Die Feierlichkeiten zum 75. Jahrestag der Staatsgründung Israels werden von heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen überschattet. Letztendlich spiegelt der aktuelle Disput über die Justizreform der rechts-konservativen Regierung Benjamin Netanjahus den Kulturkampf und die Zerrissenheit in der gesamten westlichen Welt wider. Auch in Israel scheinen Kluft und Unversöhnlichkeit zwischen den Lagern größer denn je; auch im jüdischen Staat wird hoch emotional und grundsätzlich gestritten, auch hier sind die Medien mehr Partei als nüchterne Berichterstatter.
Und dennoch ist Israel anders. Wenn in den Straßen Zigtausende, zuweilen Hunderttausende bei Massenprotesten auf die Straßen gehen, wird das Bild beider Lager geprägt von den unzähligen blauweißen Fahnen Israels. Denn als überzeugte Patrioten fühlen sich fast alle – nur interpretieren Linke und Rechte ihre jeweiligen nationalen Überzeugungen höchst unterschiedlich.
Israel bleibt die Manifestation des Überlebenswillens des jüdischen Volkes. Auch 75 Jahre nach der Gründung des jüdischen Staates auf biblischem Boden gilt es, die Existenz Israels gegen mächtige, finstere Feinde zu verteidigen. „Wenn sie könnten, würden sie uns alle ermorden. Aber sie werden uns nicht besiegen; wir werden sie besiegen“, sagte Netanjahu am Montag angesichts eines neuen arabischen Terroranschlags in Jerusalem.
Israel bleibt eine Zumutung für die Antisemiten dieser Welt, eine Provokation für weite Teile der islamischen Welt. Der ewige Hass auf das Judentum vereint wieder einmal weltweit die unterschiedlichsten Gruppen, Araber, Islamisten, Reaktionäre, Linke und viele mehr. Wie immer seit 1948 ist der jüdische Staat in seiner Existenz bedroht, sieht sich mit politischen wie historischen Lügen diffamiert. Auch hinter der „deutsch-israelischen Freundschaft“ verbergen sich oft, aber nicht immer offen, Feindseligkeit, Unverständnis und Missgunst – sicher aber auch manche Illusionen.
Das 75-jährige Bestehen Israels wird ab Ende April mit Militärparaden und Feuerwerk, mit Volksfesten und Gedenkveranstaltungen gefeiert. Allerdings liegt ein Schatten auf den Festlichkeiten: Diesmal sind es nicht, wie so oft seit 1948, Feinde von außen, die den kleinen Staat von der Größe Hessens in seiner Existenz bedrohen; es sind die heftigen Konflikte in der israelischen Gesellschaft selbst, die nur schwer Festtagstimmung aufkommen lassen.
Für die zahllosen offenen und die vielen verdeckten Feinde Israels, die das Land seit Jahrzehnten wie unter einem Brennglas kritisch beäugen, sind die innenpolitischen Wirren lediglich ein erfreulicher neuer Anlass, den jüdischen Staat zu delegitimieren. Die Demokratie sei in Gefahr, so der aktuelle Vorwurf; zudem drohe die endgültige Annexion des Westjordanlands. Das behaupten vor allem jene, die sich im Westen als Freunde Israels bezeichnen. Für seine Feinde ist Israel ohnehin nur ein imperialistischer Apartheidstaat, der ständig die Menschenrechte verletzt.
Nicht nur die grotesk hohe Zahl von Verurteilungen durch den UN-Menschenrechtsrat (seit 2006 mehr als die Hälfte aller Resolutionen) belegt, dass Israel nach wie vor „der Jude unter den Nationen“ ist (so der Harvard-Professor Alan Dershowitz), sprich der ewig Diskriminierte, Verfolgte und Verleumdete. Es wäre vielleicht auch ein Wunder, wenn der Staat der Juden nach über 2.500 Jahren der Geschichte des Antisemitismus in der Welt plötzlich keine Zielscheibe von Hass und Ablehnung mehr wäre.
Israelis aller Lager sind sich in einem Punkt weitgehend einig: Die Gegensätze in der israelischen Gesellschaft scheinen zu wachsen, sie wirken bedrohlich und zuweilen ausweglos. Auf der einen Seite wächst die Zahl der Ultraorthodoxen, die sich zu einem guten Teil der Moderne und der Demokratie verweigern. Andererseits zweifeln viele – vor allem linksgerichtete und junge – Israelis an der Glaubwürdigkeit und Zukunftsfähigkeit Israels, besonders wegen der ungelösten Probleme mit den Palästinensern.
Die enorme Unterschiedlichkeit zwischen dem säkularen Israel („Tel-Aviv-Staat“) und dem religiösen Israel („Jerusalem-Staat“) sind schwer zu überbrücken und bedeuten eine stetig wachsende Herausforderung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Schließlich leben in Israel neben den etwa sieben Millionen Juden auch noch rund zwei Millionen überwiegend muslimische Araber, was gleichfalls ein Hintergrund für manche Konflikte ist.
Gelebter Traum vom jüdischen Staat
Die Feiern zum 75-jährigen Bestehen Israels werden also nicht ungetrübt sein, aber vermutlich lastete auch auf allen früheren Festtagen dieser Art das Gewicht des ungelösten Nahostkonflikts. Vor allem die älteren Generationen sind sich aber bewusst, welche einmalige Erfolgsgeschichte der jüdische Staat feiern darf.
Überleben seit 3.000 Jahren
Zu Israels Stolz gehört das Wissen, dass die alten Kulturen der Ägypter, Assyrer, Babylonier, Griechen oder Römer heute nicht mehr existieren. Die Juden sind von allen Völkern der alten „westlichen“ Welt die Einzigen, die die Jahrtausende mit ihrer Kultur überlebten, laut der US-Historikerin Barbara Tuchman die Einzigen, die heute noch dieselbe Sprache sprechen, dieselbe Religion ausüben und in demselben Land leben wie in der Antike.
Heute symbolisieren die Wolkenkratzer-Skyline von Tel Aviv, die prächtig restaurierte Altstadt von Jerusalem, die global agierenden Hightechfirmen im Land oder die blühenden Plantagen in den Wüstenregionen Israels kaum vergleichbaren Erfolg. Es scheint wie die triumphal gelungene Verwirklichung des zionistischen Traums. Allerdings war es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, als Theodor Herzl begann, für seine kühne Vision einer Heimstatt der Juden im Heiligen Land zu werben, bis zum Tag der Staatsgründung im Mai 1948 ein extrem leidvoller Weg.
Bis heute prägen Kriege und Konflikte die Geschichte Israels. Noch immer steht Israels Existenz auf dem Spiel. Vom ersten Tag der Staatsgründung bis heute ist Israel bedroht wie wohl kein anderer Staat auf der Welt. Trotz aller wirtschaftlichen und militärischen Erfolge der Vergangenheit muss das Land immer wieder aufs Neue höchste Kampfbereitschaft demonstrieren, gilt es, den weltweiten Respekt vor den israelischen Streitkräften, den Geheimdiensten und der Rüstungsindustrie des Landes aufrechtzuerhalten. Hilfreich ist dabei, dass Israel als Atommacht mit nuklearen Waffen gilt – was offiziell allerdings nie bestätigt wurde.
Israel gewann alle Kriege
Als David Ben-Gurion am 14. Mai 1948 in Tel Aviv gemäß einem Beschluss der UN-Vollversammlung zur Beendigung des britischen Mandats in Palästina die Unabhängigkeit des Staates Israel ausrief, dauerte es nur wenige Stunden, bis ein erster Krieg ausbrach.
Inzwischen zählen nicht mehr alle arabischen Staaten zu den offenen Feinden Israels. Mit Jordanien und Ägypten wurden Friedensverträge geschlossen, auch zu sechs anderen arabischen Ländern bestehen heute diplomatische Beziehungen. Umfragen in der arabisch-islamischen Welt zeigen aber immer wieder, wie tief verankert der Hass auf Juden und Israel in der Bevölkerung noch ist.
Feinde Israels in der ganzen Welt
Die Phalanx der offenen, erbitterten Feinde Israels reicht heute von Palästinenserorganisationen wie Hamas und PLO über Dutzende von Staaten der Dritten Welt bis hin zu dem islamischen Gottesstaat Iran, der aus israelischer Sicht emsig den Bau einer Atombombe anstrebt und weltweit – vor allem islamistische – Extremisten wie die Hisbollah im Libanon unterstützt.
Kaum eine Regierung formuliert den Wunsch nach der Auslöschung des jüdischen Staates so klar und kalt wie die Diktatur der Mullahs in Teheran. Sie lassen kaum einen Zweifel daran, dass es für sie nur eine Frage der Zeit ist, bis Israel, der „Schandfleck auf dem islamischen Gewand“ (Irans Ex-Präsident Mahmud Ahmadineschād) von der Landkarte getilgt werden könne.
In der unmittelbaren Nachbarschaft Israels macht auch die Hamas im – früher israelisch besetzten – Gaza-Streifen keinen Hehl aus ihrer Absicht, für einen Palästinenserstaat „from the river to the sea“ (also vom Jordanfluss bis zum Mittelmeer) kämpfen zu wollen; was zu Ende gedacht die Auslöschung des Staates Israel impliziert. PLO-Chef Mahmud Abbas, der demokratisch nicht mehr legitimierte Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde im Westjordanland, gilt zwar vielen im Westen als friedenswilliger Vertreter der Palästinenser, vor seinen eigenen Leuten aber spricht er noch immer von der „Befreiung Palästinas“ .
Zahlreiche Reden von Abbas und anderen PLO-Führern belegen, dass sie der Tradition des legendären, 2004 verstorbenen PLO-Führers Jassir Arafat folgen: vordergründig – und vor allem vor westlichem Publikum – werden Frieden und Verhandlungen gepriesen, wird dem Terrorismus abgeschworen und Israel anerkannt. Hinter der freundlichen Fassade verfolgen sie indes weiter ihren israelfeindlichen Kurs.
In Wirklichkeit schützen die palästinensischen Führer aber vor allem ihre Privilegien, werben seit Jahrzehnten erfolgreich um Milliardenhilfen von den Vereinten Nationen, der EU und vielen Staaten für palästinensische „Flüchtlinge“ (heute in der vierten Generation) und für die palästinensisch verwalteten Gebiete. Und selbstverständlich bleibt die Beseitigung Israels auf der politischen Agenda.
Böse gesagt: Auch die Palästinenser können stolz auf eine Erfolgsgeschichte blicken. Sie haben es über die Jahrzehnte hinweg verstanden, sich der Weltöffentlichkeit als Opfer israelischer Vertreibung und Landnahme, israelischer Unterdrückung und Misshandlung darzustellen. Sie haben sich dabei als wahre Meister von „Fake News“ und „Fake History“ entpuppt.
Es besteht in der Welt eine große Bereitschaft,
finstere Geschichten über Israel
zu glauben – Deutschland nicht ausgenommen
Die Araber der Region haben sogar den Begriff der „Palästinenser“ neu geprägt, der seit der Antike lediglich zur Beschreibung der Region galt und auch für die Juden der Region verwandt wurde. Man sprach in offiziellen Papieren beispielsweise des Völkerbunds und der UN stets von „Arabern und Juden aus Palästina“, wobei mit Palästina das gleichnamige britische Mandatsgebiet gemeint war. Auch deshalb sprach die UN-Flüchtlingsorganisation UNRWA stets von „arabischen Flüchtlingen aus Palästina“.
PLO-Chef Arafat war es, der Ende der 1960er den Namen für die Araber in Israel, im Westjordanland und im Gaza-Streifen okkupierte, so als ob es so etwas wie ein „palästinensisches Volk“ je gegeben hätte. In der UN und auch in deutschen Regierungsdokumenten kommt der Begriff „Palästinenser“ erstmals 1974 vor – binnen Jahren war es gelungen, den Begriff erfolgreich zu besetzen.
Ewiger Streit um die Wahrheit
Im Nachhinein war das wohl ein genialer PR-Coup Arafats – und nur ein Beispiel dafür, wie arabische Narrative über die Geschichte der Juden und Araber sowie der Situation in der Region immer wieder als äußerst wirkungsvolles Propagandainstrument genutzt werden. Das hat sicher auch damit zu tun, dass in der Welt eine große Bereitschaft besteht, finstere Geschichten über den jüdischen Staat zu glauben – Deutschland ganz sicher nicht ausgenommen.
Der politische und wissenschaftliche Streit um Geschichte und Gegenwart, über Realitäten und Wahrheiten des jüdischen Volkes und der israelischen Staatsgründung füllt Bücher und Schriften, mit denen man leicht eine große Bibliothek bestücken könnte. Die Hintergründe des Begriffs „Palästinenser“ sind nur ein Beispiel für den ideologischen Krieg zwischen Juden und Arabern.
Fakt ist, dass die jüdische Einwanderung und Besiedlung in Palästina zwar politisch auf heftigen Widerstand in der arabischen Welt stieß, in der Realität vor Ort aber vom legalen Erwerb von Ländereien und Grundstücken mit ganz normalen Kaufverträgen geprägt war. Es war bald eine systematische Landnahme – in der die gewalttätige Vertreibung von Arabern zunächst kaum eine Rolle spielte. In den zwei letzten Jahrzehnten vor der Staatsgründung Israels allerdings agierten radikale jüdische Milizen auch mit terroristischen Mitteln, die sich aber vor allem gegen die britische Besatzungsmacht (1918-48) richteten. Als dann 1948 der Tag X kam und der UN-Teilungsplan für das britische Mandatsgebiet umgesetzt werden sollte, lehnte die gesamte arabische Welt die Gründung eines israelischen und eines arabischen Staates ab (Jerusalem sollte einen internationalen Status erhalten).
In der Zeit der Unabhängigkeitserklärung und des anschließenden Kriegs verließen etwa 750.000 Araber Palästina. Viele flohen aus Angst oder verließen ihre Häuser, weil sie damit einer Aufforderung der arabischen Allianz folgten. Diese hatte die Araber ermutigt, Israel zu verlassen, bis sie nach dem zu erwartenden arabischen Sieg wieder heimkehren könnten. Nun wurde aus diesem Plan nichts.
Juden wurden brutal vertrieben
Bei den Schilderungen der Geschichte der jüdischen Einwanderung respektive Heimkehr ins gelobte Land und der Ereignisse um die israelische Staatsgründung steht die angebliche Vertreibung der „Palästinenser“ im Mittelpunkt; sie ist bis heute Ausgangspunkt aller arabischen Forderungen. Was bei Schilderung der Geschichte meistens fehlt, ist der Hinweis auf die teilweise brutale Vertreibung von mindestens 800.000 Juden aus den arabischen Staaten. Viele flohen nach Israel, viele nach Europa oder in die USA.
Israels damaliger Premier Ehud Barak wollte der Zwei-Staaten-Lösung ebenso wie einer Teilung Jerusalems zustimmen, akzeptierte die Aufgabe fast aller Siedlungen im Westjordanland und enorme Wiedergutmachungsgelder für die Palästinenser. Der Plan scheiterte am Unwillen Arafats, der stattdessen die Palästinenser erfolgreich zu einer neuen Intifada anstachelte.
Neben Reparationszahlungen von etwa 80 Milliarden Euro hat Deutschland enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zu Israel geknüpft
Donald Trump war wohl der erste amerikanische Präsident, der aus dem erkennbaren Unwillen oder der schlichten Unfähigkeit der auch derzeit verbittert zerstrittenen Palästinenser zu einer Kompromisslösung politische Konsequenzen zog. Die Zwei-Staaten-Lösung war in Washington zu seiner Amtszeit kein Thema mehr, stattdessen wurde die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. Damit wurde der Anspruch Israels auf Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt. Lediglich die Ungarn haben kürzlich als erstes europäisches Land entschieden, dem Beispiel der USA zu folgen.
In Deutschland wird ein solcher Schritt nicht einmal diskutiert. In Berlin ist man sich einig, dass das den „Friedensprozess“ behindern würde. Dass dieser „Friedensprozess“ real gar nicht mehr existiert, ist einer der wesentlichen Gründe, warum der konservative Likud, aber auch die nationalistischen Parteien und die Ultraorthodoxen bei den jüngsten Knesset-Wahlen Mehrheiten erringen konnten.
Aufwind haben in Israel auch radikale Kräfte, die immer mehr Siedlungen errichten, am liebsten das ganze Westjordanland annektieren würden, um ein „Eretz Israel“, ein Groß-Israel im gelobten Land, zu errichten. Extremisten wollen sogar den zweiten, von den Römern zerstörten Tempel auf dem Tempelberg wieder errichten, was die Zerstörung der Al-Aksa-Moschee und des Felsendoms, zwei Heiligtümer des Islams, bedeuten würde.
Israels schwierige Freunde
Israel hat nicht viele wirkliche Freunde in der Welt. Die USA mit der zweitstärksten jüdischen Bevölkerung der Welt nach Israel sind sicher der wichtigste Verbündete und Partner. Allerdings hat US-Präsident Joe Biden die pragmatische, betont Israel-freundliche Politik Trumps längst aufgegeben. Der Rückhalt gegenüber Israel hat auch in der amerikanischen Bevölkerung abgenommen.
Deutschland hat sich seit 1948 redlich bemüht, seiner Verantwortung angesichts der Schoah gerecht zu werden. Neben Reparationszahlungen von etwa umgerechnet 80 Milliarden Euro an Israel und an Überlebende des Holocaust wurden enge politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zu Israel geknüpft. Auch für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gehört die Sicherheit Israels zur Staatsräson Deutschlands – so wie es seine Vorgängerin im Amt, Angela Merkel (CDU), schon 2008 in der Knesset erstmals formuliert hatte.
Mit Sorge allerdings verfolgen die Israelis manche befremdlichen Entwicklungen in Deutschland, wie beispielsweise den wachsenden Antisemitismus. Neben der traditionellen und der neuen Judenfeindlichkeit bei einem eher kleinen Teil der deutschen Bevölkerung hat die Einwanderung von Millionen Muslimen zu einer starken Zunahme des Antisemitismus geführt – deutlich sichtbar bei Demonstrationen und Veranstaltungen von Islamisten oder Palästinensern, spürbar auch an vielen Schulen, die manche jüdische Schüler wegen des feindseligen Klimas auf dem Schulhof längst verlassen haben.
Die Israelis wissen, was sie von der stets beteuerten „unverbrüchlichen Freundschaft“ der Deutschen mit Israel zu halten haben. Denn Politik und Medien verfolgen nicht nur sehr aufmerksam, sondern auch sehr kritisch alles, was in Israel geschieht. Oft genug sorgt man sich in Deutschland vor allem um Moral und Anstand.
Derzeit geht es um die Justizreform, oft werden der Umgang mit den Palästinensern oder der jüdische Siedlungsbau thematisiert. Die Tatsache, dass mit Geldern aus Brüssel und Berlin eine zutiefst korrupte palästinensische Verwaltung mitfinanziert wird oder dass die Familien von palästinensischen Terroristen großzügig versorgt werden, ist eine der Realitäten, die in Europa gern ausgeblendet werden.
Ganz besonders die deutsche Linke hat, trotz aller Beteuerungen für den „Kampf gegen rechts“ und dem Slogan „Wehret den Anfängen“, ein enormes Problem mit dem jüdischen Staat. Das beginnt mit der teilweise überbordenden, leidenschaftlichen Solidarität der 68er-Studentenbewegung mit den Palästinensern (und damit gegen die „imperialistischen Zionisten“) oder dem Unwillen des damaligen SPD-Kanzlers Willy Brandt, den USA 1973 die Nutzung Deutschlands als Luftbrücke zu gestatten, um Israel im Kampf gegen die arabischen Kriegsgegner mit überlebenswichtigem Waffennachschub beizustehen. Die Israel-feindliche Haltung findet sich heute natürlich auch bei den modernen linken Basisbewegungen.
Diffamierung durch Klimaaktivisten
Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor (siehe Interview in Tichys Einblick 7/22), beklagte jüngst, dass die Klimaaktivisten Israel als Apartheidstaat diffamieren. Der Diplomat machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland neben dem „braunen, vulgären Antisemitismus“ einen wachsenden „linken Antisemitismus“ gebe, der mittlerweile „salonfähig“ geworden sei.
Israel scheint bis zum heutigen Tag eine heftige Provokation jeder linken Ideologie zu sein. Die Vorstellung eines jüdischen Staates ist offenbar nur sehr schwer zu akzeptieren. Das verwundert umso mehr, als der Zionismus traditionell starke sozialistische Züge beinhaltet. Die sehr erfolgreich umgesetzte Vision von Kibuzzim liefert nur den illustrativsten Beleg. In diesen ländlichen Kommunen gehört fast alles der Gemeinschaft, die Mitglieder haben kaum persönlichen Besitz. Auch war der Zionismus stets von weiblicher Emanzipation geprägt – ein klarer Kontrapunkt zum Frauenbild, wie es in der muslimischen Welt gepflegt wird.
Israels Botschafter beklagt einen wachsenden „linken Antisemitismus“, der mittlerweile in Deutschland „salonfähig“ geworden sei
Umso erstaunlicher, dass die Sympathien der Linken in Europa dennoch stets mehr den Arabern mit ihren teilweise mittelalterlichen, patriarchalischen Strukturen in Familie und Gesellschaft galten. Palästinenserflaggen und Palästinensertücher gehören jedenfalls bei vielen Demonstrationen in Deutschland wie selbstverständlich zum Bild des Aufmarschs, selbst wenn es um ganz andere politische Themen geht. Nicht allen Teilnehmern ist wohl bewusst, dass sie Symbole der Israel- Feindschaft tragen.
Wie schwer sich Deutschland mit Israel tut, zeigen auch Berichterstattung und Wortwahl in den Medien, wenn es um den jüdischen Staat geht. Dabei übertreffen in ihrer Kritik und oft einseitigen Darstellung nur rechts- oder linksradikale Blätter die Beiträge öffentlich-rechtlicher Sender. Immer wieder werden beispielsweise die Folgen der israelischen Vergeltungsmaßnahmen ins Zentrum der Berichte gestellt – und nicht die zuvor erfolgten brutalen Terror- oder Raketenangriffe der Palästinenser auf israelische Ziele, die das militärische Eingreifen erst nötig gemacht hatten.
Aber allein das Thema Juden verunsichert deutsche Politiker und Journalisten. Da wird plötzlich von „Menschen jüdischen Glaubens“ gesprochen. Dabei wird ignoriert, dass das Judentum von den Juden selbst eben nicht nur religiös definiert wird und sich im Konzept des jüdischen Volkes als das von Gott auserwählte Volk widerspiegelt. Dieses wiederum gründet im Bund Gottes mit Abraham und der Offenbarung der Thora am Berg Sinai.
Die Vorstellung des Auserwähltseins hat sich historisch entwickelt und ist heute keineswegs ein monolithisches Konzept. So gibt es auch viele Atheisten unter den Juden. Berühmte Juden wie Karl Marx, Heinrich Heine oder Albert Einstein hatten – zumindest zeitweise – ein enormes Bedürfnis, sich vom Judentum zu distanzieren, Heine ließ sich sogar taufen.
Sympathien sichern kein Überleben
Besonders klar scheinen die Nazis in all ihrem Judenhass begriffen zu haben, dass Juden zu einem ganz bestimmten Volk gehören, völlig unabhängig davon, dass auch die Juden über die Jahrtausende zu einem ethnisch vermischten Volk geworden waren. Die Nazis haben definiert, wer Jude ist und wer nicht: Zum Juden und damit zum Todeskandidaten gestempelt wurde jeder, der aus einer jüdischen Familie stammte, ganz gleich, ob da vielleicht sogar schon die Großeltern zum Christentum konvertiert waren.
In Israel und in den jüdischen Gemeinden in aller Welt ist das ebenso unvergessen wie die zahllosen Pogrome, Verfolgungen und Diskriminierungen der Juden in aller Welt zu allen Zeiten. Fast 2000 Jahre waren Juden stets Opfer – das moderne, hochgerüstete und wirtschaftlich erfolgreiche Israel ist ein gewaltiges Symbol und ein enormes Fanal für den Willen der Juden, nie wieder Opfer zu sein.
Das Überleben des jüdischen Staates wird nicht von den Sympathien der Welt abhängen, sondern in erster Linie von der militärischen und wirtschaftlichen Stärke des Landes. Die Gegenwart zeigt, dass es daneben auch andere gesellschaftliche Herausforderungen gibt. Der Kampf um die Existenz Israels ist noch lange nicht vorbei.