Tichys Einblick
Ausbau „erneuerbarer“ Energien

Baerbock empfiehlt Kenia als Vorbild für Deutschland

Auf den Straßen, im Nationalpark, am Strand, im Meer, in den Schulen: In Kenia liegt überall Müll. Genau dieses Land soll Deutschland nun als Klimaschutz-Vorbild dienen – fordert zumindest Annalena Baerbock. Von Charlotte Kirchhof

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit William Samoei Arap Ruto, Staatspräsident der Republik Kenia, Berlin, 28.03.2023

IMAGO / photothek

Alles voller Müll. Schwimmen in Plastiktüten. Gestank. Denn überall verbrennen die Kenianer ihren Abfall, um ihn irgendwie loszuwerden. Die Halden wachsen so sehr in die Breite und Höhe, dass Straßen unpassierbar sind: Schuhe, Reste von Reis und Bohnen, Essensbehälter, Rasierklingen, Fahrradreifen, Plastiktüten, Wasserkanister … alles Erdenkbare ist dabei in den Straßen von Diani, Kilifi oder in Bombululu, dem Slum im Nordosten von Mombasa.

Dort sammeln Kinder vor ihrer Schule Müll auf, um sich daraus Spielzeug zu basteln. Mit den Händen voller Schmutz essen sie dann kurz darauf ihr Mittagessen von Plastiktellern – die sie teilweise auch aus dem Straßenmüll gefischt haben. Das ist die Realität in Kenia: Von Umweltschutz ist wenig zu erkennen. Diese Realität hat Annalena Baerbock wohl nicht bemerkt, obwohl sie „ja so viel im Ausland unterwegs“ sei, wie sie in einem Interview mit dem Deutschlandfunk betont.

In diesem Interview meint sie nämlich, dass genau dieses Land das neue Klimaschutz-Vorbild für Deutschland werden solle: „Es gibt Länder wie zum Beispiel Kenia, die bis 2030 ihr Land komplett auf Erneuerbare umgestellt haben wollen. Dieser Umstieg auf grüne Technologien in allen Bereichen, das ist die Wettbewerbsfrage unserer Zeit. Und da wollen wir als deutscher Industriestandort mit dabei sein.“

Deutschland verbraucht 503,8 Milliarden Kilowattstunden an Strom in einem Jahr, Kenia 7,9 Milliarden Kilowattstunden. Die Daten stammen von der Bundesnetzagentur beziehungsweise der Seite laenderdaten.info.

Irgendwie hat Baerbock in letzter Zeit einen starken Hang zu afrikanischen Ländern, aber dass Deutschland sich wirtschaftlich und klimaschutztechnisch ein Beispiel an Kenia nehmen solle, erscheint unlogisch. Alleine im Vergleich des Bruttoinlandsprodukts (BIP) pro Kopf wird deutlich, dass Deutschland und Kenia in ganz anderen Ligen spielen: Das BIP in Kenia liegt bei knapp 2.200 US-amerikanischen Dollar – in Deutschland bei rund 49.000 US-Dollar.

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Obwohl das BIP in Kenia im Vergleich zu anderen afrikanischen Ländern überdurchschnittlich gestiegen ist, leben noch immer mehr als die Hälfte der Kenianer von Landwirtschaft. Bei einer kaum vorhandenen Industrie eines Dritte-Welt-Landes wie Kenia ist das Ziel, nur „erneuerbare“ Energien zu verwenden, also leichter zu erreichen als an einem Industriestandort wie Deutschland, wo die Industrie die zweitmeisten Emissionen verursacht, wie das Umweltbundesamt bekannt gibt.

Zumal die Sonne das am Äquator gelegene Land Kenia eben auch mit mehr energiereichen Sonnenstrahlen beglückt als Deutschland. Da bringen Solaranlagen entsprechend mehr. Trotzdem erklärt Baerbock mit ihrem Argument, wettbewerbsfähig mit Ländern wie Kenia bleiben zu müssen, dass die Regierung die Lastwagen-Maut erhöht. Denn „der Verbrauch fossiler Energie muss auch seinen Preis haben, den er gesellschaftlich hat“. Das Geld, das durch die Lastwagen-Maut zusammenkommt, solle dann für die Bahn investiert werden, denn die „braucht richtig viel Geld“. In Bezug zu Bahnen wäre Kenia tatsächlich mal als Vorbild geeignet, denn – auch wenn Pünktlichkeit in Kenia sonst nicht großgeschrieben wird – die Züge kommen auf die Sekunde genau. Auf die ist Verlass. Anders als die Bahn in Deutschland, die letztes Jahr so unpünktlich war wie nie zuvor.

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