, „Reiche“ und „Alte“ in etwa dieselben Ressentiments bedienen wie damals und zumindest, was die „Ist-Situation“, nicht aber die eigentlichen Gründe betrifft, für viele Menschen in Not ja durchaus nachvollziehbar ist.

Die zweite Antwort verweist auf das Wesen des Milliardärssozialismus, der eigentlichen Staatsform unserer Epoche. Denn die bewußt unfinanzierbar gemachten Wohnungen werden ja (noch) nicht vom Staat requiriert, sondern auf den Markt geschleudert, und dort werden sie eben nicht von anderen Menschen des Mittelstands aufgekauft, sondern von großen, nur scheinbar anonymen Gesellschaften – die einzigen, die es sich leisten können, aufgrund des schieren Mengeneffekts jene gesetzlichen Vorgaben zu unterlaufen oder zu eigenen Gunsten umzudrehen. Und schaut man sich, wie Tichys Einblick es in den letzten Monaten immer wieder getan hat, einmal genauer an, wer hinter diesen Gesellschaften steckt, versteht man auch das Doppelspiel der Politik.

Von der Leyens CDU steckt via Parteichef Merz und vielen anderen ebenso tief im Netzwerk von „Blackrock“, einem der größten Player auch auf dem deutschen Immobilienmarkt, um nur ein Beispiel zu nennen, und Analoges ließe sich von Habecks Grünen und ihre schier unentwirrbare Verflechtung mit diversen Klima-NGOS sagen, die von denselben großen Investitionsgruppen finanziert werden.

Im Klartext: Wie so vieles in Deutschland und der EU findet also auch auf dem Wohnungsmarkt eine systematische und offensichtlich bewußt gewollte Verlagerung von Besitz vom Mittelstand auf einige große Gesellschaften statt, die sich ihrerseits mit großem Geschick der Politik bedienen, um diese Entwicklung zu beschleunigen und zu verstärken, und zwar ironischerweise über den Umweg einer Rhetorik, die keineswegs liberal, sondern wesentlich linksgrün argumentiert – Milliardärssozialismus pur.

Die von Blackrock, JPMorgan, State Street und anderen Gesellschaften durch ihre machtbesessenen politischen Hintermänner im Namen von Klima- und Mietpreisgerechtigkeit forcierte Zerstörung des europäischen Wohnungs- und Energiemarkts ist im großen Maßstab nichts anderes als der sprichwörtliche Verkauf von T-Shirts mit Che Guevara-Bildchen bei Amazon – ein zynisches Spiel, bei dem sich die Ausgebeuteten bei ihren Ausbeutern auch noch für ihr Engagement im Kampf um soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz bedanken.

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