Tichys Einblick
Nullzinspolitik und Inflation

Ausschuss des britischen Oberhauses: “Die Bank of England ist süchtig nach Anleihekäufen”

Britische Abgeordnete gehen mit der Bank of England hart ins Gericht. Deren Anleihekäufe seien nicht transparent genug und befeuerten soziale Ungleichheit. Auch Beteuerungen der US-Notenbank Fed, die gestiegene Inflation sei nur vorübergehend, stoßen zunehmend auf Zweifel.

Fassade der Bank of England in London

IMAGO / Xinhua

Das Economic Affairs Committee des britischen House of Lords hat einen Bericht veröffentlicht, der die Anleihekäufe der britischen Zentralbank scharf kritisiert. “Die Bank of England ist süchtig nach Anleihekäufen. Es scheint ihre Antwort auf alle wirtschaftlichen Probleme des Landes zu sein und bis Ende 2021 wird die Bank Staatsanleihen im Wert von 875 Milliarden Pfund und Unternehmensanleihen im Wert von 20 Milliarden Pfund besitzen”, ließ sich der Vorsitzende des Ausschusses, Lord Forsyth of Drumlean, in einer Mitteilung vom Freitag zitieren.

Der Umfang und das Fortdauern der Anleihekäufe erfordere eine erhebliche Kontrolle und Rechenschaftspflicht. Die Bank of England habe sich aber nur wenigen Fragen gestellt. “In Zukunft muss die Bank of England transparenter sein, den Einsatz der Anleihekäufe rechtfertigen und ihre Funktionsweise aufzeigen”, forderte der Politiker. Quantitative Lockerung (QE) sei eine ernsthafte Gefahr für die langfristige Gesundheit der öffentlichen Finanzen. Ein klarer Plan sei nötig, wie die Anleihekäufe weiter ablaufen sollen, und dieser müsse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, sagte der Lord.

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Seit Beginn des QE-Programms hat die Bank of England die Anleihekäufe erheblich ausgeweitet. Zu Anfang im Jahr 2009 sei das Programm als Krisennotpaket gedacht gewesen, heißt es im Bericht des Wirtschaftsausschusses. Bis 2012 kaufte die Bank of England Anleihen im Wert von 375 Milliarden Pfund. Seit dem Brexit im Jahr 2016 und besonders seit der Corona-Krise habe sich das Tempo der Wertpapierkäufe aber beschleunigt und der Leitzins sei auf 0,1 Prozent gesunken. Die Bilanzsumme sei auf etwa 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts angestiegen – das sei so hoch wie nie seit der Gründung der Notenbank im Jahr 1694. Freilich stehe die Bank of England damit nicht alleine da, denn auch die Fed (30 Prozent), die EZB (32 Prozent) und die japanische Zentralbank (106 Prozent) hätten ihre Bilanzsummen massiv ausgeweitet, heißt es.

Der Bericht argumentiert auch, dass das QE-Programm die soziale Ungleichheit im Vereinigten Königreich verschärft habe. Zwar hätten die Anleihekäufe das Finanzsystem in der vergangenen Krise stabilisiert, aber Wohlhabende hätten durch die gestiegenen Vermögenspreise überproportional profitiert. Die Bank of England habe keine angemessene Debatte über die Vor- und Nachteile von anhaltenden Anleihekäufen geführt. Man habe aus Finanzkreisen gehört, dass die Zentralbank “verteidigend” gewesen sei gegen Vorwürfe, dass die Wertpapierkäufe die Schere zwischen Arm und Reich auseinander treiben würden. “Die Bank sollte einen zugänglichen Überblick über die Verteilungswirkungen der Anleihekäufe veröffentlichen, der eine klare Darstellung des Meinungsspektrums sowie der Sicht der Bank enthält”, heißt es in dem Bericht.

In Finanzkreisen sei die Auffassung weit verbreitet, dass die Anleihekäufe vor allem die Defizitausgaben der britischen Regierung während der Corona-Krise stützen sollten. Der Ausschuss fürchtet, dass der britische Staat in Finanzprobleme geraten könnte, sobald die Bank of England die Leitzinsen erhöht, um die Inflation im Zaum zu halten. Die Zinszahlungen auf Staatsanleihen könnten bedeutend steigen, warnt der Ausschuss und fügt hinzu: “Wir befürchten, dass die Bank im Falle eines weiteren Anstiegs der Inflation unter politischen Druck geraten könnte, nicht die notwendigen Maßnahmen zur Wahrung der Preisstabilität zu ergreifen.”

Der Ausschuss fordert die Bank of England auf, zu erklären, warum die Inflation nur vorübergehend bestehen soll und warum es richtig sei, die Anleihekäufe fortzusetzen. Die derzeitige Inflationsrate sei bereits höher als die vorherigen Prognosen der Zentralbank. Die Wertpapierkäufe könnten die Inflation weiter anheizen, da sie auf eine wachsende Wirtschaft, steigende Staatsausgaben, Lieferengpässe, ein hohes Sparvolumen der Privathaushalte und einen Nachholeffekt beim Konsum aufgrund der Corona-Lockerungen treffen würden. “Reagiert die Bank of England nicht rechtzeitig auf die Inflationsgefahr, kann eine spätere Eindämmung erheblich erschwert werden”, schreiben die Ausschussmitglieder, unter denen auch Mervyn King ist. Der Politiker war von 2003 bis 2013 Präsident der Bank of England und rief das QE-Programm ins Leben. Im Juni stieg der Verbraucherpreisindex in Großbritannien zuletzt auf 2,5 Prozent.

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Auch in den USA mehren sich Stimmen, die das Fed-Narrativ hinterfragen, die Inflation sei bloß vorübergehend. Die Washington Post und die New York Times stellten längerfristige Preisanstiege als Möglichkeit in den Raum. Der Chef der Investmentbank JP Morgan, Jamie Dimon, erklärte, es werde ein bisschen schlimmer werden, als die Fed denke. “Ich glaube nicht, dass das alles nur vorübergehend sein wird. Aber das macht nichts, wenn wir sehr stark wachsen“, sagte er in einer Konferenzschaltung mit Analysten. Eine Reihe von US-Firmen kündigte denn auch Preissteigerungen an, etwa die Lebensmittelkonzerne PepsiCo und General Mills.

Der US-Verbraucherpreisindex stieg im Juni um 5,4 Prozent zum Vorjahresmonat. Besonders verteuerten sich laut Angaben des US-Arbeitsministeriums Lebensmittel und Energie. Deren Preise erhöhten sich so kräftig wie seit November 1991 nicht. Verbraucher mussten teils deutlicher tiefer in die Tasche greifen als vor einem Jahr – etwa für Gebrauchtwagen (45,2 Prozent), Kraftstoffe (45,1 Prozent), Transportdienstleistungen (10,4 Prozent), Kleidung (4,9 Prozent) und Außer-Haus-Verzehr (4,2 Prozent). Gleichzeitig stiegen die einjährigen Inflationserwartungen im Juni kräftig – auf 4,8 Prozent.

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