„New York Times“-Reporterin verursachte Hetz-Kampagne gegen Juden
Sandro Serafin
Mitglieder einer australischen WhatsApp-Gruppe für jüdische Berufstätige wurden bedroht, nachdem ihr Chat-Thread in die Hände pro-palästinensischer Aktivisten gefallen war. Zuvor war die Gruppe durch eine Reporterin der New York Times infiltriert worden, die 900 Seiten Inhalt aus der Gruppe weitergegeben hatte.
Im Februar stellten anti-israelische Aktivisten in Australien massenhaft Juden öffentlich an den Pranger: Sie verlinkten auf Protokolle aus einem internen WhatsApp-Chat hunderter australischer Juden und verbreiteten deren private Daten. In der Folge entwickelte sich eine Hetzkampagne gegen Betroffene. Nun ist klar: Dieser Fall von „Doxxing“ – also dem veröffentlichen personenbezogener Daten im Netz – wurde von einer Reporterin der New York Times verursacht.
Am Donnerstag berichtete das Wall Street Journal, dass die Journalistin Natasha Frost Mitglied von besagter WhatsApp-Gruppe war, die unter dem Titel „J.E.W.I.S.H Australian creatives and academics“ firmierte. Die österreichische und britische Staatsbürgerin, die seit 2020 für die Times arbeitet, kopierte laut WSJ rund 900 Seiten Inhalt aus der Gruppe. Sie leitete diese dann offenbar an eine Person weiter, die in einer ihrer Recherchen eine Rolle spielte. Anschließend landeten die Daten frei verfügbar im Netz, wurden aber danach wieder gelöscht.
Wer die Person ist, der Frost die Protokolle übermittelte und die sie dann offenbar wiederum weitergab, ist unklar. Ende Januar hatte die Journalistin gemeinsam mit einem Kollegen jedenfalls eine Geschichte über Antoinette Lattouf veröffentlicht. Die Australierin mit libanesischen Wurzeln war im Dezember vom Radiosender ABC aus einem Engagement entlassen worden. Zuvor hatte Lattouf bei Instagram auf einen Beitrag von „Human Rights Watch“ verwiesen, in dem Israel vorgeworfen wird, Hunger als Waffe einzusetzen. In der besagten WhatsApp-Gruppe hatte ein Mitglied unter anderem dazu aufgerufen, belastendes Material über Lattouf zusammenzutragen.
Als die Chats der WhatsApp-Gruppe öffentlich wurden, warfen pro-palästinensische Stimmen den Teilnehmern vor, Kampagnen zu organisieren, „um palästinensische Aktivisten und deren Verbündete zum Schweigen zu bringen“, wie es die pro-palästinensische Feministin Clementine Ford formulierte. Die Gruppe wurde als „Zio600“ bezeichnet, so als handle es sich um eine verschwörerische Clique von 600 „Zionisten“ – ein Begriff, der in Israel-feindlichen Kreisen stets abwertend gemeint ist.
Mitglieder der Gruppe sahen sich durch die Diffamierung gefährdet: Teilnehmer erklärten, der Chat habe dazu gedient, sich über Erfahrungen mit Judenhass in Australien seit dem 7. Oktober auszutauschen. Konkreter Anlass für die Gruppengründung war demnach die Veröffentlichung eines offenen Briefes im Kultur-Magazin „Overland“ durch zahlreiche Künstler am 21. Oktober, in dem Israel ein „Völkermord in Gaza“ vorgeworfen wurde. David Slucki, Direktor des Australischen Zentrums für Jüdische Zivilisation, schrieb Mitte Februar in einem Beitrag für ABC, viele der nun veröffentlichten Gruppenmitglieder verstünden sich nicht einmal als Zionisten.
Nach der Publikation der Protokolle sowie von Namen, Berufen und Bildern von betroffenen Juden ergoss sich teilweise eine Hasswelle über sie. So erzählte etwa ein Ehepaar aus Melbourne der Zeitung „The Age“, es habe unter anderem eine drohende SMS bekommen mit einem Bild ihres vierjährigen Sohnes. Der Mann hatte sich aktiv in der Chatgruppe eingebracht und dort unter anderem angeboten, belastendes Material über eine anti-israelische Autorin zu recherchieren. Er wurde demnach auch aus einer Band verstoßen, in der er seit einem Jahrzehnt Mitglied gewesen war.
Alex Ryvchin, Chef des Exekutivrats des australischen Judentums, sprach mit Blick auf den „Doxxing“-Vorfall von einem „großen Schock und Unglauben, dass Menschen erneut Listen von Juden erstellen“. Die Verantwortlichen seien in ihrem „zerstörerischen Hass“ so wie Nazis. Die „Jewish Telegraphic Agency“ schrieb im Juli: „Die Belästigung und Isolierung derer, die auf der Liste standen, hat australische Juden verändert. Es hat verändert, wie die Gemeinschaft auf das Land blickt, das sie liebt – ein Ort, von dem sie dachten, dass er vom Hass, den ihre Vorfahren erfahren mussten, weit entfernt läge“.
Für die New York Times ist natürlich heikel, dass der Vorgang seinen Anfang ausgerechnet bei einer ihrer Mitarbeiterinnen hatte: Die Reporterin habe sich „unangemessen“ verhalten, indem sie die Daten weitergab, teilte die Zeitung nun mit. Es handle sich um eine „klare Verletzung unserer Ethik“. Frost selbst gab zu, die Daten einer Person übermittelt zu haben. Die anschließende Veröffentlichung sei jedoch ohne ihre Zustimmung erfolgt: „Ich war von diesen Ereignissen schockiert, die mich und viele andere in schreckliche Gefahr gebracht haben.“ Die Journalistin schreibt weiter für die New York Times.
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