Tichys Einblick
AL-QAIDA

Osama bin Ladens Sicherheitschef kehrt zurück – Afghanistan wird wieder zum Terrorhafen

Mit Amin al-Haq kehrt die Terrorgruppe Al-Qaida offiziell zurück nach Afghanistan. Die Taliban brechen damit das Abkommen mit den USA. Der Terrorismus und speziell Al-Qaida wird schon bald wieder aufleben.

Bild via twitter

Amin al-Haq ist vor ein paar Tagen in seine Heimatstadt Nangarhar im Osten von Afghanistan zurückgekehrt. Derselbe Amin al-Haq war Sicherheitschef von Osama bin Laden, dem Gründer von Al-Qaida und Planer der Anschläge vom 11. September 2001, mit denen der weltweite islamistische Terrorismus einen Höhepunkt erreichte. Während der sogenannten Schlacht um die Bergfestung Tora Bora war al-Haq verantwortlich für bin Ladens Sicherheit. Diese militärische Auseinandersetzung fand im Dezembder 2001 statt zwischen einer von US-Streitkräften geführten Koalition und der al-Qaida, die von den Taliban unterstützt wurden. Der Höhlenkomplex Tora Bora (Paschtu: schwarzer Staub) liegt in der Provinz Nangarhar. Es verwundert also nicht, dass Amin al-Haq nach nur zwei Wochen der Taliban-Machtübernahme triumphierend nach Nangarhar zurückkehrt.

Afghanistan schreibt seit der Machtübernahme der Taliban wieder an der Terror-Geschichte. Dadurch, dass die Taliban ganz Afghanistan beherrschen, bekommt der Terrorismus enormen Aufwind – und wieder ein neues, altes Zuhause.

Es ist der 30. August 2021 als al-Haq in einem weißen SUV durch die Kontrollschranke zu Nangarhar fährt. Hinter dem SUV folgen weitere Autos, darin sein Begleitschutz, seine Gefolgschaft, allesamt bewaffnete Kämpfer. Al-Haq trägt einen sorgfältig gewundenen weißen Turban, eine weiße Robe mit schwarzer Weste darüber. In dieser Kleidung erinnert Amin al-Haq an seinen Freund und Chef Osama bin Laden, der fast immer traditionell in weißer Robe mit weißem Turban gekleidet war. Der einzige optische Unterschied: Al-Haq trägt eine Brille über langem Islamisten-Bart. Auch erinnert die Farbe nun an die weißen Taliban-Flaggen, die in ganz Afghanistan wehen. Eine kleine Menge strömte zu al-Haq, um ihm die Hand schütteln oder Selfies mit ihm machen zu können. Einige wollten seine Hand küssen. Seine Ankunft wird von den Menschen jedenfalls freudig begrüßt.

Für Amin al-Haq war es ein großer Triumph, in das Gebiet, mit welchem er an der Seite von bin Laden gegen die USA kämpfte, zurückzukehren. Es ist ein Triumph gegen die USA und gegen den Westen. Und vor allem ein Triumph für den Terrorismus. Er und andere Al-Qaida-Kommandeure fühlen sich nun sicher genug, um öffentlich im Taliban-Land in Erscheinung zu treten. Seit zwei Jahrzehnten unterstützten Al-Qaida-Führer und -kämpfer die islamistische Taliban in Afghanistan. Al-Haq hatte schon immer eine besondere Verbindung zu den Taliban. So war er in seinem Dienst für Osama bin Laden der persönliche Verbindungsmann zu den Taliban.

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Laut Interpol wurde al-Haq im Jahr 1960 in Nangarhar geboren. Er soll ein ausgebildeter Arzt der Urologie sein. Als Sicherheitskoordinator führte er die Eliteeinheit „Black Guard“ (Schwarze Garde) für den Schutz Osama bin Ladens an. Angeblich war er 2002 an der Flucht bin Ladens beteiligt, um ihn aus Tora Bora nach Pakistan zu schleusen. Dort lebte bin Laden völlig unbehelligt weitere Jahre, bis er von US-Spezialeinheiten in der Stadt Abbottabad aufgespürt und am 2. Mai 2011 getötet wurde. 2008 wurde al-Haq in Pakistan verhaftet und inhaftiert; allerdings wurde er 2011 freigelassen, da die pakistanischen Beamten fadenscheinig „unzureichende Beweise“ für seine Freilassung anführten. Auch ist al-Haq mit Sanktionen der Vereinten Nationen konfrontiert wegen Beteiligung an der Finanzierung, Planung, Vorbereitung oder Durchführung von Handlungen oder Aktivitäten zur Unterstützung von Osama bin Laden und Al-Qaida sowie für die Lieferung, den Verkauf oder die Übertragung von Waffen und zugehörigem Material zur Unterstützung von Terroraktivitäten.
Taliban bleiben Al-Qaida treu

Im Jahr 2020 fanden Friedensgespräche in Katar statt, die zu einem Abkommen über die Beendigung des Krieges führten. Während diesen versicherten die Taliban den USA, dass sie Al-Qaida keinen Unterschlupf gewähren und stattdessen besonders die schwachen Bevölkerungsgruppen Afghanistans in Gespräche über politische und soziale Integration einbeziehen würden. In den „Country Reports on Terrorism“ der US-Regierung von 2019 ist bereits festgehalten, dass die USA im Laufe des Jahres 2019 ein „Abkommen“ mit den Taliban versuchten auszuhandeln, „das die Taliban verpflichten würde, gegen internationale Terrorgruppen vorzugehen, einschließlich der Verbote, dass diese Gruppen auf afghanischem Territorium rekrutieren, ausbilden oder Gelder beschaffen, und diese Gruppen nicht beherbergen. Als Gegenleistung für diese Zusagen und für die Aufnahme innerafghanischer Verhandlungen, an denen die afghanische Regierung, andere afghanische Führer und die Taliban teilnehmen würden, würden die USA einem Zeitplan für den bedingungsabhängigen Abzug der internationalen Truppen aus Afghanistan zustimmen.“ 

Die USA, zu diesem Zeitpunkt unter Präsident Donald Trump, glaubten offensichtlich daran, dass eine islamistische Terrororganisation, die Taliban, ihren verbündeten Islamisten-Freunden keinen Unterschlupf gewähren würde, sogar gegen diese vorgehen würden. Ebenso naiv war die deutsche Regierung, denn sie war es, die die „Friedensverhandlungen“ eifrig mitorganisierte. Das Ziel war ein Waffenstillstand, bei dem vor allem der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) unbedingt die Unterstützung Deutschlands der afghanischen Regierung als auch der radikalen Taliban für die Verhandlungen zusicherte. In dem Abkommen, welches von Taliban und USA unterschrieben wurde, wird explizit Al-Qaida erwähnt, denen kein sicherer Hafen mehr von der Taliban gewährt werden sollte. Jetzt passiert jedoch genau das, wodurch die unterzeichnete „Garantie“ für den US-Truppenabzug von den Taliban offiziell gebrochen wird. Dieses Abkommen bildete die Grundlage dafür, „Frieden“ zu schaffen, die Truppen abzuziehen und den längsten Krieg der USA zu Ende zu führen. Die Taliban halten sich nicht an das Abkommen mit den von ihnen verhassten Amerikanern und bleiben ihren islamistischen Freunden namens Al-Qaida treu – das war nicht anders zu erwarten.

Das Wiederaufleben von Al-Qaida 

Mit der Rückkehr von Amin al-Haq steht so gut wie eindeutig fest: Die Machtübernahme der Taliban bedeutet ein Wiederaufleben von Al-Qaida. Als Territorium bietet Afghanistan abermals wie schon in den 1990er Jahren die Möglichkeit eines Rückzugsraumes zur Selbststärkung. Laut einem UN-Bericht (Mai 2021) befanden sich bereits 2021 tausende Terroristen des Islamischen Staats und von Al-Qaida in Afghanistan. Al-Qaida hatte vor dem Taliban-Einmarsch dort ungefähr 500 Kämpfer unter Waffen und sei in einem Drittel der afghanischen Provinzen aktiv. Da Al-Qaida eine zersplitterte Terrororganisation ist, könnte Afghanistan nun das Land sein, in welchem die Kämpfer aus Asien und Afrika sich wieder vereinen könnten. Taliban und Al-Qaida eint vor allem der Hass auf den Westen und dem Rachegedanken aufgrund des Einmarsches in Afghanistan. Beide Gruppen sind nun auf dem Weg wieder eine vereinte Terrororganisation mit einem geografischen Gebiet zu bilden, was den Terrorismus viel gefährlicher macht. 

Afghanistan wird zum Terrorhafen

Die Taliban haben mit dem triumphierenden Empfang für Osama bin Ladens Sicherheitschef Amin al-Haq das Zeichen an jegliche islamistischen Extremisten ausgesandt: Dass diese in Afghanistan von nun an willkommen sind. Unmittelbar nach der Machtübernahme gratulierte Al-Qaida den Taliban zum „Siegeszug“ und sprach von einem „historischen Sieg“. Vom Propagandaflügel wurde eine zweiseitige Mitteilung von dem Generalkommando Al-Qaidas verbreitet, in welcher es heißt: „Zu diesem historischen Ereignis möchten wir das islamische Emirat beglückwünschen, besonders [dem Taliban-Führer] Haibatullah Achundsada“, „Gott hat uns den Sieg versprochen und Bush die Niederlage, wir werden sehen, welches Versprechen erfüllt wird“, schreibt das Islamisten-Kommando mit Verweis auf den früheren US-Präsidenten George Bush, welcher den US-Einmarsch in Afghanistan nach den Terroranschlägen 9/11 angeordnet hatte.

Ebenso gratulierten hochrangige Hamas-Führer den Taliban zum „Sieg“; dieser sei das „Ergebnis ihres langen Kampfes der vergangenen 20 Jahre“, erklärte die islamistische-palästinensische Terrorgruppe. Die Hamas wünsche „dem afghanischen Volk und seiner Führung Einheit, Stabilität und Wohlstand“. Der Sieg der Taliban mache deutlich, dass „der Widerstand der Völker“, auch des palästinensischen Volkes, „zum Sieg bestimmt“ sei. Vor Kurzem veröffentlichte die Hamas-Führung Fotos von einem Treffen zwischen ihrem Anführer Ismail Haniyeh und einer Taliban-Delegation. Das Treffen fand laut Berichten im Taliban-Büro in Doha statt, wo Haniyeh sich seit zwei Jahren aufhält. Die Karten für islamistische Freundschaften werden nun neu gemischt.

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