Es ist dann doch immer wieder ein erhabenes Schauspiel. Es gibt einmal mehr Zahlen zur Migration im vergangenen Jahr, diesmal vom Bundeskriminalamt (BKA) und von der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache, kurz Frontex, wobei die letztgenannten schon länger bekannt sind. Demnach wurden 2023 etwa 380.200 unerlaubte Einreisen in die EU festgestellt. Das entsprach einer Steigerung um 16,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (326.300 Einreisen).
Für Deutschland stellt das BKA 266.224 illegale Einreisen oder Aufgriffe im Inland fest. Das bedeutet, dass satte 70 Prozent aller illegal Eingereisten am Ende in Deutschland gelandet sind. 70 Prozent der illegalen EU-Einreisen haben als Endziel offenbar Deutschland. Das ist ein erschreckender Wert – überflüssig zu sagen, dass er nicht dem Bevölkerungsanteil Deutschlands an der EU entspricht. Aber auch dieses Argument verfehlt das Ziel, die grundlegenden Tatsachen. Denn Deutschland produziert alle diese 266.000 Grenzübertritte in die EU quasi selbst. Indem die Bundesrepublik so günstige Bedingungen bietet, was die Anerkennung als Schutzsuchender, was Sozialleistungen, den Familiennachzug und die Möglichkeit zur baldigen Einbürgerung angeht, zieht es die glückssuchenden Migranten wie ein Magnet an. Ohne ein Land wie Deutschland in der Mitte, ein Land von Milch und Honig für jeden Neuankömmling, gäbe es wohl einen Großteil der illegalen Migration in die EU nicht.
Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die illegalen Aufgriffe an der deutschen Grenze und im Inland um 33,4 Prozent. Auf der Kupferspule liegt also noch Strom, der das Magnetfeld weiter stärkt. Man weiß, welches Klientel die Spule anzieht: Syrer und Afghanen, neuerdings auch „schutzsuchende“ Türken, die jeweils zu Zehntausenden nach Deutschland kommen, um sich hier bereits mitgliederstarken Expat-Gemeinschaften anzuschließen. Es handelt sich längst um Kettenmigration, gleichzeitig werden immer neue Anker gelegt, an die sich dann neue Ketten von Kindern, Ehegatten, Schwestern, Brüdern, Eltern, Großeltern, Cousins und Cousinen knüpfen (oder schmieden) lassen.
Schweden hat übrigens im letzten Jahr nach Ab- und Zuwanderung netto 500 Syrer weniger gehabt. Daneben verkleinerte sich auch die Gruppe der Iraker um 900 Personen, die der Somalier gar um 1100.
52 Prozent der Zuwanderer stammen aus Asien und Afrika
In Deutschland gab es 2023 eine Netto-Zuwanderung von 663.000 Personen, wovon relativ genau die Hälfte aus Europa kam: 330.000, allerdings bei einem deutlichen Rückgang von 72 Prozent. Die meisten dieser europäischen Zuwanderer waren immer noch Ukrainer, auch wenn ihre Zuwanderung deutlich zurückging (276.000). Fast genauso viele Menschen kamen durch illegale Einreise nach Deutschland, nämlich (siehe oben) 266.000. Daran war auch die zweitgrößte Zuwanderergruppe der Türken beteiligt, deren Nettozuwanderung bei 126.000 Personen lag (plus 56 Prozent gegenüber 2022), darunter 62.000 Asylbewerber.
Die Netto-Zuwanderung der Syrer lag bei 102.000 laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis), obwohl es mehr als 104.500 Asylanträge gegeben hatte. Haben die Ab- oder Rückwanderung hier schon klammheimlich eingesetzt? Bei den Afghanen sieht es fast ähnlich aus: 49.000 sind laut Destatis netto gekommen, aber die Erstasylanträge lagen bei 51.275. Aus Asien (dazu zählt auch Syrien) kamen netto 287.000 Personen, aus Afrika 61.000 – insgesamt also mehr als die Hälfte der gesamten Nettozuwanderung. Länder wie die Schweiz, Österreich oder die USA tauchen bei Destatis nur noch als Zielländer für deutsche Auswanderer auf.
Man kann Deutschland auch mit dem weltoffenen Dänemark vergleichen (nicht, dass die Schweden nicht weltoffen wären). Die größten Zuwanderernationalitäten in Dänemark sind: Ukraine, Rumänien, Deutschland, Polen, USA, Italien, Indien, Spanien, Iran, Nepal (in dieser Reihenfolge). Eine ähnliche, offiziell vorgelegte Statistik sucht man für Deutschland vergebens. Man müsste sie sich selbst zusammensuchen.
Faesers Grenzkontrollen sind größtenteils eine Chimäre
Die dänische Nettozuwanderung betrug 2023 etwa 29.000. Das ist in der Menge sogar vergleichbar mit Deutschland, aber die Qualität ist meistenteils eine andere. In Dänemark dominieren neben Ukrainern die Deutschen, Polen, US-Amerikaner und Italiener. In Deutschland kommen gerade noch acht Prozent der Netto-Zuwanderer, also jener Einwanderer, die bleiben, aus der EU, der Schweiz und anderen europäischen Ländern (abzüglich der Ukrainer). 54.000 waren es im letzten Jahr.
Zurück zum BKA und seinen Zahlen zum Jahr 2023: Der Verdacht auf eine Schleusung – auf der finalen Strecke über die deutsche Grenze – ergab sich demnach bei etwa 39.700 Einreisen. Hier darf man an die von der Bundespolizei festgestellten unerlaubten Einreisen erinnern, die 2023 bei 127.549 lagen, also etwa bei der Hälfte der BKA-Zahl von 266.224. Das erscheint erklärungsbedürftig, weist aber offenkundig darauf hin, dass es noch mehr Behörden und staatliche Stellen gibt, denen illegale Einreisen auffallen. Das bedeutet auch: Die Bundespolizei hat längst keinen Überblick mehr darüber, wer nach Deutschland einreist, um von Kontrolle zu schweigen.
Bundespolizisten im Grenzeinsatz bestätigen diesen Eindruck. Da heißt es dann: „Was über die grüne Grenze oder über die Oder kommt, wissen wir nicht“, da dort nicht überwacht werde. „Niemand weiß wirklich, wer hier im Land ist!“ Grenzkontrollen durch die Bundespolizei, um die illegale Zuwanderung zu vermindern, sind nach diesem Stand der Dinge größtenteils eine Chimäre, die von Innenministerin Nancy Faeser bewusst am Leben gehalten wird – zumal natürlich vor den Landtagswahlen im Osten.
Die kriminellen Schleuser fielen der Bundes- und den anderen Polizeien in Deutschland nur in einem Drittel bzw. einem knappen Sechstel der Fälle überhaupt auf. Aber das BKA weist darauf hin, dass „es auf den vielfältigen Teilstrecken der“ – sogenannten – „Fluchtrouten kaum möglich“ sei, „ohne Nutzung von Schleusern den Zielstaat zu erreichen“. Internationale Zusammenarbeit, nicht zuletzt innerhalb der EU, täte Not. Sie scheint aber ziemlich abwesend zu sein, auch wenn man Bundespolizisten von der deutsch-polnischen Grenze zuhört, die ihre Zurückweisungen weitgehend alleine abwickeln müssen und dafür dann im Zweifel noch von der polnischen Regierung an den Pranger gestellt werden.
Gefährliche Schleusungen nehmen zu
Bedenklich erscheint ebenfalls, dass inzwischen 42 Prozent der Geschleusten über Polen nach Deutschland kommen. Das könnte wiederum an besonders sorgfältigen Kontrollen an der deutschen Ostgrenze liegen oder an einer anderen „Infrastruktur“, also an besser verborgenen Schleusungsmethoden an anderen Grenzabschnitten, etwa an der lange erprobten deutsch-österreichischen Grenze. Dort werden noch immer 29 Prozent der Schleuser festgestellt. 22,5 Prozent der Schleuser wurden an der Grenze zu Tschechien gefasst. Die Schleuser stammen dabei hauptsächlich aus Syrien, Deutschland, der Türkei und der Ukraine. Hoppla, Ukraine? Man dachte, diese Leute würden hier mit offenen Armen empfangen. Das ist ja auch so, und gerade deshalb finden sich auch hier schwarze Schafe. Man könnte zum Schluss kommen, dass unüberprüfte Einreisen an keiner Stelle gut sind.
Interessant auch die Schleusungsmethoden: 37 Prozent der Geschleusten waren zu Fuß unterwegs, knapp 26 Prozent in Kleintransportern, 24 Prozent mit dem Auto. Daneben haben sich die erfassten „Behältnisschleusungen“ verdoppelt: Dabei werden die Migranten unter teils lebensgefährlichen Bedingungen in abgeschlossenen „Behältnissen“ transportiert, wobei Sauerstoffmangel und Unterkühlung eintreten können. Auch die Schleusungen innerhalb der EU können unter diesen Umständen zu Todesfällen führen.
„Die Schleusungsgruppierungen agierten dabei zunehmend risikobereiter und rücksichtsloser gegenüber den geschleusten Personen, unbeteiligten Dritten sowie eingesetzten Polizeikräften, um sich einer Kontrolle und damit der Strafverfolgung zu entziehen“, heißt es dazu vom BKA. Wie schon bemerkt: Alles das müsste nicht geschehen, wenn Deutschland sich darauf konzentrieren würde, konsequent die Anreize für illegale Einreisen sowohl in die EU als auch nach Deutschland abzustellen. Aber das kann nicht mehr als ein Ceterum censeo sein angesichts einer Bundesregierung, die schon Probleme damit hat, ihr eigenes Handeln – etwa im Hinblick auf Bürgergeld oder Schulden – transparent darzustellen oder überhaupt zu erkennen.