Der Satz war von erschlagender Direktheit: „Das System der Apartheid hat seinen Ursprung in der Schaffung Israels im Mai 1948.“ Zu lesen war er in einem Bericht der Menschenrechtsorganisation „Amnesty“ International über „Israels Apartheid gegen Palästinenser“, den das jüdische Magazin „Forward“ am Sonntag vor Sperrfrist veröffentlicht hatte.
Dass ausgerechnet Menschenrechtsorganisationen Israel „Apartheid“ vorwerfen, ist nicht neu. Seit Monaten läuft eine Kampagne von NGOs gegen die einzige westliche Demokratie im Nahen Osten, die auf deren Fundamente zielt und in einer langen Tradition des „Zionismus ist Rassismus“ (so eine UN-Resolution von 1975) steht.
Nicht die erste NGO
Zunächst hatten sich die linken israelischen Organisationen „Yesh Din“ und „B’Tselem“ mit dem „A-Wort“ hervorgewagt. Es handelt sich um Gruppierungen, die in Israel hochumstritten, dafür im Westen umso beliebter sind, und die in beiden Fällen direkt oder indirekt auch von deutschen Steuergeldern finanziert wurden oder werden. Dann zog im April 2021 die international angesehene Organisation „Human Rights Watch“ (HRW) nach, die Israel auf rund 220 Seiten attestierte, eine „Grenze überschritten“ zu haben und „Apartheid“ sowie „Verfolgung“ zu praktizieren. Nun also ist auch „Amnesty“ an der Reihe. Die haben gerade noch gefehlt, möchte man sagen.
Dazu gehört auch die Behauptung, dass man eine Art Rechtsgutachten vorlege, das Israel am rechtstechnischen „Apartheid“-Begriff messe, wie er in internationalen Verträgen niedergelegt ist, so etwa im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. Auf diese Weise will man dem Vorwurf entgehen, Israel mit Südafrika zu vergleichen, dessen Apartheid-Regime seinerzeit rassische Segregation auf übelste Weise praktizierte. In Wahrheit ist der Begriff, stammend aus dem Afrikaans, jedenfalls in der öffentlichen Wahrnehmung natürlich untrennbar genau damit verbunden.
Angriff auf Israels jüdische Identität
Auch der Kern des Berichts ist der gleiche wie schon im Fall von HRW: Er zielt auf die Abschaffung Israels als jüdischer Staat. „Warum?“, so entgegnen Verteidiger der Sache „Amnestys“, darunter Georg Restle. Nirgendwo im Text werde das Existenzrecht Israels in Frage gestellt. Doch damit liegen sie falsch. Die Kontexte und Hintergründe des Konflikts im Blick lässt sich ein Angriff aufs Existenzrecht dem Gutachten sehr wohl entnehmen.
Entlarvend aber ist vor allem der Angriff auf das israelische Einwanderungsrecht, das Juden weltweit die Immigration nach Israel ermöglicht, nicht aber Palästinensern. Explizit fordert „Amnesty“, allen Palästinensern, die das Land im Kontext der israelischen Staatsgründung verlassen haben oder vertrieben wurden, und deren Nachkommen ein Einwanderungsrecht zu gewähren. Laut Vereinten Nationen handelt es sich hierbei um rund fünf Millionen Menschen, davon fast alle Nachkommen, die das Land zum ersten Mal betreten würden. Das wäre schon rein mathematisch das sichere Ende Israels als jüdischer Staat, da die Bevölkerungsmehrheiten kippen würden.
Dann aber wäre Israel nicht mehr Israel, denn dieser Staat macht ja gerade nur als jüdischer Staat Sinn: der einzige Ort politischer Selbstbestimmung für das jüdische Volk und auch eine Rückversicherung für Juden weltweit. Was anderes ist das, als ein Angriff auf das israelische Existenzrecht?
In Deutschland noch Hemmungen
Für Israel handelt es sich um eine echte Bedrohung nicht-militärischer Art, eine Bedrohung auf der Ebene von PR in den internationalen Beziehungen. In vielen Ländern gibt es schon jetzt auch auf Regierungsebene nur noch wenig oder gar keine Hemmungen mehr, sich den Apartheid-Vorwurf zu eigen zu machen.
Es ist gut, dass das in Deutschland noch anders ist und viele Politiker die Probleme des Berichts erkennen. So erklärte etwa der FDP-Abgeordnete und Parlamentarische Staatssekretär Benjamin Strasser seine „Amnesty“-Mitgliedschaft für beendet. Auch aus CDU, SPD, von Grünen und von AfD waren kritische Stimmen in verschiedenen Abstufungen zu vernehmen.
— Özlem Alev Demirel (@OezlemADemirel) February 1, 2022