Tichys Einblick
"Court Packing"

USA: Demokraten wollen Oberstes Bundesgericht aushebeln

Linke US-Demokraten offenbaren ihre Pläne, die demokratische Mehrheit in beiden US-Kammern zu nutzen, um tiefgreifende Änderungen am politischen System der USA vorzunehmen. Biden steht jetzt am Scheideweg.

IMAGO / MediaPunch

US-Präsident Biden gab vergangenen Freitag die Einrichtung einer Präsidenten-Kommission bekannt, die sich mit einer möglichen “Reform” des Obersten Gerichts der USA befassen soll. In Washington weiß jeder, was mit “Reform” gemeint ist: „Courtpacking“ (zu deutsch in etwa “das Gericht vollstopfen”). Die Idee dahinter ist, die Zusammensetzung des höchsten US-Gerichts zu verändern. Und zwar nicht, indem man nur Richter für freigewordene Plätze ernennt, so wie es die letzen hundert Jahre üblich war, sondern indem man neue Richterposten hinzufügt, die dann mit genehmen Personen besetzt werden können.

Das wäre ein historischer Bruch mit allen Konventionen. Seit der Zeit des Bürgerkriegs im 19. Jahrhundert blieb der Supreme Court auf neun Richter beschränkt. Im Endeffekt könnte man das Gericht so lange aufblähen, bis es eine gewünschte linke Mehrheit gibt. So zumindest der Plan linker Aktivisten, die vor allem wütend sind über die Richterbesetzungen durch Bidens Vorgänger Trump.

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Trump hatte zusammen mit dem damaligen Senat unter Mehrheitsführer Mitch McConnell in so kurzer Zeit so viele Richter für den Supreme Court ernannt, wie kein ein anderer US-Präsident in den letzten 40 Jahren. Bevor er 2017 sein Amt antrat, bestand das Gremium aus vier Richtern des eher linken Lagers und vier aus dem eher konservativen. Richter Kennedy stand in der Mitte.  Trump besetzte den Sitz des verstorbenen Konservativen Antonin Scalia und ernannte einen Nachfolger für Kennedy, der 2018 in den Ruhestand ging. Zuletzt ernannte er eine konservative Nachfolgerin für Linken-Ikone Ruth Bader Ginsburg, die letztes Jahr verstarb. So steht es nun 6 zu 3 für das konservative Lager. Und auch wenn der Vorsitzende Richter Roberts immer häufiger mit den drei “Linken” stimmt, dann steht es eben doch zumindest 5 zu 4 für eine originalistische Interpretation der US-Verfassung. Das ist ein Novum in der jüngeren Geschichte des Gerichts, welches insbesondere linke Aktivisten erzürnt.

Eine breite Koalition linker Gruppen unterstütze Biden letztes Jahr bei der Präsidentschaftswahl. Der wollte sich nämlich vor der Wahl nicht festlegen, ob er Courtpacking ablehnt (TE berichtete). Gruppen wie “Demand Justice” fordern das jetzt von ihm ein. Nach deren Plan soll er 4 neue Richtersitze hinzufügen – damit könnte Biden eine 7 zu 6 Mehrheit linker Richter durchsetzen. Dazu müsste aber der Kongress eine Gesetzesänderung billigen, die die Anzahl der Richter erhöht. Nach dem Sieg in den Senatswahlen im US-Bundesstaat Georgia Anfang dieses Jahres haben die Demokraten eine hauchdünne Mehrheit in Senat und Repräsentantenhaus. Ob die allerdings für so einen radikalen Vorschlag reicht, ist eine andere Frage, gerade der moderate demokratische Senator Joe Manchin aus dem tiefroten West Virginia (Trump holte den Staat mit fast 40 Prozentpunkten Vorsprung bei der letzten Wahl) könnte dem im Weg stehen.

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Grundsätzlich wird die Zeit knapp, bereits in zwei Jahren stehen die Midterms an, die Kongresswahlen, bei denen das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neugewählt werden. Republikaner machen sich hier, wohl zurecht, Hoffnungen eine oder sogar beide Kongresskammern zurückzugewinnen. Sollten sie etwa einen Sitz im US-Senat dazugewinnen, wären sie dort zurück in der Mehrheit. Alle “Reform”-Pläne wären dabei natürlich sofort vom Tisch, aber auch über die Bestätigung jedes US-Bundesrichters entscheidet der Senat. Tritt dann einer der Richter am Obersten Gericht zurück oder verstirbt einer von ihnen, wäre Biden gezwungen, für Republikaner akzeptable Richter zu ernennen oder der Sitz wäre vielleicht sogar für eine längere Zeit vakant.

Das fürchten linke Aktivisten nun und fordern daher strategische Rücktritte linker Richter damit die Platz machen für jüngere, auch identitätspolitisch passablere Richter. Sie wollen die zwei Jahre nutzen, in der ihre Partei noch auf jeden Fall Senat und Präsidentenamt kontrolliert. Gruppen wie “Demand Justice” werden dabei zunehmend dreister:

Rund um das Gerichtsgebäude des Supreme Court in Washington lassen sie Plakatwägen herumfahren, die direkt an den ältesten Richter Stephen Breyer gerichtet sind: “Breyer geh in den Ruhestand! Es ist Zeit für eine schwarze Frau als Supreme Court Richterin. Es gibt keine Zeit zu verlieren!”, heißt es da völlig unverblümt. Ob der von Präsident Bill Clinton in den 90ern ernannte “alte, weiße Mann” seinen Parteifreunden den Gefallen tut, bleibt fraglich. „Biden lässt Breyer entscheiden, wann er in den Ruhestand geht“, das titelte die Nachrichtenseite The Hill jüngst, ganz so als hätte Biden da irgendwie mitzureden. Natürlich ging es um die Hoffnung einiger Linker, der Präsident würde vielleicht selbst intervenieren und sogar persönlich Druck auf den älteren Richter ausüben. Bisher bleibt Richter Breyer von all dem allerdings unbeeindruckt und macht keine Anstalten aufzuhören, wie es sich viele Linke wünschen.

Im Oktober soll dann Bidens Kommission zur “Reform” des Gerichts ein Ergebnis liefern, dann wird man sehen, ob er den radikalen Schritt zum parteipolitischen Aufblähen des Gerichts unternimmt. Das ist aber nicht der einzige Plan der Demokraten, der das politische System in den USA umkrempeln würde – und vor allem nicht der einzige Weg. Eines der Vorhaben, ein langer Wunsch der Demokraten, den Biden nun ausdrücklich unterstützt, ist es, den links dominierten Hauptstadtdistrikt Washington D.C. als Bundesstaat aufzunehmen. Damit würden automatisch 2 linke Senatoren im Senat dazukommen, für radikale Vorhaben wäre man dann auf den moderaten Senator Manchin nicht angewiesen und würde gleichzeitig die Balance der Kammern auf Dauer nach links verschieben.

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