Tichys Einblick
Ähnlich wie in Sachsen und Bayern

Steigende Asylzahlen überfordern Österreichs Grenzregionen

In Österreich haben sich die illegalen Grenzübertritte und Asylanträge in diesem Jahr schon jetzt mehr als verdoppelt. Ein ähnliches Bild zeigt sich in Bayern und Sachsen. Diese Zahlen führen zu allerhand Aktionismus in Wien und Berlin. Eine dauerhafte Lösung des Problems ist nicht in Sicht.

Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze bei Walserberg, 21.09.2022

IMAGO / Revierfoto

Der Herbst ist da, aber von Entspannung an Europas Grenzen keine Spur. Im Burgenland greifen Polizei und Bundesheer derzeit jede Woche 3.000 Migranten auf. Die Dunkelziffer könnte noch einmal deutlich höher liegen. An Spitzentagen waren es laut Landespolizeidirektion schon bis zu 800, wo es im Juli noch bei rund 250 Aufgriffen am Tag blieb. Die „Grundversorgung“ in der Grenzregion operiert am eigenen Belastungslimit. Auf Erstbefragungen – gemeint ist die Frage nach dem Asylantrag – verzichtet man wegen der Masse der Aufgriffe ganz. Das ist ein weiterer Schritt, der in ein Migrationschaos wie 2015 führt.

Für Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) sind die Zustände von 2015 schon wieder erreicht, nämlich wenn man die derzeitige Entwicklung auf das gesamte Jahr hochrechnet. Im Vergleich zu den Ereignissen von vor sieben Jahren handle es sich dieses Mal nicht um eine „momentane Situation“, sondern um eine „permanente“, sagte Doskozil laut ORF. Allerdings war die Gesamtzahl der Asylanträge im Juli so hoch wie noch nie. Selbst 2015 gab es keine 14.240 Anträge in einem Monat. In den ersten acht Monaten wurden 56.000 Asylanträge in Österreich gestellt. Eine Verdreifachung der Zahlen im Vergleich zum Vorjahr kündigt sich damit an. Im gesamten Jahr 2021 gab es 19.938 Asylanträge in Österreich.

Sturm auf Österreich! #Migranten#Fluechtlinge

— Hilfsjournalist (@hilfsjournalist) September 16, 2022

Der Landespolitiker Doskozil macht dafür die schwarz-grüne Bundesregierung in Wien verantwortlich. Die habe aus der Krise von 2015 nichts gelernt und versuche, die aktuelle Explosion der Zahlen auszusitzen. „Das Asylthema“ bekomme man aber „nur in den Griff, wenn man die Systematik im Hintergrund ändert“. Damit meint Doskozil zum Beispiel die Möglichkeit, Asylanträge außerhalb Europas zu stellen. Damit wäre die Situation des Grenzlandes Burgenland gemildert, zu Ende wären auch unsichere Mittelmeerboote und andere gefährliche Migrationsrouten für die Antragsteller. Die aktuelle Situation ist für Doskozil folglich eine „Bankrotterklärung der Migrations- und Asylpolitik Österreichs und auch der EU“. Die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner möchte übrigens nicht von einer Krise sprechen und hält das Ganze nur „ein innenpolitisch gemachtes Thema“. Ja, bis die neuen Migranten auch in den Wiener Gemeindebezirken ankommen …

Schuster: Gespräche über EU-Außengrenze – Faeser: Migranten reisen oft über Belgrad

Eindruck macht derweil, dass eine Gruppe von Ausländern im Juli und August so weit vorne in der österreichischen Asylstatistik lag. Es waren die Inder, die angeblich kaum Chancen auf Asyl in der EU haben. Wie kommt es, dass sie die weite Reise dennoch wagen? Die Erklärung dafür scheint in Belgrad zu liegen und führt dazu, dass nicht nur Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Rande der UNO-Generalversammlung mit dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić sprach.

Auch die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) plant Gespräche mit Belgrad, weil diese Migrationswelle anscheinend nicht geht. Denn auch in Bayern und Sachsen mehren sich die illegalen Einreisen mit anschließendem Asylantrag. Auch in Deutschland geraten Städte, Gemeinden und Landkreise dadurch buchstäblich an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) hat Bundesinnenministerin Faeser laut Bild zu Gesprächen über die „Sicherheit der EU-Außengrenze“ aufgefordert.

Faeser gesteht inzwischen zumindest zu, dass es ein Problem gibt. „Wir sehen verstärkte Migration über Tschechien, über Österreich – auch nach Deutschland“, sagte die Ministerin nun laut ntv zum Migrationsnotstand, von dem der sächsische Innenminister Schuster seit Mitte August intern spricht. „Ich habe mit meinen beiden Kolleginnen und Kollegen [aus Österreich und Tschechien] darüber schon gesprochen, was wir gemeinsam auch tun können.“ Das nachgeschobene „auch“ ist eine typische Spezialität des deutschen Politikersprechs und kann offenbar nie schaden. Es könnte bedeuten, dass man daneben auch etwas anderes (oder auch nichts) tut.

Daneben hob Faeser hervor, dass viele Migranten mittlerweile über die serbische Hauptstadt Belgrad einreisen, „auch über den dortigen Flughafen“. Der serbischen Regierung möchte sie die Frage stellen, „warum die Migration auf einmal so zugenommen hat“.

Was war passiert? Das kleine Serbien hatte in einem Akt von Selbständigkeit die Visa-Regeln für Indien gelockert und sich so einige Touristen eingehandelt, von denen es sicher nicht wissen konnte, dass sie ihr Glück in Bussen und Zügen Richtung EU versuchen würden. Aus New York meldete Nehammer laut der Kleinen Zeitung bereits erste Gesprächserfolge: „Serbien ist bereit, Österreichs Interessen zu unterstützen.“ Nur gut, aber Serbien wird – nicht anders als andere Staaten auch – etwas dafür verlangen, vielleicht sogar die EU-Mitgliedschaft oder zumindest den nächsten Schritt darauf zu.

Drehscheibe Serbien – aber die Hauptquellen liegen andernorts

In Serbien scheint bekannt zu sein, dass das Land zur neuen Drehscheibe für Migranten auf dem Weg nach Westeuropa geworden ist. Ein NGO-Vertreter, dessen Aussagen sicher mit Vorsicht zu genießen sind, spricht gar von 10.000 Migranten, die sich zu jedem Zeitpunkt in Serbien aufhalten, die meisten aus Asien und Nordafrika. In sieben Monaten hätten 65.000 Migranten das Land passiert, so der Geschäftsführer des serbischen „Center for Assistance to Asylum Seekers“, Radoš Ðurović. Diese Zahlen sind sozusagen das spiegelbildliche Abbild der österreichischen Aufnahmezahlen.

Doch die Beschäftigung mit dem kleinen Nachbarland Serbien überdeckt im Grunde nur die Notwendigkeit, eine eigene Politik zu finden, die in allen Zusammenhängen funktioniert. Der SPÖ-Rebell Doskozil macht sich da zumindest Gedanken. Auch die dänische Regierung hat sie sich gemacht. Der neue Innenminister Karner hat die „Danish Return Agency“ in Kopenhagen in diesem Sommer erst besucht. Doch gefolgt ist daraus noch nichts. Österreich ist zudem durch die EU-Verträge in anderer Weise gebunden als Dänemark, das sich ebenfalls noch schwertut, das gewünschte Abkommen mit Ruanda zu schließen. Vorerst bleibt den Europäern wohl nur ein Konzept, um die Migrationsströme abzuwehren: ein funktionierender Grenzschutz.

Am Ende darf man vielleicht auch die Faeser-Anekdote vom Belgrader Flughafen nicht zu ernst nehmen. Denn die Migrationsrisiken steigen derzeit auch am Mittelmeer und der griechisch-türkischen Landgrenze zu deutlich an, als dass man sie übersehen könnte oder Konsequenzen für Mitteleuropa vernachlässigen könnte. Gerade erst hat der türkische Innenminister bekannt gegeben, dass sein Land keinen einzigen weiteren Flüchtling aufnehmen könne. Man werde die Grenzen öffnen und die Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten nach Europa schicken. Am Evros, aber auch im Burgenland, Passau und Dresden könnten ungemütliche Tage auf uns zukommen.

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