Tichys Einblick
Mexiko

Andres Manuel Lopez Obrador (AMLO) – Ein Messias für Mexiko?

Der neue mexikanische Präsident verspricht, sein Land von der Armut und der Korruption zu befreien. Dabei ist er selbst Teil eines korrupten politischen Systems, das er nicht bekämpfen, sondern weiter ausbauen wird. Von Heinz Joachim Gund und Roland Springer.

Newly appointed Mexican President Andres Manuel Lopez Obrador speaks after the swering-in ceremony during the events of the Presidential Investiture as part of the 65th Mexico Presidential Inauguration at Congress of the Union on December 01, 2018 in Mexico City, Mexico.

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Am 1. Dezember wurde Andres Manuel Lopez Obrador (AMLO) als Präsident der Vereinigten Staaten von Mexiko vereidigt. Damit ging ein Traum des linkspopulistischen Politikers in Erfüllung. Zwölf Jahre musste er auf den Moment warten, Mexiko regieren zu dürfen, zwei frühere Versuche glückten nicht. Es gelang ihm nun mit der neugegründeten, ganz auf ihn zugeschnittenen Partei MORENA (Movimiento Regeneración Nacional – Bewegung zur nationalen Erneuerung). Und für die Mexikaner endete mit seiner Wahl ein ‚Sexenio‘ (sechsjährige Regierungszeit) der Partei PRI (Partei der Institutionalisierten Revolution). Nach zwölf Jahren Opposition konnte sie im Jahre 2012 erneut die Macht im Land erringen, das sie zuvor 72 Jahre lang ununterbrochen regiert hatte. Danach überzog die PRI das Land in einem zuvor nie da gewesenen Maße mit Korruption.

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Der Verdruss eines Großteils des Volkes darüber sowie die Zerstrittenheit der bürgerlichen Parteien begünstigte AMLO’s Wahl am 1. Juli 2018 ganz offensichtlich. 32 Millionen Mexikaner gaben ihm ihre Stimme, was etwa einem Viertel der Gesamtbevölkerung entspricht. Gewonnen hat er die Wahlen aber nicht zuletzt auch durch einen Pakt mit dem Vorgängerpräsidenten, Enrique Peña Nieto, und seiner PRI. Als sie merkten, dass ihnen die Felle davon schwammen, unterstützten deren Funktionäre lieber AMLO – gegen den eigenen PRI-Kandidaten. Kurioserweise schwenkten die regierungsnahen Medien, vor allem die mächtige Fernsehgesellschaft TELEVISA, in der Endphase der Wahlkampagne ebenfalls auf AMLO’s Seite.

Der hierfür bezahlte Preis war der Verzicht auf jegliche Strafverfolgung gegenüber dem bislang korruptesten Staatspräsidenten Mexikos und seiner Entourage in Partei, Administration und Wirtschaft. Peña Nieto bleibt damit das erspart, was dem ehemaligen brasilianischen Präsidenten Lula de Silva widerfahren ist: eine Anklage und Verurteilung nach seiner Abdankung wegen Korruption. Vielleicht verständlich, wenn man weiß, dass auch AMLO ursprünglich aus der PRI hervorgegangen ist; dennoch ein sehr hoher Preis, der den Verrat an AMLO‘s Wählern, Idealen und Wahlversprechen miteinschließt.

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Vorschusslorbeer als Saubermann, der mit den korrupten Machenschaften der Politik aufräumen, Straflosigkeit nicht zulassen, sich den sozial Benachteiligten widmen und ihre Belange auf die politische Agenda setzen werde, wurde AMLO dennoch (oder gerade deswegen) ins Haar geflochten. Daran beteiligten sich auch einige der deutschen Medien. So bezeichnete ihn etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) als „Messias von Mexiko“, der „vielen Mexikanern aus der Seele“ spreche. Was will AMLO nun aber tatsächlich bewirken und wird er das, was er verspricht, auch halten?

Seinen ersten Verlautbarungen nach der Wahl und vor der Amtseinführung zufolge solle es einen „auténtico Estado de Derechos“ (authentischen Rechtsstaat) und keine Enteignungen geben. Auch die Privatwirtschaft werde, entgegen seinen Ankündigungen aus dem Wahlkampf, unangetastet bleiben, die Steuern nicht erhöht werden. Die Notenbank solle jedoch unabhängig und die Haushaltsdisziplin erhalten bleiben. Höhere Staatsausgaben sollen sich, wie durch ein Wunder, über ein Zurückdrängen der Korruption finanzieren. Er versprach, die Korruption auszumerzen und „el Nuevo México“ (das Neue Mexiko) gegen alle Unbillen wie Hurrikane, Erdbeben, Korruption und Straffreiheit zu gründen.

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Der Staat werde nicht mehr ausgeben, als er einnehme. Ausländische Investitionen würden in Mexiko sicher und sehr rentabel sein. Den Finanzmärkten werde seine Regierung Vertrauen geben, was jedoch mit dem Absturz der Börse und einer merklichen Abwertung des Peso bereits in Frage steht. Zu den USA wolle er ein freundschaftliches Verhältnis suchen. Es wird von einer Art Marshallplan gesprochen, den er mit den USA und Kanada zur Stabilisierung vor allem mittelamerikanischer Länder und der Eindämmung der Migration über Mexiko Richtung USA abschließen möchte.

Daneben hat er jede Menge populistischer Maßnahmen, allen voran eine deutliche Rentenerhöhung, angekündigt. Immer schon hat AMLO vor allem den Besitzlosen und Unterrepräsentierten das Blaue vom Himmel versprochen. An der prekären Situation vieler Mexikaner konnte oder wollte er, entgegen all seiner Versprechen, allerdings schon als ‚Regente‘ (Oberbürgermeister) der Hauptstadt Mexico City nicht viel ändern. Die Straßen füllten sich in seiner Amtszeit mit ambulanten Händlern, die Plätze mit Buden und Camps. Selbst der altehrwürdige ‚Zocalo‘ (Hauptplatz) mit der Kathedrale, dem ‚Palacio Nacional‘ (Regierungspalast) und dem Rathaus wurden nicht verschont.

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Waren es die hehren Gründe der Ökologie oder rein praktische, um dem Verkehrskollaps vorzubeugen, dass die Ringstraße ‚Périférico‘ und Teile der Stadtautobahnen mit Fahrbahnen auf zweiter Ebene versehen wurden? Ein riesiges Bauvorhaben. Dieses Konzept machte Schule. Viele andere Städte zogen nach. Solche Mega-Bauprojekte sind bekanntlich eine gute Möglichkeit, finanzielle Zuwendungen abzuzweigen, und werden dafür nicht nur von brasilianischen, sondern von lateinamerikanischen Politikern im Allgemeinen gerne genutzt.

Angeblich trägt AMLO diesbezüglich aber eine weiße Weste. Er ließ in seiner Zeit als Oberbürgermeister andere die Schmutzarbeit ausführen. Zahlreiche seiner Vertrauensleute und Parteimitglieder waren oder sind noch wegen Wirtschaftsdelikten, Unterschlagungen und Korruption von der Staatsanwaltschaft angeklagt. Es wird immer wieder gefragt, wie es AMLO nur schafft, quasi wie ein Asket, ohne Einkommen sein Leben zu bestreiten ? Angeblich bezahlt ihm die Partei nur eine mickrige Zuwendung, damit er sich aufreiben kann zum Wohl seiner Anhänger. Seine Familienmitglieder halten sich öffentlich weniger zurück und entlarven das Getue mit ihrem Lebensstil als reine Farce.

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Die ersten Anzeichen sprechen erneut dafür, dass Megaprojekte im Land geplant sind, ob sinnvoll oder nicht. So soll eine tausend Kilometer lange Eisenbahnstrecke, „Tren Maya“ tituliert, auf der Halbinsel Yucatán angelegt werden, um ausländische Touristen in einen relativ schwach besiedelten Landstrich zu locken. Den dort wohnenden Bevölkerungsgruppen der ‚Yucatecos‘, ‚Quintanaroenses‘, ‚Campechanos‘, ‚Chiapanecos‘ und ‚Tabasqueños‘ wurden 400.000 neue Arbeitsplätze und wirtschaftlicher Aufschwung versprochen. Zehn weitere Infrastrukturprojekte sind dafür vorgesehen.

Mexico City soll einen neuen Flughafen bekommen, was von der Vorgängerregierung auf einem Areal am Rand des weitgehend ausgetrockneten Sees von Texcoco – zu großen Teilen ein Naturschutzgebiet – geplant wurde. Ein weiterer Flughafen im nahen Toluca wurde als Alternative oder Ergänzung in früheren Jahren groß und teuer angelegt, kürzlich eine Bahnverbindung durch die Berge mit der Hauptstadt errichtet und die Autobahn ausgebaut. Genutzt wird er jedoch kaum, da durch die enorme Höhenlage die Flugzeuge nicht optimal belastet werden können.

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AMLO nahm als designierter Präsident dieses Thema auf, denn er will das mittlerweile zu einem Drittel ausgeführte, von ihm zuvor immer wieder kritisierte Bauprojekt nicht weiterführen. Seine Idee ist, einen bestehenden, weiter entfernten Militärflugplatz (Sta. Lucia) ausbauen zu lassen und diesen neben den beiden genannten zu nutzen. Finanziell gesehen angeblich fast ein Schnäppchen, aber nach Meinung von Experten unsinnig, da dieser in derselben Einflugschneise wie der alte Flughafen liegt und somit keine Entlastung bringen würde.

Ein neuer, ausreichend großer internationaler Flughafen muss her, egal, was es kostet, nur nicht der von Texcoco. Die Entschädigungen für die Aufgabe dieses Flughafenprojekts werden sich auf ca. 6 Milliarden US$ belaufen. Die Verträge wurden zwischen den Vertragsparteien als ‚intransferibles‘ (nicht übertragbar) geschlossen, womit AMLO die Möglichkeit der Einmischung und der wirtschaftlichen Vorteilsnahme genommen ist. Dies scheint der eigentliche Hintergrund der Ablehnung zu sein und nicht vorrangig angeführte ökologische Bedenken und solche wegen Intransparenz.

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Den Ausschluss aus diesem Megaprojekt wollte er offensichtlich nicht hinnehmen – und so schaltete AMLO das ‚Volk ein. Bereits Mitte Oktober ließ er auf illegale Art und Weise direkt darüber abstimmen, ob und wo der Flughafen gebaut werden solle – vermutlich in der Gewissheit, bei Bedarf ein für ihn unpassendes Votum auch ignorieren zu können. Referenden sind nach Artikel 35 der mexikanischen Verfassung verboten und daher auch nicht bindend. Es wird sich bald zeigen, dass das vorgeschobene ‚Wort des Volkes‘ und die quasi diktatorische präsidentielle Anweisung umgesetzt werden. Man fragt sich, wo die Initiative der Gerichte bleibt, um gegen diesen Rechtsbruch vorzugehen.

Bei der Gelegenheit des ersten Referendums kündigte AMLO allen seinen Gegnern an, dass sie sich daran gewöhnen müssten, zukünftig mit ‚Consultas Ciudadanas‘ (Volksbefragungen) leben zu müssen. Die konservative Oppositionspartei PAN (Partido Acción Nacional – Partei der Nationalen Aktion) sowie Journalisten protestierten scharf und verkündeten, AMLO keine Handhabe zu solchem Tun gewähren zu wollen. Von der damals noch amtierenden PRI-Regierung war keine Verlautbarung hierzu zu vernehmen. Inzwischen verkündete AMLO, die Verfassung ändern zu wollen, um Volksbefragungen zu erleichtern.

Für den 11. November riefen verschiedene Nichtregierungsorganisationen zu einem ersten großen Protestmarsch in Mexico City auf gegen Autoritarismus (Selbstherrlichkeit), simulierte Referenden, die Vermengung von politischen und privaten Interessen sowie für die Legalität und auch für die demokratische Zukunft Mexikos, die die Protestierer in Gefahr sehen. An dem Protestmarsch nahmen tausende Bürger teil. Kurz vorher, am 29. Oktober hatte AMLO ein ‚Nein‘, d.h. eine Entscheidung gegen den Flughafen Texcoco verkündet.

Es gilt abzuwarten, wie AMLO die gewaltigen Kosten (ca. 4 Mrd. USD bereits verbautes Kapital plus ca. 6 Mrd. USD Konventionalstrafen) gegenüber dem mexikanischen Volk rechtfertigen will. Manipulation und Demagogie waren ihm allerdings noch nie fremd. Nun bekamen er und seine Partei bei der Wahl einen Freibrief und das Forum, in beiden Kammern des ‚Congreso de la Unión‘ (Parlament) sowie in den meisten Länderparlamenten den eigenen Willen durchzusetzen. Erkennbar ist das bereits in der Ministerriege, in der Verwaltung der Bundesstaaten und Kommunen sowie in den ‚Barrios‘ (Ortsdistrikte). Zwei Gouverneure haben inzwischen dagegen Protest eingelegt, dass ihren Staaten die fiskalische Hoheit genommen werden soll. Es riecht ordentlich nach dem altbekannten System der (sozialistischen) Einheitspartei, die die Föderalstaaten dirigiert und gängelt.

In Kuba hat man es Lateinamerika vorgemacht, Chavez hat es für Venezuela kopiert und Maduro hält daran fest. Mit welchen Ergebnissen ist weithin bekannt. Es zeichnet sich bereits ab, dass der Finanz- und Immobilienmarkt sowie die Wirtschaftsleistung des Landes leiden werden. Inländische und ausländische Investitionen dürften zurückgefahren werden, wenn nicht ganz ausbleiben. Die Vertragsunsicherheit, die durch die Aufkündigung des Texcoco-Flughafenprojekts aufkam, wird das Land teuer zu stehen kommen. Anfang November setzte die erste Rating-Agentur prompt die Wirtschaftsaussichten Mexikos von stabil auf negativ herab. Andere zogen inzwischen nach, was die Zinsen nach oben und den Peso auf den tiefsten Stand seit 2014 trieb. Die Finanzierung der angestrebten Projekte in Höhe von jährlich 80 Mrd. USD dürfte schwierig werden.

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