Wer mit wachem Verstand Nachrichten liest, der muss es überaus beschämend finden, was Teile der deutschen Presse gerade an verzerrenden Faktenlagen über Tote im Mittelmeer verbreiten, damit es als Nachricht nicht mit ihrem Weltbild kollidiert, wenn Zweidrittel der im Meinungsgeschäft Tätigen mit Rot-Grün sympathisieren, wie unabhängige Untersuchungen eines Hamburger Institutes für Journalistik ergeben hatten.
Im Detail geht es hier um eine zunächst sehr traurige Geschichte: Um Menschen, die elend samt Frauen und Kindern ums Leben kommen, weil sie sich libyschen Schleppern anvertrauen, die ihrerseits auf europäische Nichtregierungsorganisationen setzen, die ihnen kurz außerhalb libyscher Gewässer ihre menschliche Fracht abnehmen. Die pro Kopf tausende von Dollar bezahlt haben sollen, um dann in maroden Schlauchbooten eine Art russisches Roulett zu spielen, wenn laut Angaben der UNO-Flüchtlingshilfe mittlerweile jeder „15. Flüchtling und Migrant den Überquerungsversuch mit dem Leben“ bezahlen soll. Randbemerkung: Selbst der UNHCR spricht hier nicht mehr ausschließlich von Flüchtlingen.
Die Schlagzeilen lesen sich aktuell in etwa so: Täglich sechs Tote im Mittelmeer, die Situation sei so entsetzlich wie lange nicht mehr. Anlass sind hier die aktuellen Zahlen des UNHCR für 2018, allerdings fast ausschließlich in der Interpretation der UNO-Flüchtlingshilfe. Die berichtenden sogenannten Leitmedien sind hier nicht Willens oder in der Lage, diese Informationen in echte Nachrichten umzuwandeln, wenn hier auf besonders perfide Weise Politik gemacht wird mit Menschenleben.
Wenn zwar berichtet wird, dass es anteilig an der sinkenden Gesamtzahl der Migranten mehr geworden sind, die ertrinken, wenn aber verschwiegen wird, dass es in absoluten Zahlen deutlich weniger sind, die 2018 ertrunken sind im Vergleich zu 2017 und noch viel weniger vergleichend mit den Zahlen von 2016.
Knapp 1.000 Tote weniger 2018? Warum wäre das keine Erfolgsmeldung wert? Weil dann auch nach den Ursachen dafür geschaut werden müsste, weil dann die Erkenntnis unumgänglich werden könnte, dass es auch an der massiven Behinderung sogenannter „Seenotrettungen“ von Nichtregierungsorganisationen in 2018 gelegen haben kann, dass weniger elend ertranken. Was für ein Vorwurf!
Die so genannten deutschen Medien sind nicht bereit, ihn zu erheben. Noch weniger, wenn Die ZEIT vor einigen Monaten erst einen veritablen Shitstorm erntete und dann schnell von ganz oben herunter Abbitte schwor und ihrer Redakteurin in den Rücken fiel, obwohl sie ihr den Auftrag erteilt hatten, diese düsteren Tatsache zu ehrlich zu kommentieren. Die Zeitung hatte bezogen auf die Aktivitäten der Schiffe der NGOs im Rahmen einer Debatte gefragt: „Oder soll man es lassen?“ Eben weil dann weniger Menschen sterben könnten.
Was für eine Verweigerung, wenn es nur wenig Recherchearbeit bedarf, die vom UNHCR gemeldeten 2.275 Ertrunkenen aus 2018 mit denen aus 2017 ins Verhältnis zu setzen, als fast 3.000 überwiegend junge männliche Afrikaner auch diese faktische Allianz zwischen Schleppern und NGOs mit ihrem Leben bezahlen mussten.
Was für ein Versäumnis allerdings: Der UNHCR selbst erwähnt diesen – für die Beurteilung des Schaffens der NGOs im Mittelmeer – so immanent wichtigen Sachverhalt in seinen Hauptmitteilungen mit keinem einzigen Wort. Und die Medien nehmen diese Verschweigespirale dankbar an. Was aber, wenn genau so wieder neue Boote ins Mittelmeer getrieben werden? Wenn also junge engagierte Europäer, die Leben retten wollen und aufs Meer hinausfahren in der Folge wieder vermehrt Schlauchboote anlocken, die von den Schleppen hin zu diesen Booten geschickt werden und so tausende in unmittelbare Lebensgefahr bringen.
Jeder berichtende Journalist muss sich jetzt selbst fragen, wie wichtig es geworden ist, dem UNHCR massiv auf die Finger zu schauen und aufzuschreiben, wenn diese Organisation auf eine Weise Informationen verstümmelt, dann publiziert und verbreitet, wie hier: „Durch die zurückgefahrene Seenotrettung ist die Flucht über das Mittelmeer wieder zur tödlichsten (See-)Fluchtroute der Erde geworden.“ Eben genau das ist dann nicht der kausale Zusammenhang, wenn durch die „zurückgefahrene Seenotrettung“ doch vor allem ein Ergebnis erzielt wurde: Fast 1.000 Tote weniger!
Nun kann dem Leser diese Debatte hier bei TE bekannt vorkommen. Tatsächlich hatten wir schon im August 2018 exakt auf diese Tragödie vor der libyschen Küste hingewiesen und schon damals festgestellt, was noch wenige wahr haben wollte: Weniger Schiffe der NGOs vor der Küste, weniger Tote im Mittelmeer.
Anstatt betreten zu schweigen über zu viel Unsinn, den man zu verbreiten bereit war und nun einfach selbst einmal zu recherchieren, empörten sich damals einzelne Medien ausgerechnet über die Recherche von TE und legten es zudem mit erstaunlicher Perfidie darauf an, die Nachricht als solche und die Verbreiter der Nachricht zu diffamieren – sich dabei umschauend versichernd, dass es bloß genügend Gleichgesinnte gibt, die diese Schmutzkampagne in den sozialen Medien begleiten.
Nun, wo die abschließenden Zahlen für 2018 aus der Feder des UNHCR noch einmal in aller Deutlichkeit belegen, dass nach Rückzug der NGO-Schiffe weniger Migranten elend ertrinken, da schweigen die Schreihälse betroffen, stecken den Kopf in den Sand und hoffen einfach, dass dieser Kelch an ihnen vorbeigeht, anstatt nun wenigstens die schlimmsten Fake-News und Diffamierungskampagnen der Vergangenheit denen gegenüber einzugestehen, die bereit waren, journalistisch aufzutreten. Jämmerlich. Ach was: einfach nur eine erbärmliche Feigheit.