Ein solches Regierungsprogramm gegen „Hass und Hetze“ würde sich manch ein Kritiker der Ampel wünschen. „Ich lade gern mir Gäste ein“, darf man ein Couplet aus der Fledermaus zitieren, „man lebt bei mir recht fein.“ Der da einlädt, der Prinz Orlofsky, ist allerdings eigen. Er lässt sich zwar „unterhalten, wie man mag“, aber wenn ein Gast langweilt oder beim Trinktempo nicht pariert, folgt rasch der Hinauswurf. Das alles passt vielleicht auch zu Annalena Baerbock in ihrem Auswärtigen Amt. Denn die Ministerin gibt sich einerseits jovial, lädt Menschen mit angeblich von ihrer abweichenden Positionen zum Essen ein, andererseits kann sie aber auch brüsk und abweisend sein (oder sein lassen), wenn ihr ein „Gast“ – etwa bei einer improvisierten Pressekonferenz – nicht passt, so jüngst in New York geschehen.
Kurz davor war eine Reihe von scharfen Israelkritikern oder wahlweise Anti-Israel-Aktivisten durchaus einladungswürdig für die Hausherrin am Werderschen Markt in Berlin-Mitte. Eingeladen waren unter anderem die Autorin Emilia Roig und der Violinist Michael Barenboim, Sohn des bekannten Dirigenten, beides Juden, die für ihre kompromisslose Israelkritik bekannt sind. Roig hat etwa einen Post des Profils „Palestine Speaks“ mit einem Herz versehen („geliket“), in dem der 7. Oktober als „revolutionärer Tag zum Stolzsein“ beschrieben wird – eigentlich ein Tag des blutigen Terrors. Außerdem war die Journalistin Alena Isabel Jabarine, Tochter eines arabischen Israeli, der also von den Annehmlichkeiten der israelischen Zivilisation profitieren konnte, im Außenamt dabei. Jabarine beklagt den Krieg in Gaza wortreich, spricht aber fast nie über den Auslöser des Kriegs. Dafür teilt sie antisemitische Karikaturen auf Instagram.
Baerbocks Reaktion auf die Kritik an ihrer Einladepolitik spotten allerdings jeder Beschreibung. Die Ministerin findet so ein Gespräch plus Abendessen wichtig, „gerade in Krisenzeiten, wo Hass und Hetze, wo Antisemitismus, Rassismus, wo Menschenfeindlichkeit um sich greift“. Es sei „so wichtig, dass man im Gespräch ist – gerade auch mit den Akteuren, deren Meinung man nicht teilt“, und zwar „um Hass und Hetze einzudämmen“. Diese Begründung war das Beste an dem Statement zu dem Abendessen, das Baerbock via Stern am Rande der UN-Vollversammlung in die Welt pustete.
Alena Jabarine postete Bilder von der festlich gedeckten Außenamts-Tafel, die allererst Aufmerksamkeit für das Ereignis (?) schufen. An diesem Tisch habe sie einer „so mächtigen Frau gegenüber“ gesessen und durfte doch glatt „ununterbrochen sagen, was ich wollte“, schrieb Jabarine dazu. Baerbock kann offenbar zuhören. Das Treffen war eigentlich vertraulich. Für Baerbock war es offenbar wichtig, auf die antiisraelischen Kritiker der Bundesregierung zuzugehen. Die Stimmen der Hamas-Apologeten seien „gesehen“ worden, so Jabarine.
Baerbock hat seit längerem Abgrenzungsprobleme zur UNRWA
Laut der ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel vertritt Jabarine offen „antisemitische Positionen“. Das hat Kiewel, die in Tel Aviv lebt, in einem Gastbeitrag für die Jüdische Allgemeinen geschrieben und ihre Verwunderung über so viel Offenheit der Außenministerin geäußert. Offenheit gegenüber einer Fundamentalkritik an Israel, die hier auch von Juden wie Roig und Barenboim geäußert wird, der aber keine vergleichbare Kritik an der Hamas und deren Terrortaten zur Seite steht, eigentlich noch nicht einmal die Anerkenntnis dieser Taten. Für Kiewel hat sich die Außenministerin mit denen an einen Tisch gesetzt, die „nur eines beherrschen: perfide Täter-Opfer-Umkehrung“, und zwar schon seit dem 7. Oktober. Von den israelischen Geiseln hätten die bekannten Teilnehmer öffentlich nie gesprochen.
Und dabei hatte Kiewel Baerbock einst so „geachtet, für Ihren Fleiß und Ihr politisches Engagement“, was auch immer das in diesem Zusammenhang heißen soll. Dabei hatte Baerbock auch bisher schon ihre Probleme mit der Trennlinie zwischen der qua deutscher Staatsräson gebotenen Unterstützung für Israel und der Unterstützung seiner Feinde: Noch nach dem Angriff überwies sie Gelder der Bundesregierung an die UNRWA, die im Gazastreifen eine enges Geflecht mit der Hamas bildet und für den terroristischen Kampf gegen Israel ausbildet. TE hat dazu hier, hier und hier berichtet.
Verweigerter Dialog – am Rande der UN und andernorts
Und das eine ist sicher ein richtiger Vorsatz für jede Ministerin: „Würde ich nur mit denen sprechen, die meiner Meinung sind, dann wäre ich aus meiner Sicht absolut falsch in meinem Job.“ Aber zufällig kursiert an diesem Tag auch noch ein Video, das einen ihrer Mitarbeiter beim durchaus rauhbeinigen Versuch zeigt, einen russischen Journalisten von einer Frage an die Ministerin abzuhalten. Da sagt Baerbock dem Korrespondenten erst, er solle ihr alle Fragen bei der Pressekonferenz stellen – doch dann attackiert ihn ein Außenamts-Mitarbeiter regelrecht, damit er nicht an den Pulk der übrigen Fragesteller und damit in Baerbocks Nähe gelangt.
Das Video bestätigt ganz sicher nicht die Offenheit Baerbocks gegenüber Personen, mit denen sie nicht übereinstimmt. Es befestigt allerdings den Eindruck, dass die grüne Ministerin – wie andere aus ihrem parteipolitischen Milieu auch – dem offenen Dialog mit Bürgern und Journalisten ausweicht. Und in der Tat, da fehlt so vieles: Wann kommt zum Beispiel das ausführliche Gespräch mit den Opfern des Bundesaufnahmeprogramms für Afghanen? Vermutlich gar nicht. Oder mit den Opfern der grünen Offene-Grenzen-Politik insgesamt?
Und wie oft haben Baerbock und andere grüne Fernsehmächtige wirklich darauf bestanden, dass die Talk-Runden der Öffentlich-Rechtlichen ausgewogen aus allen bedeutenden Parteien besetzt werden? Auch das geschah vermutlich nie. Im Gegenteil, man dürfte eher gesagt haben, dass man nicht kommt, wenn ein AfD-Vertreter mit am Tisch sitzt.