In den Niederlanden setzt sich die Diskussion rund um gewaltsame Ausschreitungen gegen Fans des israelischen Fußballclubs Makkabi Tel Aviv fort. Bis zum kommenden Donnerstag wurde die Notverordnung verlängert, durch die keine Demonstrationen im Stadtgebiet mehr erlaubt sind. Am Sonntag wurden dennoch hunderte pro-palästinensische Demonstranten auf dem zentralen Dam vorläufig festgenommen und in mehreren Bussen abtransportiert.
In der Nacht auf Freitag vergangener Woche hatte ein muslimischer Mob israelische Fans angegriffen und teils verletzt. Die Videos waren eindeutig. Vielen Beobachtern drängte sich der konkrete Eindruck eines Pogroms gegen Juden und speziell Israelis auf. Nun behauptet die Gegenseite, dass auch israelische Fans zu den Geschehnissen beigetragen hätten. Eine palästinensische Flagge sei von einem Haus abgerissen und zerrissen worden. Israelische Fans sollen Parolen vom Sieg der eigenen Streitkräfte skandiert haben – das jedoch rechtfertigt keinesfalls die massive Gewalt der anderen Seite.
„Wir waren nicht überrascht, dass etwas passieren würde, aber wir waren überrascht von der Intensität und Wildheit in den Gassen. Wir haben nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Gewalt später auf diese Weise stattfinden würde“, sagte ein Polizeikommissar dem Telegraaf. Verblüffend war für die Beamten vor allem die Geschwindigkeit und Effizienz, mit der die Dinge ihren Lauf nahmen. Dazu trug vor allem die Mobilität der Unruhestifter bei, die sich auf Motorrollern durch die Stadt bewegten. Auch Taxifahrer und Vespafahrer sollen zu den Kurieren gehört haben. „Ich musste noch nie so oft laufen und meinen Schlagstock benutzen wie in dieser Nacht“, sagt ein erfahrener Beamter.
Ausschreitungen als Teil einer neuen Terrorwelle?
Schon am Morgen nach dem Geschehen war klar geworden, dass die pogromartige Stimmung keineswegs einem Zufall entsprang, vielmehr sorgfältig geplant war. Laut einem Bericht in der französischen Wochenzeitung Journal du Dimanche waren die Ausschreitungen gegen israelische Fußballfans kein Zufall. Darüber schreibt der Geheimdienstexperte Claude Moniquet in dem Sonntagsblatt. Die Ereignisse hatten demnach „nichts von Spontaneität“. In pro-palästinensischen Telegram-Gruppen habe es einen bis zwei Tage zuvor Aufrufe gegeben, die Israelis „gebührend willkommen zu heißen“. Die niederländischen Behörden seien sich der Schwere der Ereignisse voll bewusst, heißt es in dem Bericht. Deshalb habe Premierminister Schoof nach den antisemitischen Pogromen seine Reise zur UN-Klimakonferenz in Baku abgesagt.
Zu den Gruppen, die die kommandoartigen Angriffe auf israelische Fußballfans geplant haben, gehörte laut dem JDD die Studentengruppe „Justice for Palestine“, die zuvor niederländische Universitäten blockiert hatte. Die Namen der einzelnen Gruppen sind dabei weniger interessant. Ins Licht der Aufmerksamkeit – auch über das Amsterdamer Geschehen hinaus – rückt aber erneut der Iran, der seit langem als Inspirator terroristischer Taten im Ausland bekannt ist.
Der iranische Außenminister sagte bei einer Gedenkveranstaltung für den jüngst getöteten Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah am vergangenen Wochenende: „Wenn die israelische Aggression fortwährt, dann kann sich der Krieg und die Unsicherheit auf sehr weit entfernte Gebiete ausdehnen.“ Und tatsächlich haben auch die iranischen Revolutionsgarden jüngst einen Gewaltaufruf gegen Israelis via Telegram veröffentlicht. Danach soll „kein Ort der Welt für die Zionisten sicher sein“.
Anschlag auf dänische Botschaft: Iran wirbt Kindersoldaten aus Schweden an
Für ihre neue Terrorwelle werben die iranischen Geheimdienste laut Moniquet auch in Dänemark und Schweden lokale Kriminelle an, um Attentate verüben zu lassen. Das berichtet der französische Inlandsgeheimdienst DGSI.
Diese Praxis hatten die Mullahs laut Moniquet schon vor 20 Jahren angewendet. Ging es damals um Exil-Oppositionelle, so geht es heute um Israelis im Ausland. Mehrere Angriffe auf israelische Botschaften kommen in den Sinn, etwa die Schüsse am Münchner Generalkonsulat Anfang September oder – hierzulande kaum bemerkt – der Granaten-Anschlag auf die israelische Botschafterin in Kopenhagen am 2. Oktober. Täter waren hier ein „schwedischer Minderjähriger“ und ein junger Erwachsener. Ins Zentrum des Interesses rücken damit auch bekannte schwedische Gangs wie „Loyal to Familia“, die in die neue Gewalt gegen Israelis und Juden verstrickt sein sollen.
Weitere Mordversuche in Deutschland und Frankreich sollen von Teheran geplant und mit Helfern ansatzweise umgesetzt worden sein. In Paris und Berlin werde dazu gegen mehrere Personen ermittelt, schreibt Moniquet im JDD. Das Bindeglied zwischen den Iranern und den Ausführenden sei ein Drogendealer aus der Region Lyon und andere franko-algerische Kriminelle.
Halsema: „Ich würde am liebsten alle beschützen, aber ich kann es nicht“
Unter Druck gerät derweil die grün-linke Bürgermeisterin von Amsterdam, Femke Halsema. Sie hatte zu den Angriffen zunächst gesagt: „Was letzte Nacht passierte, war kein Protest.“ Es sei vielmehr ein Verbrechen gewesen. Aber damit ist Halsemas Herumgeeiere noch nicht vorbei. Bei einem Treffen mit der jüdischen Gemeinde sagte die Bürgermeisterin: „Ich würde am liebsten alle beschützen, aber ich kann es nicht. Wir haben viele Straßen, mit vielen Menschen. Wenn etwas schief geht, versucht die Polizei einzugreifen.“ Die Polizei zeigte durch massenhafte Festnahmen am Sonntag, dass es durchaus anders geht.
Auch der Sprachgebrauch der Bürgermeisterin wurde aus der jüdischen Gemeinde kritisiert. Sie spreche immerzu von „Kriminellen auf Motorrollern“, es habe sich aber vor allem um Marokkaner gehandelt. „Wir wissen genau, welche Typen involviert waren.“ Halsema müsse das eindeutig benennen. Geert Wilders hat Halsemas Rücktritt gefordert: „Die Bürgermeisterin von Amsterdam muss heute noch zurücktreten.“ Auch Geert Wilders, Vorsitzender der größten Partei in den Niederlanden, zögerte nicht damit, von einem „Pogrom“ zu sprechen. Er rief zur umgehenden Abschiebung, Deportation des „multikulturellen Abschaums“ auf, der die Angriffe verübt hatte.
Ob es ein wirkliches Pogrom war oder nicht, darum wird sich die Diskussion in den Niederlanden wohl im weiteren Verlauf drehen. Der nationale Sicherheitsrat Israels hat nun den eigenen Staatsbürgern davon abgeraten, für das Fußballspiel zwischen Frankreich und Israel nach Frankreich, genauer ins Département Seine-Saint-Denis nördlich von Paris, zu reisen.
Derweil wurden Rasierklingen hinter „Free Palestine“-Aufklebern entdeckt, was bedeutet, dass derjenige der einen solchen Aufkleber abreißen will, erhebliche Verletzungen riskiert. Auch hier ist die gewaltsame Absicht nicht zu verkennen, die eine Parole als unbestreitbare Wahrheit – und sei es in Form eines Stickers – in der Öffentlichkeit befestigen will.