Tichys Einblick
China und Rom

Aufstieg und Niedergang von Zivilisationen

Marcel Zhu zeigt uns mit der 3.700-jährige Geschichte des Reichs der Mitte wiederholte Muster, aus denen sich die Ursachen für den Aufstieg und Niedergang von Kulturen erkennen lassen: die auch heute ihre Wirkung entfalten.

© China Photos/Getty Images

Mehr als zweitausend Jahre dominierten die römisch-christliche und die chinesische Kultur parallel die bekannten Welten an den beiden Enden des Eurasischen Kontinents. Während die chinesische Zivilisation im Laufe des 16/17. Jahrhunderts von der westlichen Welt überholt wurde, entwickelt sich der Westen seit der Industriellen Revolution zu einem kulturellen Vorbild und Maßstab für die ganze Welt. Reste der einst glanzvollen chinesischen Zivilisation existierten nur noch in einzelnen Ländern Ostasiens, die sie gesellschaftlich wie kulturell prägen. Die ostasiatische kulturelle Tradition in Kombination mit westlicher Technologie, Rechtsstaatlichkeit und Aufklärung verhalfen einigen ostasiatischen Ländern rasch zu einem Platz unter den entwickelten Staaten. Es ist kein Zufall, dass nahezu alle Staaten der Welt, die bislang den Sprung in eine moderne Industriegesellschaft geschafft haben, entweder  dem europäischen oder dem fernöstlichen Kulturraum angehören.

Vor diesem Hintergrund ist eine nähere Betrachtung der Entwicklung dieser beiden Zivilisationen hilfreich, um der heutigen Zeit Aufschluss über den Aufstieg und Niedergang der Zivilisation zu geben. Da die Geschichte der europäische Zivilisation hierzulande hinreichend bekannt sein dürfte, wird in diesem Beitrag die chinesische Zivilisation betrachtet, um daraus Lehren für die heutige Zeit zu ziehen.

Prolog

Vor mehr als 5.000 Jahren trennten sich die Wege von zwei Gruppen des sino-tibetischen Urvolks. Ein Teil dieses Volks beschloss, ins tibetische Hochland zu ziehen. Aus diesen wurden die Vorfahren des tibetischen Volkes und der Qiang. Die anderen zogen gen Osten und ließen sich schließlich in einem Land nieder, welches  sie später „Zhongtu“ oder „Zhongguo“ nannten: Die Mittlere Erde oder das Reich der Mitte. Aus diesen wurden wiederum die Vorfahren der Chinesen: Stämme, die sich „Xia“ (Schia) nannten.

Ursprünglich umfasste dieses „Reich der Mitte“ nur einen Bruchteil der heutigen kernchinesischen Provinz Henan und Teile der umliegenden Provinzen. Nach mehreren Jahrtausenden chinesischer Expansionen entstand 2.000 Jahre vor unserer Zeit ein Großreich in Ostasien, dessen Grenze im Osten bis zum Pazifik reichte, im Norden in die mongolische Steppen hinein und im Süden bis in die Urwälder in Vietnam. Im Westen drangen die Chinesen mit ihren indogermanischen Verbündeten der Westterritorien bis an die Grenze Persiens, als der chinesische General Ban Chao zum ersten Mal von Rom hörte.

I. Gründung des Ersten Chinesischen Kaiserreiches

Die moderne offizielle chinesische Geschichtsschreibung spricht von 5.000 Jahren chinesischer Geschichte. Doch damit sind auch die Zeiten der chinesischen Ur-Zeit eingeschlossen, die eindeutig der Welt der Mythen und Sagen zugeordnet sind. Archäologisch nachweisbar existierte das erste chinesische Königtum mit der ersten Form der chinesischen Schriftzeichen (die Orakel-Schrift) vor rund 3.700 Jahren. Rund tausend Jahren lang hielten die Könige der ersten chinesischen Dynastien ein Feudalsystem aufrecht, indem das Königtum die politische wie militärische Oberhand behielt, den Feudalherren aber gleichzeitig die volle Autonomie eingeräumt wurde. Mit dem Fall der Hauptstadt und der Königsresidenz an die „Westbarbaren“ im Jahr 771 v. Chr. brach die Autorität des Königtums in sich zusammen, welches sich bis dato als den „Sohn des Himmels“ betrachtet hatte und auch so angesehen wurde. Fortan konkurrierten die feudalen Adelshäuser um die Vorherrschaft im Reich der Mitte, bis schließlich sämtliche Königreiche der Xia (Chinesen) im 3. Jh. v. Chr. von der überwältigenden Streitmacht eines Millionenheeres des aufstrebenden „schwarzen“ Imperiums Qin (Tschin) aus dem Westen Chinas erobert wurde. Die Feudalstrukturen der eroberten Reiche wurden durch einen zentralen Verwaltungsapparat der Kommandanturen ersetzt, der dem Kaiser direkt unterstellt war. Dies war die Geburtsstunde des chinesischen Kaisertums.

Die Qin, ursprünglich eine chinesische Grafschaft an der Westperipherie, welche durch die Rückeroberungen der an die „Westbarbaren“ verlorenen Gebiete groß wurde, hatten ein militaristisches Staatssystem errichtet, indem Adelstitel und Land an die militärischen Leistungen im Krieg gekoppelt wurden. Hunderttausende Armbrüste und Lanzen wurden nach genau vorgefertigtem Muster in Serienfertigung produziert, bei denen die Namen der Schmieden zur Nachkontrolle auf die Waffen eingraviert wurden. Schwerter und andere Waffen der Qin waren verchromt: Eine Technik, die in Europa erst im Jahre 1920 als Patent angemeldet wurde. Die Klingen, die später als Grabbeigaben des Ersten Kaisers gefunden wurden, waren daher nach über 2.000 Jahren kaum korrodiert. Die Schlachtformationen der Qin kann man heute übrigens bei der akribisch abgebildeten Terrakotta-Armee nahe der alten Kaiserstadt Xi´an bestaunen.

Das Imperium Qin, welches alle chinesische Staaten unterwarf und im Süden an die Grenze der den Chinesen bis dahin unbekannten Welt der tropischen Regionen vorstieß, war nur von kurzer Dauer. Aufgrund seiner drakonischen Gesetzesgebung, seiner Brutalität auf den Eroberungsfeldzügen und seiner Ausschöpfung der Landesresourcen durch Großprojekte wie den Bau der Großen Mauer oder der Kaisergrabstätte (für die jeweils hunderttausende Arbeiter zwangsrekrutiert werden mussten), brachen kurz nach dem Tode des Ersten Kaisers Aufstände der Zwangsarbeiter und der ehemaligen Adligen der unterworfenen Staaten aus. Die Kaiserdynastie wurde innerhalb von 20 Jahren von Aufständen zertrümmert.

Nach Jahrzehnten der Kämpfe gelang es schließlich dem König von Han, alle  chinesischen Staaten wieder zu vereinen und das Kaiserreich von Han zu gründen. Die Kaiser der Han ergänzten das legalistische Herrschaftssystem der Qin durch ein konfuzianisches Moralsystem. Im Laufe der folgenden vier Jahrhunderte expandierte das Han-Reich um weitere Gebiete: den Norden Koreas, Nordvietnam und Teile der sogenannten Westterritorien (die damals mehrheitlich von indo-germanischen Völkern bewohnt wurden). Nach langen und verlustreichen Kriegen bezwangen die Han sogar das Steppenreich der Xiongnu, die den Großteil der ostasiatische Steppe  von der Manschurei bis  Zentralasien kontrollierten.

Die besiegten Xiongnu wurden in zwei Teile abgespalten: Die Süd-Xiongnu wurden chinesisches Protektorat und Teile südlich der chinesischen Mauer ins Chinesische Reich umgesiedelt. Die Nord-Xiongnu flohen vor chinesischen Angriffen nach Zentralasien. Ihre Spuren verloren sich nahe des Flusses Syrdarja im heutigen Kasachstan. Einer Theorie zufolge zogen die Nord-Xiongnu weiter Richtung Westen und tauchten irgendwann im Verbund mit weiteren Steppenvölkern als „Hunnen“ in Europa auf, die dann als die „Geißel Gottes“ die Germanen weiter westwärts vertrieben und das Ende des Weströmischen Reiches einleiteten.

Parallel zur „Pax Romana“ im antiken Europa herrschte also während der Han-Dynastie die „Pax Sinica“ in Ostasien. Das Reich der Mitte mit seiner Kultur, Schrift, Staatssystem und Gewändern wurde zum Vorbild für die damals bekannte Welt auf der östlichen Hemisphäre des Eurasischen Kontinents. Die Xia wurden fortan von den Nachbarvölkern Chinas als „Han“ bezeichnet. Diese Bezeichnung übernahmen die  Xia später als ihre eigene.

II. Der Zusammenbruch des Nordens und die Verlagerung der Zivilisation

In der Blütezeit der Han-Dynastie bildeten Bauern, die selbst Land besaßen, das Rückgrat des Han-Reiches. Sie stellten nicht nur die Soldaten des Reiches, sondern zahlten auch die meisten Steuern. Im Laufe der späteren Han-Zeit gerieten jedoch immer mehr Bauern wirtschaftlich in die Abhängigkeit von Großgrundbesitzern und arbeiteten daraufhin als hochverschuldete Pächter auf deren Gütern. Im Laufe der Zeit wurden die Großgrundbesitzer immer mächtiger und vereinnahmten immer mehr Land von den ärmeren Bauern, was das Elend der Bauern weiter verschlimmerte.

Gegen Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. versank das Reich der Mitte im Bürgerkrieg, der mehrere Dynastien überdauern und rund hundert Jahre andauern sollte. Von den endlosen Bürgerkriegen war das Reich personell wie materiell ausgezehrt. Die zuvor von den Chinesen unterworfenen und ins chinesische Reichsgebiet umgesiedelten Stämme der Süd-Xiongnu sahen ihre Chance zur Machtergreifung gekommen und versetzten dem Chinesische Reich durch eine Rebellion einen tödlichen Schlag. Im Laufe der Rebellion eroberten sie die chinesische Hauptstadt und besetzten große Teile Nordchinas.

Der Zusammenbruch des Nordens löste eine Völkerwanderung epochalen Ausmaßes aus. Hunderttausende Chinesen flohen vor dem Xiongnu-Sturm in den Süden des Reiches, der im Vergleich zum Norden noch unterentwickelt war und zu großen Teilen aus Kolonien der angesiedelten Chinesen bestand. Erst die massive Einwanderung von Nordchinesen veränderte das wirtschaftliche und kulturelle Gewicht des Südens. Infolge der massiven Zuwanderung der Nordchinesen verlagerte sich der Kernbereich der chinesischen Zivilisation vom Nordchina in den Süden des Landes. Nordchinesische Einwanderer brachten nicht nur ihre fortschrittlichere Technik mit, sondern auch ihre Sprache und Kultur.  So weisen alle heutigen südchinesischen Sprachen (oder politisch korrekt in China: Dialekte) eine viel größere Ähnlichkeit mit der altchinesischen Sprache auf, wie sie in der Antike in Nordchina gesprochen wurde, als das heutige Hochchinesisch Mandarin aus dem heutigen Nordchina, welches ständig dem Einfluss der mongolischen und mandschurischen Sprachen der Eroberer aus den Steppen ausgesetzt war und typische Merkmale des Altchinesischen wie „eintretende Töne“ verloren hat.

Während sich der Süden Chinas in den nächsten drei Jahrhunderten in chinesischer Hand befand und weitgehend von den Verwüstungen der Eroberungskriege verschont blieb, gründeten fünf Völker aus der Steppe und aus Zentralasien sechzehn Kaiser- und Königreiche auf dem nordchinesischen Boden.

Es war eine dunkle Epoche, in der sich unzählige Völker gegenseitig bekriegten.  Chinesische Frauen, die von Steppenvölkern „Zweibeinige Schafe“ genannt und in manchen Kriegen als Nahrungsvorräte verzehrt wurden, oder Völkermorde des chinesischstämmigen Generals Ran Min am herrschenden Volk der Jie  (Altchinesisch: Kiat / Zentralasiaten), bei denen allein in der Stadt Yecheng zweihunderttausend Jie jeglichen Alters massakriert wurden, zeugen von der Brutalität jenes Zeitalters.

Während die chinesische Zivilisation im Süden des Landes weitgehend intakt blieb,  gingen die Fremdherrscher des Nordens nach den anfänglichen Verwüstungen der chinesischen Kultur zur Kooperation mit den chinesischen Adelshäusern über, um ihre Herrschaft zu festigen. So übernahmen die herrschenden Tuoba schrittweise – und nicht ohne massive Gegenwehr der traditionsbewussten Tuoba-Fürsten – chinesische Nachnamen, Sprache und Gebräuche. Gleichzeitig gewannen einheimische nordchinesische Adelshäuser im Staate der proto-mongolischen Tuoba militärisch und politisch immer weiter an Einfluss, bis sie das Tuoba-Reich schließlich übernehmen konnten.

Der kulturelle  und politische Grundstein für den Aufstieg des zweiten Chinesischen Imperiums war gelegt.

III. Vom Zweiten Imperium bis zur Mongolenherrschaft

Im Jahr 589 n. Chr. wurde das Reich der Mitte unter dem Banner des han-chinesischen Adelshauses Yang der Sui-Dynastie aus dem Norden vereint.  Der  Kaiser der Sui ließ den großen Kaiserkanal bauen, der sich über 2.700 Kilometer erstreckte und den reichen Süden mit dem politischen Zentrum im Norden verband.  Und er schuf eine Beamtenprüfung, der auch Gelehrten aus dem einfachen Volke  den Zugang zum höheren Beamtentum verschaffte. Daraus entstand der „chinesische Traum“, der vom Frühmittelalter der europäischen Zeitrechnung noch bis 1905 andauern sollte: Der Traum des Aufstiegs vom einfachen Bauern durch Bildung bis zum Amt des Reichskanzlers – dem zweitmächtigsten Mann der den Chinesen bekannten Welt.

Doch die Sui-Dynastie führte ebenfalls Kriege, vier Feldzüge nacheinander gegen das koreanische Großreich Goguryeo. Die verlustreichen Kriege gegen Goguryeo forderten allein auf chinesischer Seite hunderttausende Tote. Die militärischen Niederlagen in Korea sowie die andauernde Großprojekte, die hunderttausende Menschenleben verschlangen, lösten zahlreiche Rebellionen seitens der Bauern und Adligen aus. 29 Jahre später wurde die Sui-Dynastie durch die Tang-Dynastie der Han-chinesischen Adelsfamilie Li ersetzt.

Die Tang-Zeit ging in die Geschichte ein als das goldene Zeitalter der chinesischen Expansion und der chinesischen Kultur. Die Hauptstadt Chang´an (Langer Frieden) zählte auf dem Höhepunkt der Tang-Dynastie eine Million Einwohner innerhalb der Stadtmauer und war die größte Stadt der damaligen Welt. Ein Zehntel der Bewohner Chang´ans waren Ausländer, die meist über die Seidenstraße nach China gekommen waren: Christen, Perser, Zentralasiaten und Araber. So ging der Glanz der chinesischen Hauptstadt in die Reiseberichte in Sogdien, Arabien und Byzanz ein als die Stadt „Khumdan“.

Das Chinesische Reich erreichte zur Zeit der Tang-Dynastie die größte territoriale Ausdehnung der Geschichte. Die Chinesen reklamierten ihren Herrschaftsanspruch in den West-Territorien entlang der Seidenstraße für sich und erreichten mit der Vernichtung des Westtürkischen Reiches den Höhepunkt der territorialen Expansion in den Westen. Im Zuge der Auflösung des westtürkischen Reichs durch die Chinesen wanderten türkische Stämme Richtung Westen und sollten dann später als Osmanen den Untergang des Oströmischen Reichs besiegeln.

Doch die wachsende Armut der Bauern und die Landkonzentration in die Hände von wenigen Großgrundbesitzern führten zum Kollaps der bis dahin staatstragenden Wehrpflichtarmee. Daraufhin wurde die Wehrpflichtarmee durch ein Söldnerheer ersetzt, welches ständig den jeweiligen Militärgouverneuren unterstellt war. Schließlich wurden aus einer ursprünglichen „Staatsarmee“ des Tang-Reiches eine „private Armee“ der Militärgouverneure, deren Loyalität in erster Linie dem jeweiligen Befehlshaber galt.

Die chinesische Expansion in Zentralasien wurde mit der militärischen Niederlage in der Schlacht am Talas durch das muslimische Abbasiden-Kalifat zerschmettert, in der die im chinesischen Heer kämpfenden Karluken zu den Muslimen überliefen.  Chinesische Gefangene sollen jedoch die Technik der Papierherstellung auf diesem Wege in die islamische Welt gebracht haben.

Noch bevor der Kaiser von China seine Truppen erneut gegen das Kalifat zusammenziehen konnte, brach im Reich eine Rebellion des sogdisch-chinesischen Militärgouverneurs An lushan gegen die chinesische Kaiserkrone aus. Diese fügte dem Reich einen derart vernichtenden materiellen wie menschlichen Verlust zu, dass sich das Reich nie mehr davon erholt hat. Millionen Menschen wurden durch die Raubzüge der Kriegsparteien getötet und ganze Landstriche der chinesischen Kernprovinzen verwüstet. Das Kaiserhaus geriet in immer größere Abhängigkeit von den anderen Militärgouverneuren, die zwar den Aufstand von An Lushan niederschlagen konnten, aber gleichzeitig die Autorität des Kaiserhauses untergruben. Der Untergang der Tang war die Folge.

Die darauffolgende chinesische Song-Dynastie schaffte einen Großteil der Machtbefugnisse der Generäle ab. Fortan wurden die kaiserlichen Armeen von den zivilen konfuzianischen Beamten strengstens kontrolliert und geführt. Gleichzeitig fiel die gesellschaftliche Stellung von Soldaten ins Bodenlose. Die regulären Armee bestand aus einem von der Zentralregierung kontrollierten Söldnerheer .

Die Song-Dynastie war für China eine Zeit der kulturellen Blüte und Erfindungen. Um das Jahr 1078 produzierten die Chinesen soviel Stahl wie in England zu Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert. Das Papiergeld wurde erfunden – mit den dazugehörigen ersten Inflationen der Weltgeschichte. Gleichzeitig erhielten Gelehrte einen beispiellosen rechtlichen, gesellschaftlichen wie politischen Status. Körperliche Folterstrafen oder gar Todesstrafen für zivile Beamten, die sich aus Gelehrten rekrutierten, wurden abgeschafft. Kanzler erhielten umfangreiche Machtbefugnisse, sodass sie in der späteren Süd-Song-Dynastie noch mächtiger wurden als der Kaiser selbst. Darüber hinaus wurden zahlreiche staatliche wie zivile Wohlfahrts-Einrichtungen gebaut, um Bedürftigen zu helfen.

Man kommt nicht umhin festzustellen, dass die Song-Dynastie zur wohlhabendsten, liberalsten und auch humansten Zeit des Alten Chinas zählt.

Das chinesische Militär freilich verlor wegen des geringen Ansehens seiner Soldaten (=staatliche Söldner),  der militärisch unerfahrenen Gelehrten als Heeresführer und dem Verlust der Zuchtgebiete für Pferde im Norden (an die Kitan) und Nordwesten (an die Tanguten) an Schlagkraft.

Von Anfang an war das militärisch schwache Reich der Song beständig einer massiven Bedrohung von Außen ausgesetzt – zunächst durch die Kitan (Das Reich der Groß-Liao), dann durch die Jurchen (Das Reich der Groß-Jin) und schließlich durch die Mongolen (Das Großmongolische Reich der Groß-Yuan). Statt sich mit den Reichen der Steppenvölker militärisch auseinanderzusetzen, praktizierten die Herrscher der Song lieber eine Politik der Kompromisse und Entspannung gegenüber den Nordvölkern, um sie zu besänftigen.

Die Chinesen zahlten den Nordreichen enorme Summen an Tributen, in der Hoffnung, ihnen die Aggression nehmen zu können. Obwohl diese Taktik zum Teil recht erfolgreich war (etwa Nord-Song gegenüber den Kitan und Süd-Song gegenüber den Jurchen), endete das chinesische Reich letztendlich in einer totalen Unterwerfung durch die Mongolen. Es war das erste Mal, dass das gesamte Chinesische Reich von einem Steppenvolk unterworfen wurde. Die Unterwerfung Chinas brachte gleichzeitig die Politik der Tributzahlungen gegenüber den Steppenvölkern bei den chinesischen Intellektuellen in Verruf.

Mit der Vernichtung der Song durch die Mongolen endete in China eine Ära der politischen Liberalität und des beispiellosen wirtschaftlichen Wohlstands. Die Mongolischen Kaiser der Yuan unterteilten die gesamten Bewohner des Reiches in vier Kasten: 1. Mongolen. 2. Semu (Zentralasiaten, Araber, Christen, etc.), 3. Nord-Han (Bewohner Nordchinas) und 4. Süd-Han (Bewohner Südchinas). Dem mongolischen Reichsgesetz entsprechend musste ein Han-Chinese mit seinem Leben bezahlen, falls er einen Mongolen totschlug. Ein Semu oder gar ein Mongole brauchte für den Totschlag eines Chinesen nur eine Entschädigung zu zahlen.

IV. Der Wiederaufstieg und die zweite Fremdherrschaft

Nach der Vertreibung der Mongolen aus China durch den Gründerkaiser der Ming-Dynastie Zhu Yuanzhang verfolgten die Chinesen eine Politik der Abgrenzung den Steppenvölkern gegenüber. Diese lautete: Keine Kompromisse, keine Kapitulation, keine Tribut-Zahlungen und keine Vermählungen der chinesischen Prinzessinnen mit den Prinzen von Mongolenfürsten. Diese Politik durchlief die gesamte Ming-Dynastie, selbst als Anno 1449 die Heere des Mongolenfürsten Esen Tayishi mit dem zuvor in der Schlacht gefangen genommenen Kaiser Zhu Qizhen  vor den Toren Pekings standen, und blieb bis zum bitteren Ende die Staatsräson der Ming schlechthin. Nachdem Kaiser Zhu Houcong die wiederholte Bitte des Mongolenfürsten Altan Khan um die Eröffnung von gegenseitigen Handelsbeziehungen verweigert hatte, fielen die Mongolen über eine Schwachstelle der chinesischen Mauer ein und drangen in die Vororte Pekings ein. Es war dem Kaiser der Ming zuvor selbstverständlich klar gewesen, dass die Mongolen ein Handelsverbot mit Raubzügen beantworten würden, um das zu nehmen, wo ihnen der Handel verwehrt wurde. Doch dies nahmen die Ming in Kauf. Als der Krieg gegen die aufstrebenden Mandschu im frühen 17. Jahrhundert den Chinesen eine Niederlage nach der anderen einbrachte, kamen Friedensverhandlungen trotzdem für die Entscheidungsträger der Ming niemals in Frage, auch wenn innerhalb des Reiches bereits chinesische Aufständische eine Stadt nach der anderen einnahmen und das durch Krieg und Hungersnot (ausgelöst durch die sogenannte Kleine Eiszeit in Ostasien) ausgezehrten und finanziell klammen Reich ein Zweifrontenkrieg gegen den Feind im Innern und mach Draußen offenbar nicht gewachsen war. Selbst wenn der Kaiser einen Frieden mit den Mandschu gewollt hätte, wäre er kläglich an dem massiven Widerstand der gesamten konfuzianischen Beamtenschaft gescheitert, die als Meinungsführer der Gesellschaft fungierten.

Anno 1644 nutzten die Mandschu (Das Reich Qing) den chinesischen Bürgerkrieg und fielen in China ein. China befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem Zustand der Anarchie und das Reich konnte keinen wirksamen Widerstand leisten. Die verbliebenen Anhänger des Kaiserhauses Zhu in Südchina waren zu sehr um den verwaisten Thron zerstritten, um die Invasion mit vereinten Kräften (wie zur Zeit der Süd-Song-Dynastie gegen die Jurchen) abwehren zu können. So eroberten die Mandschu in nur 20 Jahren mit Hilfe von chinesischen Generälen, denen sie Reichtum und Königstitel versprochen hatten, ganz China. Das letzte han-chinesische Kaiserreich erlosch, als der letzte Kaiser Zhu Youlang und sein zum Christentum konvertierter Kronprinz Constantin (nach dem Römischen Kaiser Constantin benannt) von den Mandschu gefangen genommen und hingerichtet wurden.

Der „feuerrote Drache“ des Kaiserhauses Zhu wurde durch den „wasserblauen Drachen“ des Hauses Aisin Gioro aus der Mandschurei ersetzt.

V. Mandschurisierung und Ende des Kaisertums

Ein Jahr nach der Machtergreifung in Peking befahl 1645 der mandschurische Reichsverweser Prinz Dorgon unter Androhung der Todesstrafe, dass alle chinesischen Männer nach mandschurischer Sitte fast sämtliche Kopfhaare zu scheren und einen Zopf zu tragen hatten. Die Chinesen betrachteten das Tragen des Zopfes jedoch als eine Barbarei und leisteten erbittert Widerstand, der jedoch blutig niedergeschlagen wurde. So wurde der Zopf zum Symbol der Unterwerfung der Han-Chinesen unter die Mandschu-Herrschaft.

Den Chinesen wurde zudem aufgezwungen, die nomadisch geprägte Kleidung der Mandschu zu tragen, die übrigens heute international als die “traditionelle Kleidung der Chinesen” gilt. Das war besonders demütigend für die damaligen Chinesen, da die mehr als 3.000 Jahre alten traditionellen Gewänder der Han-Chinesen einen wichtigen Bestandteil der chinesischen Identität darstellten.

Die Mandschu waren gegenüber Chinesen in absoluter Unterzahl.  Daher regierten sie das unterworfene Chinesische Reich durch die Kooperation mit der chinesischen Oberschicht (z.B. Großlandbesitzer/ Konfuzianer). Die Mandschu übernahmen die erzkonservativen konfuzianischen Traditionen, um sich die Loyalität der konservativen Konfuzianer zu sichern. Konfuzius wurde von den Mandschu-Herrschern in noch nie dagewesenem Ausmaß vergöttert. Gleichzeitig wurden Angehörige der Mandschu im Staat Qing politisch gesondert gefördert und besetzten die meisten Führungspositionen in der Beamtenschaft und im Militär. Ein Mandschu musste keine Beamtenprüfung ablegen, um einen staatlichen Posten zu erhalten. Selbst im nach dem Vorbild des Westens errichteten Regierungskabinett vom Mai 1911 kurz vor Ausbruch der Revolution waren neun von dreizehn Kabinettsmitgliedern Mandschu und mongolische Adlige. Eine Ehe zwischen Mandschu und Chinesen war zudem in der meisten Zeit der Dynastie strengstens untersagt.

In der Qing-Dynastie war es den Han-Chinesen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein untersagt, sich in der Mandschurei, Tibet, Xinjiang oder der Mongolei niederzulassen. “Teile und Herrsche”, so haben die Mandschu versucht, die Völker ihres Riesenreiches unter Kontrolle zu halten. Außerdem galt die Mandschurei als das Rückzuggebiet für die Mandschu, falls ein Aufstand der Chinesen im chinesischen Kernland Erfolg haben sollte. Die Mandschu haben deswegen eine 2.700 km lange Palisade vor den Toren der Mandschurei gebaut, um eine chinesische Einwanderung zu verhindern. Erst das Eindringen der Russen in die dünn besiedelte Mandschurei zwang die Qing-Dynastie dazu, die Einwanderungssperre in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegenüber Han-Chinesen aufzuheben.

Obgleich sich die große Mehrheit der chinesischen Oberschicht mit der Herrschaft der Mandschu abfand und sich als Teil des Staatsapparates ansah, existierten während der gesamten Qing-Dynastie Geheimgesellschaften im Süden des Reiches, die von den ehemaligen Anhängern der Ming-Dynastie gegründet zum Ziel hatten, einen der vielen Nachkommen der Prinzen des ehemaligen Kaiserhauses Zhu wieder auf den Kaiserthron zu setzen, um so den „chinesischen Staat“ wiedererstehen zu lassen.

Sun Yat-Sen, der als Vater der Chinesischen Republik gilt und heute sowohl in Festlandchina als auch in Taiwan verehrt wird, war Mitglied der Geheimgesellschaft Hongmen. Die Geheimgesellschaft „Hongmen“ strebte ursprünglich nach der Wiederrichtung der Ming-Dynastie. Viele Mitstreiter von Sun kamen auch aus dem Hongmen. Sun Yat-Sen, der eine Republik in China nach amerikanischem Vorbild einführen wollte, dachte freilich nicht daran, einen Zhu wieder auf den Kaiserthron zu setzen. Stattdessen wollte er mithilfe der seit hunderten von Jahren antimandschurisch ausgerichteten Hongmen die Qing-Dynastie stürzen, um eine han-chinesisch dominierte Republik auf chinesischem Boden zu errichten.

Die anschließende chinesische Revolution von 1911/1912 unter der Führung von Sun-Yat-sen, die die Republik China ins Leben rief, war indes in erster Linie eine gegen die Fremdherrschaft der Mandschu gerichtete Revolution, die zum Ziel hatte, “China wiederherzustellen” und “die Tataren zu vertreiben”. In erster Linie wollten die Revolutionäre nur die 18 Han-chinesischen Provinzen, also das chinesische Kernland, von der Mandschu-Herrschaft befreien. Nachdem der letzte Kaiser der Qing-Dynastie unter Vermittlung des nordchinesischen Militärführers Yuan Shikai der nach dem preußischen Vorbild aufgebauten Beiyang-Armee zur Abdankung gezwungen worden war, führte die neue Regierung der Republik China unter Beteiligung der Beiyang-Warlords das Konzept der “Chinesischen Nation” (Zhonghua Minzu) ein, um mit der Republik China als Rechtsnachfolger der Qing-Dynastie alle Territorien des Mandschu-Imperiums zu beerben. Dieser Begriff der „Chinesischen Nation“ soll fünf Völker Chinas einschließen. Demnach sollen Han, Mandschu, Mongolen, Tibeter und Muslime einem gemeinsamen „Chinesischen Volk“ angehören. “Zhonghua” war übrigens früher ein Synonym für China oder die chinesische Zivilisation.

VI. Verkennung der kulturellen Identität des modernen Chinas

Nachdem die Chinesen ihre politische Unabhängigkeit erlangt hatten, waren sie kulturell orientierungslos. Das alte System verachteten die neuen politischen wie kulturellen Eliten Chinas, da es als eine rückständige Fremdherrschaft angesehen wurde. Den Westen bewunderten und fürchteten sie. In den Augen der neuen chinesischen politischen wie akademischen Eliten bedeutete die westliche Zivilisation den Fortschritt, in der die Hoffnung für ein fortschrittliches China liegen würde. Die chinesische Kultur war für die neue Elite besonders nach den Bewegungen des 4. Mai 1919 ein Inbegriff der Rückständigkeit geworden.

Nach der Machtübernahme der Kommunisten 1949, insbesondere während der Kulturrevolution 1966-1976, wurde der Rest der chinesischen Kultur systematisch vernichtet. Alles Traditionelle wurde als böse, rückständig und feudalistisch abgestempelt und mit allen Mitteln bekämpft.

Nach 1980 wird die kommunistische Ideologie des Kulturkampfs in China nicht mehr real ausgelebt. Stattdessen setzt die chinesische Regierung in den letzten Jahren vermehrt auf die chinesischen Traditionen, um das ideologische Vakuum durch das reale Nicht-Ausleben der kommunistischen Ideologie des Klassenkampfs und Kulturkampfs mit Inhalt zu füllen. Dennoch ist in der heutigen chinesischen Gesellschaft von jener traditionellen chinesischen Kultur und ihren Werten  kaum Substanzielles übrig geblieben. Generell fehlt es den gesellschaftlichen Eliten des Landes scheinbar an Konzept und Willen in der Frage, wie man die Kulturbrüche durch die zwangsverordnete Änderungen der Bräuche der Qing-Zeit und der Kulturrevolution wieder schließen, eine Renaissance der traditionellen Werte, Kultur und Tugenden herbeiführen und diese mit der modernen westlichen Zivilisation vereinbaren könnte.

Heute sind Reste der chinesischen Zivilisation vor allem in Japan, Südkorea und Taiwan vorzufinden. Betrachtet man beispielsweise die im heutigen Japan immer noch alltäglich gepflegten und gelebten Traditionen und Bräuche, so fühlt man sich als Kenner der altchinesischen Kultur in die Zeit in China vor 1.700 Jahren zurückversetzt: Die japanischen Gewänder Kimono, die Tee-Zeremonie, die knieenden Sitzhaltungen, die Gärten, die Baukunst und vieles weitere stammen fast exakt aus den chinesischen Gebräuchen der Jin-Zeit vor etwa 1.700 Jahren oder aus der Tang-Zeit. Selbst Kernelemente des japanischen Samurai-Geistes, des Bushido (wie Aufrichtigkeit, Mut, Höflichkeit, Pflichtbewusstsein) sind ebenfalls zentraler Bestandteil des traditionellen chinesischen Konfuzianismus.

Nicht umsonst meinten japanische Zeitgenossen wie der Fürst Tokugawa Mitsukuni, dass Japan nach der mandschurischen Unterwerfung Chinas der einzige wahre Erbe der chinesischen Zivilisation sei. Diese Ansicht vertrat ebenfalls die Mito-Schule, die im feudalen Japan der Edo-Zeit bis zur Meiji-Restauration aktiven Einfluss auf Politik und Ideologie im ganzen Land ausübte. Aus Sicht der japanischen Gelehrten Hayashi Gahō und Hayashi Hōkō wurde aus dem „Reich der Mitte“, welches den Maßstab der Zivilisation für die fernöstliche Welt darstellte, ein „barbarisches Land“. In seinem Geschichtsbuch über Japan beschrieb der japanische Philosoph Yamaga Sokō gar Japan als „China“.

Japan ist der Übergang zu einer konstitutionellen Monarchie und in einen modernen Industriestaat auch deshalb so gut gelungen, weil die Japaner sich vollständig mit ihrer kulturellen, nationalen Identität und mit ihrem Kaiserhaus identifizieren konnten. So war es dann für Japan leicht möglich, mit einem selbstbewussten kulturellen und nationalen Bewusstsein die westliche Zivilisation zu übernehmen und diese mit ihren vorhandenen Strukturen und kulturellen Traditionen zu verknüpfen.

China wurde hingegen auf seinem Weg in die Moderne im ausgehenden 19. Jahrhundert und im frühen 20. Jahrhundert von einer Kaiserdynastie beherrscht, die von vielen progressiven Chinesen wie Sun Yat-Sen nicht als national vereinigender Anker in den großen Umbrüchen, sondern als eine Fremdherrschaft angesehen wurde, die es zuerst zu beseitigen galt. Die Beseitigung des alten Staatssystems, der traditionellen Werte und des traditionellen Gesellschaftsmodells wurden von vielen „progressiven“ Eliten als Voraussetzung für ein fortschrittliches China betrachtet. Auf diese Weise konnten die Chinesen weder auf ihre Traditionen (da das vorige Herrscherhaus und das damit verbundene Staatssystem als kulturelle und ethnische Unterdrückung empfunden wurde) zurückgreifen, noch konnten sie die eigenen kulturellen Traditionen mit der westlichen Zivilisation kombinieren.

Dieser an der eigenen Identität und Kultur zweifelnde innere Zustand der chinesischen Nation ist bis heute weitgehend erhalten geblieben. China von heute schöpft seine nationale Identität vor allem aus seiner als Schande empfundenen militärisch-kulturellen Niederlage gegenüber der Übermacht des Westens und aus dem nationalen Widerstand gegen imperiale Fremdmächte der Neuzeit. Hingegen fehlen eine normale, unverkrampfte Wertschätzung der eigenen Traditionen ebenso wie die Ausschöpfung der positiven kulturellen Eigenarten. Wer jedoch als Nation nicht von seiner eigenen Kultur überzeugt ist, der kann anderen seine kulturelle Werte ebenfalls nicht wirksam vermitteln. Darum ist China derzeit nicht in der Lage, als eine selbstbewusste Kulturnation in der Welt zu fungieren und seine Kultur in der Moderne zu erhalten und weiter zu entwickeln.

Lehren für die Nachwelt

Grundsätzlich ist es schwierig, aus der fernen Geschichte Lehren für die Nachwelt zu ziehen, da sich die historischen Umstände stark von den heutigen Gegebenheiten unterscheiden. Dennoch lässt die 3.700-jährige Geschichte des Reichs der Mitte wiederholt Muster erkennen, aus denen sich die Ursachen für den Aufstieg und Niedergang der Zivilisationen erkennen lassen.

Wir lernen daraus, dass eine wachsende Schere zwischen Arm und Reich, der Zusammenbruch eines stabilisierenden ländlichen Mittelstandes (Selbstversorgende Bauern mit Land) gepaart mit der zunehmenden Dekadenz der privilegierten Klasse die chinesischen Kaiserreiche nachhaltig destabilisiert haben (Spätere Han, Tang, Ming).

Wir lernen, dass exzessive finanzielle und materielle Belastungen der Bevölkerungen dazu führen konnten, dass auch die mächtigsten Imperien der chinesischen Geschichte im nächsten Moment ins Bodenlose fallen konnten (Qin, Sui).

Wir lernen, dass hochentwickelte Zivilisationen, die ihren Nachbarn um Jahrhunderte voraus waren, von der Barbarei unterworfen und zivilisatorisch um Jahrhunderte zurückgeworfen werden konnten, wenn sie nicht in der Lage waren, sich effektiv gegen ihre äußeren Feinde zu behaupten und zu verteidigen (Song, Ming).

Wir lernen, dass die exzessive Verachtung alles Soldatischen und Militärischen die Wehrfähigkeit der eigenen Zivilisation ins Absurde schwächte und dass ein Söldnerheer eine wesentlich geringere gesellschaftliche Unterstützung und Kampfkraft aufwies als eine funktionierende Wehrpflicht-Armee (Song).

Wir lernen, dass die Selbstbestimmung der eigenen, natürlichen kulturellen Entwicklung einer hochentwickelten Zivilisation die Voraussetzung für deren zivilisatorischen Fortschritt darstellte (Song, Ming, Qing).

Aus diesen Gründen sollte eine verantwortungsbewusste Staatsführung, welche sich zum Erhalt der Stabilität des Landes und der Fortentwicklung der eigenen Kultur verpflichtet, politische Maßnahmen ergreifen, um die Mittelschicht des Landes zu stabilisieren und zu stärken. Weiterhin sollte die Bevölkerung vor exzessiven finanziellen wie materiellen Belastungen verschont bleiben. Die Bevölkerung sollte Freiheit und Freiräume haben, um wissenschaftliche und kulturelle Innovationen und Entwicklungen voranzutreiben. Eine solche Staatsführung sollte keinen aufgeblähten Militärstaat aufbauen, die Wehrfähigkeit des Landes jedoch stets im Blick behalten, um die zerbrechliche innere wirtschaftliche Blüte zu schützen.

Wenn verkrustete Strukturen, Bürokratie und Vetternwirtschaft die Verwaltung und Wirtschaft lähmen und Innovationen behindern, sollte eine kluge Staatsführung die Politik zum Wohle der Nation und der Zukunftsfähigkeit aktiv gestalten, um einerseits technische Innovationen und wirtschaftliche Transformationen zu ermöglichen und andererseits die soziale Mobilität zu erhöhen und mögliche Verfestigungen der sozialen Schichten durch Bildungsangebote aufzubrechen.

Vor allem aber sollte eine solche verantwortungsbewusste Regierung die kulturelle Homogenität des Landes bewahren und die eigene Kultur parallel zu der technologischen Entwicklung selbstbestimmt in die Fortschrittlichkeit führen.

Diese Lehren aus der langen Geschichte Chinas würde ich auch den politischen Verantwortlichen in Deutschland ans Herz legen.

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