Die Dresdner Nichtregierungsorganisation „Mission Lifeline“ verbreitete es per Twitter: „Von Lesbos nach Berlin – Charterflug für Kinder und Mütter“. Die private Organisation glaubt also, ein Schlupfloch gefunden zu haben, am Staat vorbei illegale Migration nach Deutschland in die eigenen Hände zu nehmen. Einer der Anführer von Lifeline, „Missionsleiter“ David Pichler meldete sich zu Wort und machte klar, was Kritiker des Tuns der NGO zu erwarten haben: „Wer das nicht will, ist ein Schwein.“
Nun will die Regierung Merkel offenbar kein Schwein sein. Ein Beschluss des Koalitionsauschusses liegt ja seit Montag vor, der besagt, dass eine bestimmte Anzahl von Kindern nach Deutschland bzw. Europa gebracht werden soll – das jedenfalls will man jetzt eng mit Brüssel abstimmen.
Lifeline will, dass die von der Organisation nach Deutschland via Charterflug eingeflogenen Menschen anschließend nach dem Königsteiner Schlüssel bzw. an aufnahmebereite Kommunen verteilt werden. „Aufnahmebereite Kommunen“ zielt auf die sich mit der Organisation Seebrücke solidarisch erklärten deutschen Städte, die sich zu aufnahmebereiten Häfen erklärt hatten und nun Farbe bekennen sollen. Bisher war die Seebrücke-Aufnahmebereitschaft ja eine theoretische, nun soll es praktisch umgesetzt werden. Der Schrei nach mehr finanzieller Unterstützung durch den Bund dürfte ab Ankunft unmittelbar folgen, die Vorhersage kann man wohl wagen. Der Staat säugt schließlich die Nichtregierungsorganisationen mit dem Hunderte von Millionen schwerem „Demokratie leben“-Programm bereits.
Das Charterflugzeug soll 55.000 Euro je Flug kosten, vermeldet Lifeline. Für die „Evakuierungsmission“, so nennt man das Vorhaben, sei der Hashtag „SaveThem“ vorgesehen. Rosinenbomber also nicht nur zur gesicherten Versorgung vor Ort, sondern solche, welche die Menschen gleich selbst dorthin abholen, wo die Rosinen vermeintlich auf den Bäumen wachsen.
Begleitet wird der Spendenaufruf von der Fotografie eines kleinen Mädchens im orangenen Sweater mit Diddelmaus-Applikation, das zwischen zwei Zeltplanen hindurchschaut, als hielte es schon Ausschau nach den retttenden Lifelinern. Schlimm. Niemand will übrigens bestreiten, dass es dort Kinder in schrecklichen Verhältnissen gibt, denen mindestens vor Ort geholfen werden muss. Aber es muss parallel dazu auch geklärt werden, wie diese Kinder dort hingekommen sind – unbegleitet – und wie viele es tatsächlich sind, die da möglicherweise als Faustpfand vorgeschickt werden.
David Pichler von Lifeline sagt per Videobotschaft, im Camp in Moria lebten 40 Prozent Kinder. Diese Kinder „und schwangere Frauen stehen stundenlang um etwas Essen an.“ In diesem Camp wären es laut Pichler 2000 unbegleitete Kinder. Zuvor spricht er von 22.000- 25.000 Insassen im Camp. Der Rechenfehler scheint ihm selbst nicht aufgefallen zu sein. Denn wenn 2000 Kinder 40 Prozent ausmachen, dann können dort demnach maximal 5000 Menschen leben. Aber es geht ja um Menschenleben, was interessieren da ein paar banale Zahlen.
Lifeline suggeriert zudem, die Organisation stände mit dem deutschen Innenministerium und dem Außwärtigen Amt in Kontakt: „Mission Lifeline hat Kontakt zum Büro von Minister Seehofer und Minister Maas aufgenommen, um die notwendigen Genehmigungen zu verhandeln.“ Wurde hier eine Email oder ein Brief geschrieben oder ist da schon mehr im Gange? Haben am Ende solche Organisationen bereits die Beschlüsse des später tagenden Koalitionsausschusses beraten? Der Pressesprecher der Lifeline behauptet tatsächlich genau das gegenüber dem Radioeins, wenn er dort sagt: „Ja, also, wir nehmen an, dass die heute Nacht im Koalitionsausschuss erst einmal darauf regiert haben. Also die haben sich ja drauf geeinigt, dass da tausend bis tausendfünfhundert Flüchtlingskinder irgendwie, irgendwann ankommen. Das ist erst einmal die Reaktion, die wir öffentlich wahrnehmen.“
Treibt hier die Nichtregierungsorganisation die Regierung selbst vor sich her oder zieht sie vielmehr am Nasenring? Nach Lesart von Lifeline hört es sich tatsächlich genau so an.
Wir fragen bei den Ministerien nach, in wie weit diese zusammengearbeitet haben mit einer Organisation, die von einem ihrer Ex-Kapitäne gerade als linksradikal geoutet wurde.
Schauen wir derweil einmal fünf Jahre zurück. Schon damals fragte der Spiegel irrtiert, warum die syrischen Flüchtlinge nicht per Flugzeug kämen, das wäre doch sicherer, als das Geld für dubiose Schlepper auszugeben und sich auf einen langen und unsicheren Weg zu machen. Die Antwort schon damals:
Laut EU-Richtlinie 2001/51/EG haften Fluggesellschaften wenn „Passagiere im Zielland wegen fehlender Papiere abgewiesen werden. Das Unternehmen muss dann eine Strafe zahlen, den Rückflug organisieren und für Unterkunft und Verpflegung bis zur Rückreise aufkommen.“ Jakob Augstein wärmte den Artikel des Spiegels dann vier Jahre später für seinen Freitag noch einmal auf und erzählte seinen Lesern, warum Flüchtlinge nicht ins Flugzeug steigen.
„Da sind Kinder, die haben Krebs, Herzkrankheiten,die werden früher oder später sterben“, heißt es weiter. Wo die denn dann hin sollen, wenn sie in Berlin angekommen sind, will die Radiomoderatorin wissen: „Das ist dann Sache des Bundes, das funktioniert nach Dublin 3 Artikel 17 zum Beispiel. Das heißt, die Bundesrepublik übernimmt dann die Asylverfahren.“
Die Moderatorin will weiter wissen, was Lifeline gegen eine vom Koalitionsausschuss anvisierte europäische Lösung hat: “Die europäische Lösung ist vorhanden, es gibt mehrere Länder, fünf Staaten, die gesagt haben, wir machen da mit. Also die ist da, die eruopäische Lösung.“ Die EU besteht also für Lifeline lediglich noch aus fünf Mitgliedstaaten?
Am Ende steht aber leider zu befürchten, dass sich die Bundesrepublik tatsächlich hier pseudomoralisch von einer linksradikalen NGO erpressen lässt und eben dann hektisch eigene Wege sucht und findet, Menschen von den Inseln zu holen, also den Pullfaktor wieder weiter zu verstärken, während die NGO wie schon gegenüber Radioeins für sich reklamieren kann, die Bundesregierung am Gängelband zu führen.
Wie das Problem sonst zu lösen sei? Die Integrationsbeauftragte von Nordrhein-Westfalen (CDU) hatte jüngst bei Hart aber fair den Vorschlag gemacht, wenigstens diese Kinder aufs griechisches Festland zu bringen und sie dort ggf. auch mit deutscher Hilfe und deutschen Personal zu versorgen.